GUARDIANS - Der Verlust. Caledonia Fan
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Er fuhr alarmiert herum, kam aber nicht mehr dazu, etwas zu tun. Das, was ihn traf, war um ein Vielfaches stärker. Und das hatte seinen Grund.
Es sollte ihn töten.
Ort und Zeitpunkt für den Angriff waren perfekt gewählt. Während Tiana liegenblieb, wo sie gefallen war, sah die Situation für ihn wesentlich schlechter aus.
Der plötzliche, grelle Schmerz im Kopf, der jegliche andere Wahrnehmung mit einem Schlag ausschaltete, ließ ihn auf die Knie fallen. Alles versank in undurchdringlicher Schwärze. Er kippte zur Seite, rutschte über den Rand und rollte bewusstlos den Abhang hinab. Schlaff wie eine Gliederpuppe prallte sein Körper dabei mehrfach gegen Baumstämme und blieb schließlich weit unten im Wald liegen. Die üppig wuchernde Vegetation hatte ihn verschluckt wie ein gefräßiges, grünes Monster.
Hinter dem Wellblechschuppen, der in der Mitte des Holzlagerplatzes stand, kam eine Person mit einem Kapuzenponcho hervor. Sie ging gemächlich hinüber an den Rand des Plateaus und sah hinunter. Forschend fixierte ihr Blick das grüne Dickicht zu ihren Füßen. Unten regte sich nichts. Nach einer Weile schien sie überzeugt, dass der Begleiter der Zielperson außer Gefecht gesetzt war. Sie drehte sich um und stieß einen scharfen, kurzen Pfiff aus.
Gleich darauf trat ein kräftiger Mann mit raspelkurzen Haaren und ausdruckslosem Gesicht aus dem Schuppen und ging zu der bewusstlosen Tiana. Mit einer Leichtigkeit, als wäre sie eine Strohpuppe, hob er sie auf seine Schultern. Sein Gefährte mit dem Poncho war inzwischen auch herbeigekommen, stellte sich neben ihn und einen Wimpernschlag später waren alle drei verschwunden. Das Plateau lag verlassen. Der Regenwald dampfte und der nun wieder herabrauschende Regen schluckte die Geräusche des Dschungels fast vollkommen.
13. Juni 2024, Donnerstag, 16:50 Uhr
Carmelita, Guatemala
Als Tamira aus dem Haus trat, fand sie weder La'ith noch Tiana vor der Tür. Stirnrunzelnd sah sie auf den MFA. Der abgesprochene Zeitpunkt für die Rückfahrt war gekommen.
Einen Moment sah sie zum regenverhangenen Himmel hinauf, dann setzte sie sich auf die oberste Stufe der Veranda. Irgendwo anders zu warten erschien ihr sinnlos. Die beiden waren sicher gleich zurück.
Nach einer halben Stunde begann sie sich Sorgen zu machen. Das passte nicht zu La'ith. Er würde hier sein, wenn er könnte. Schließlich hatte er den Zeitpunkt selbst festgelegt, damit sie nicht in der Dunkelheit zurückfahren mussten.
"GPS von Tiana!", verlangte sie von dem kleinen Gerät am Handgelenk und starrte ungeduldig auf das Display.
Der blinkende, rote Punkt erschien sofort. Sie waren also im Dorf.
Entschlossen verkündete sie Romaru, der neben ihr auf den Stufen hockte, dass sie nach ihren Freunden suchen würde.
Der Junge nickte und sprang ebenfalls auf. "Ich helfe dir und ich hole noch jemand." Er drehte sich um und rannte davon.
Durch den strömenden Regen eilte sie auf dem schlammigen Pfad entlang bis zu der Stelle, wo sie ihren Wagen zurückgelassen hatten. Er stand mitten auf dem Dorfplatz, der das Herz der Siedlung war. Die Häuser, von denen manche eher die Bezeichnung Hütten verdienten, gruppierten sich lose um ihn herum, entlang von Wegen, die von ihm abzweigten, um irgendwann im Dschungel zu enden.
Sie überquerte den Dorfmittelpunkt und lief am Wagen vorbei. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie etwas, was sie stehen bleiben und zurückschauen ließ.
In der Heckscheibe des Toyota gähnte ein großes, gezacktes Loch. Scherben lagen neben der Stoßstange im Schlamm.
