GUARDIANS - Der Verlust. Caledonia Fan
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Noch einmal atmete sie tief durch, dann hatte sie ihre Gemütsverfassung wieder im Griff. Dankbar schickte sie in Gedanken einen Gruß an Tamira in der Hoffnung, dass es ihr gut ging.
"Wo sind meine Freunde?" Die Frage sollte gelassen klingen und sie hatte den Eindruck, dass ihr das gelungen war. Der dritte Teil begann: das Sammeln von Informationen.
"Es tut mir leid, ich weiß es nicht. Von Ihrer Begleiterin wollen wir nichts und der Mann wurde beseitigt. Wir können keine Zeugen gebrauchen. Ich nehme an, die Tiere des Dschungels kümmern sich um seine Überreste."
Das Geländer hielt nicht, was Tamira versprochen hatte. Es brach.
Tiana verlor den Halt. Stumm schreiend stürzte sie in den Abgrund der Verzweiflung. Der Brustkorb wurde ihr zu eng. Sie meinte, nicht mehr atmen zu können. Wenn sie nicht von der Binde bedeckt gewesen wären, hätten ihre Augen ihr namenloses Entsetzen verraten. Die auf dem Rücken gefesselten Hände mit den in die Handflächen gepressten Fingernägeln konnte der Mann glücklicherweise nicht sehen.
Es war La'ith, von dem er gesprochen hatte. Gerade war ihr erklärt worden, dass er getötet wurde. Einfach so. 'Beseitigt', als wäre er nichts anderes als ein lästiges Hindernis gewesen.
Mit eisernem Willen zwang Tiana Luft in ihre Lungen. "Warum ist meine Begleiterin nicht auch hier?" Sie hatte erst gesprochen, als sie ihrer Stimme wieder vertraute.
"Señora Genera hat eine Gabe, die für la dama Chel von keinerlei Nutzen ist. Die Frau ist deshalb uninteressant."
Die Antwort war so sachlich, als würde der Kerl eine Weinsorte zum Essen auswählen. Dabei entschied er damit über die Zukunft von Menschen.
Zorn stieg in ihr hoch, doch gleichzeitig spürte sie eine ungeheure Erleichterung. Wenn sie wirklich in der Gewalt dieses Verbrechers war, dann würde er ihr ihre Erinnerungen nehmen. Die an den Tod von Ahmad und die Ermordung von La'ith. Der Schmerz hätte endlich ein Ende. Sie würde die beiden nicht mehr kennen.
Und Tamira ging es gut. Sie war nicht behelligt worden, wenn dieser Mensch die Wahrheit sagte. Nur bei dem Gedanken an ihren Bruder überfiel sie Wehmut.
"Was wollen Sie von mir?", stieß sie hervor, bevor sie Gefahr lief, in Tränen auszubrechen. "Warum halten Sie mich hier fest?"
Der Mann lachte leise.
"Lassen wir die Spielchen. Sie wurden schon seit einer Weile observiert. Und seitdem Sie in Flores aus Ihrem schicken Privatjet gestiegen sind, waren Sie faktisch keinen Moment mehr unbeobachtet."
La'iths Bemerkung über die Person im Wald fiel ihr ein. Er hatte Recht gehabt mit seiner Vermutung. Und auf dem Holzlagerplatz war der perfekte Zeitpunkt gekommen, zuzuschlagen.
Ob La'ith noch dort war? Nein, der Mann hatte gesagt, die Tiere des Dschungels würden sich um seine Überreste kümmern. Sie hatten ihn irgendwo entsorgt, wie Müll …
"Wir wissen, warum Sie hergekommen sind", fuhr der Mann fort. "Der Junge wird Ihnen nicht weiterhelfen können. Keiner von denen, die einmal bei uns zu Gast waren, wird es können. Dafür wurde gesorgt. Doch umsonst war Ihre Reise nicht. Sie haben uns quasi einen Dienst damit erwiesen, denn auch Sie stehen auf unserer Liste, ebenso wie Ihr Bruder und noch andere von Ihrer geheimen kleinen Organisation."
Die letzten Worte jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Der Mann wusste von den Guardians und mit Sicherheit auch, wo sich das Hauptquartier befand. Und die Schule ist in Gefahr, erkannte sie mit Schrecken.
Bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, sprach er weiter. "Zwar war Ihre Ankunft nicht so früh geplant, doch das ist unerheblich. Natürlich werden Sie ebenfalls keine Erinnerung an uns und an diesen Ort haben, wenn Sie nach Carmelita zurückkehren. Aber das wissen Sie ja bereits."
Er murmelte leise etwas auf Spanisch, dann hörte Tiana eine ebenso gemurmelte Antwort. Sie war also die ganze Zeit nicht mit ihm allein gewesen.
"Wo bin ich?", stieß sie hervor und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. An La'ith zu denken war gefährlich, denn dann drohte ihre mühsam aufrechterhaltene Beherrschung zusammenzufallen wie ein Kartenhaus.
"Was nützt es Ihnen, wenn Sie es wissen? Dieser Ort ist gut verborgen, niemand kennt ihn, niemand kann ihn finden."
Der Mann war kalt wie Eis. Einen Augenblick erwog sie, trotz seiner Warnung ihre Gabe anzuwenden, um ihn zum Reden zu bringen. Doch da war noch jemand im Raum. Und der Kerl hatte Recht: Solange sie zu niemandem Kontakt aufnehmen konnte, war es egal, wo sie sich befand. Sie würde allein klarkommen müssen.
Mühsam schluckte sie.
"Und wie geht es jetzt weiter?"
"Wir warten. Bald ist la dama Chel wach. Alles Weitere wird dann entschieden."
Schritte entfernten sich und das Klacken von Absätzen hallte im Raum. Sie blieb allein zurück. Aber erst als sie das Geräusch einer sich schließenden Tür hörte, brach sie in Tränen aus.
14. Juni 2024, Freitag, 05:30 Uhr
Carmelita, Guatemala
Ein sanftes Rütteln an der Schulter ließ Tamira zusammenfahren und erschrocken die Augen aufreißen. Ihr Blick fiel auf Romarus Mutter, die sich über sie beugte.
Verwirrt setzte sie sich auf. Wie spät mochte es sein? Draußen dämmerte es gerade erst, aber Nanita Vermosa war bereits angezogen. Es roch nach Kaffee und frischer Ananas.
Das Nachthemd, das sie gestern Abend von der freundlichen Frau bekommen hatte, schlackerte um ihren Körper, als sie frierend unter der gestreiften Decke hervorkroch. Ihre Schuhe waren von dem roten Schlamm befreit worden und standen neben dem Herd. Über den Lehnen der drei unterschiedlichen Küchenstühle hingen ihre Kleidungsstücke und sie schienen halbwegs trocken zu sein.
Die Frau raffte sie mit einem Griff zusammen, drückte sie Tamira an die Brust und drängte sie dann erneut in den kleinen Verschlag hinter dem Haus. Eine winzige Toilette und ein verzinktes Waschbecken neben der Badewanne boten die einzige Möglichkeit für die Hausbewohner, sich frisch zu machen.
Als Tamira zurückkam, stand eine Tasse dampfenden Tees neben einem Teller mit heißen Tortillas, Rührei, Ananas und gebackenen Bananen.
Tränen der Rührung stiegen ihr in die Augen. Das Frühstück war wahrhaft fürstlich und die Gastfreundschaft dieser Familie einfach überwältigend. Obwohl ihr die Kehle wie zugeschnürt war und sie setzte sich, um zu frühstücken, auch wenn sie keinen Bissen herunter zu bekommen glaubte.
Nanita Vermosa ermunterte sie zuzugreifen und rechtfertigte sich ein wenig verlegen für die Eile, mit der sie zum Essen drängte. Der Bus nach Flores würde in ein paar Minuten abfahren.
Während ihre Finger die duftenden Tortillas zerzupften, erwog Tamira noch einmal, den Wagen kurzzuschließen, um damit zurück ins Hotel zu fahren. Daran hatte sie gestern Abend schon gedacht, aber dann beschlossen, den Bus zu nehmen. Er war die beste Möglichkeit, von Carmelita wegzukommen. Und das musste sie unbedingt. Außerdem brachte sie es einfach nicht fertig, das Auto hier wegzufahren. Da war die leise Hoffnung, dass La'ith und Tiana doch noch …
Seufzend kaute sie das weiche Maisfladenbrot und schluckte mechanisch. Sie schmeckte