Eine eiskalte Hand griff nach Tamiras Herz. Jemand war in das Auto eingebrochen. Die Rucksäcke, schoss es ihr durch den Kopf, die Papiere, das Geld!
Ein Blick durch das Loch zeigte ihr sofort, dass das Satellitentelefon fehlte. Jemand hatte es gestohlen. Und das war nicht alles. Als sie zwischen den scharfzackigen Scherben hindurch ins Innere des Land Cruisers spähte, konnte sie die Rucksäcke nirgends entdecken. Der Dieb hatte alles mitgenommen. Sie besaßen weder Ausweise noch Geld.
Während ihr Herz vor Schreck zu rasen begann, stieg ein unbändiger Zorn in ihr auf. Während sie versucht hatten, Romaru, einem der Dorfbewohner, zu helfen, waren sie von eben diesen unverschämt ausgeraubt worden.
Sie winkte Romaru herbei, der mit seinen Freunden ein paar Schritte entfernt stand und sie mit bangem Blick beobachtete. "Hol den Dorfvorsteher!", befahl sie.
Der Junge nickte hastig und stob davon. Zwei Minuten später stand er mit einem betreten blickenden Mann vor ihr, der seinen speckigen und triefenden Strohhut nervös in den Händen drehte. Er hörte sich ihre erboste Beschwerde an und versprach, im ganzen Dorf nach dem Dieb zu forschen. Es war ihm sichtbar peinlich, dass die Ausländer bestohlen worden waren. Tamiras Ankündigung, dass sie Anzeige erstatten und dann die Polizei hier auftauchen würde, versetzte ihn in helle Aufregung.
Sie sah dem eilig Davoneilenden nach und erbat sich von Romaru eine Regenplane, mit der sie die zerschlagene Heckscheibe abdecken und das Innere des Mietwagens vor dem Regen schützen konnte.
Nachdem sie mit Hilfe der Jungen das Loch zugehängt hatte, liefen sie gemeinsam weiter bis zu der Stelle, von der das GPS-Signal kam, das als roter Punkt auf dem Bildschirm blinkte. Es war ein großflächiger Holzlagerplatz am Ostrand des Dorfes.
Doch sie konnten weder Tiana noch La'ith entdecken. Beide waren nirgends zu sehen und ihre Rufe verhallten ohne Antwort.
Ein Junge kam auf sie zu und blieb in respektvollem Abstand stehen. Auf ihren Wink hin trat er näher und reichte ihr einen MFA.
Ihre Hand krampfte sich darum, als sie das schlammverschmierte kleine Gerät als Tianas erkannte und in die Tasche ihrer Cargohose schob.
Wieso hat sie ihn abgenommen, fragte sie sich, und wo ist sie hingegangen?
Als sie La'iths GPS anzeigen ließ und sich der Stelle nähern wollte, sank ihr der Mut. Der Holzlagerplatz ging abrupt in einen steilen Abhang über und die Abbruchkante zwang sie stehenzubleiben. Irgendwo weit da unten am Fuß eines Hanges war das Signal und bewegte sich nicht.
"La'ith!", schrie sie und lauschte angespannt, "Tiana!" Doch nur das Echo hallte über die dampfende grüne Hölle zu ihren Füßen.
Was tat er da so ganz allein? Oder war Tiana bei ihm und hatte nur den MFA hier verloren? Das Herz schlug ihr vor Sorge hart gegen die Rippen, während ihr Blick nach einer Möglichkeit suchte, ohne abzurutschen zum unteren Ende des Steilhangs zu gelangen. Aber es gab keinen Pfad, geschweige denn einen richtigen Weg.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den Abhang und wäre fast abgeglitten auf dem glitschigen Gras.
Romaru packte sie am Arm. "Wo willst du hin?", fragte er alarmiert und besorgt zugleich.
"Ich muss da hinunter." Sie wies mit dem ausgestreckten Finger auf das grüne Dickicht zu ihren Füßen.
Der Junge schüttelte mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. "Du kannst nicht allein in den Wald!" Er überlegte einen Augenblick. "Warte hier", stieß er hervor, dann rannte er mit den drei anderen davon.
Nur Minuten später hatte sich eine Gruppe Männer um sie versammelt. Nachdem