Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn. Edgar Rice Burroughs
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Der Diener war leichenblass, als er in das Greystoksche Bibliothekzimmer hineinstürzte und meldete, dass er die Tür zu Jacks Zimmer verschlossen gefunden habe. Mit zitternder Stimme berichtete er weiter, er habe auf sein wiederholtes Anklopfen und Rufen keine Antwort bekommen. Es sei nur ein ganz eigenartiges Pochen vom Zimmer her zu vernehmen gewesen, und dann habe es so geklungen, als bewege sich ein Körper unten auf dem Fußboden.
Lord Greystoke nahm vier Stufen auf einmal, als er die Treppe zum oberen Korridor hinaufstürmte. Die Lady und der Diener folgten in größter Eile. Der Lord rief seinen Sohn einmal laut bei seinem Namen, und, als keine Antwort kam, warf er sich mit der ganzen Wucht seines Körpers und unter Einsatz aller seiner Muskeln, die nicht das geringste von ihrer alten Kraft eingebüßt hatten, gegen die schwere Tür. Krachend barsten die Eisenteile, das Holz splitterte in großen Fetzen auseinander, und das »Hindernis« flog nach innen und deckte dumpf dröhnend Mr. Moore, der noch immer bewusstlos dicht hinter der Tür lag.
Tarzan sprang hinein, und im nächsten Augenblick flutete das grelle Licht von einem halben Dutzend elektrischer Lampen durch das Zimmer.
Es dauerte immerhin einige Minuten, bis man den Lehrer entdeckt hatte, da er unter den Trümmern der Tür nahezu völlig verschüttet lag. Man zog ihn hervor, befreite ihn aus seinen Leinenfesseln und entfernte den Knebel aus dem Munde. Durch reichliche Kaltwasserumschläge wurde er auch bald zum Bewusstsein zurückgebracht.
Wo ist Jack? war Tarzans erste Frage. Wer hat das getan? fuhr er sogleich fort; er dachte an Rokoff, und blitzartig war die Befürchtung in ihm aufgetaucht, es könne sich hier um eine zweite Entführung seines Sohnes handeln.
Langsam und zitternd stand Mr. Moore auf. Seine Blicke wanderten wie irr durch das Zimmer, und erst nach und nach schienen Gedanken und Begriffe wieder wach zu werden. Die Einzelheiten seines jüngsten qualvollen Erlebens mochten ihm wieder vor Augen stehen. Ich vermelde Ihnen meinen Verzicht, einmal etwas mit dem Jungen zu erreichen, mein Herr! waren seine ersten Worte. Sie brauchen keinen Hauslehrer und Erzieher für Ihren Sohn … er braucht einzig und allein einen … Dompteur.
Aber wo steckt der Junge denn? warf Lady Greystoke mit lauter, erregter Stimme ein.
Er ist fortgegangen; er sieht sich den Ajax an.
Tarzan wurde es nicht leicht, ein Lächeln zu verbergen. Er stellte noch zu seiner Genugtuung fest, dass der Hauslehrer in der Hauptsache nur unter dem großen Schrecken gelitten hatte, sonst aber nicht irgendwie verletzt war, und fuhr dann sofort in seinem geschlossenen Auto nach der bekannten Musikhalle.
Pawlowitschs Ende
Der Dompteur zögerte mit erhobener Peitsche einen Augenblick vor dem Eingang der Loge, in der der Junge und der Affe ihn erwarteten. Mit einem Male drängte sich ein großer breitschultriger Herr von rückwärts an beiden vorbei und in die Loge; über das Gesicht des Jungen huschte eine leichte Röte, als er den Ankömmling erblickte.
Vater! rief er ihm zu.
Der Affe nahm den englischen Lord rasch aufs Korn, dann ein Sprung … und er war dicht an ihn heran und begrüßte ihn in freudiger Erregung mit einem unverständlichen jauchzenden Geplapper. Die Augen des Herrn weiteten sich, er schien bestürzt und blieb auf der Stelle stehen, wie wenn er zu Stein erstarrt wäre.
Akut! schrie er dann.
Der Junge blickte verwirrt von dem Affen zu seinem Vater und von seinem Vater zu Akut, und dem Dompteur standen Mund und Ohren offen, wie er jetzt hörte, was sich vor ihm zutrug: Über die Lippen des Engländers quollen die Kehllaute der Affensprache … und der riesige Menschenaffe antwortete tatsächlich in gleicher Weise, während er sich dicht an den großen Herrn schmiegte.
Ein anscheinend vom Alter gekrümmter, hässlicher Mann verfolgte von der Bühne aus die Vorgänge in der Loge; man konnte deutlich beobachten, wie über sein mit Narben bedecktes Gesicht in krampfhaften Zuckungen wechselnde Empfindungen liefen, die jede Schwingung der ganzen Tonleiter von heller Freude bis zum tiefsten Erschrecken wiedergaben.
Lange habe ich nach dir gesucht, Tarzan! sprach Akut. Jetzt endlich fand ich dich, und nun will ich in deinen Dschungel kommen und immer dort mit dir leben.
Der Herr streichelte den Kopf des Tieres. All die alten Erinnerungen schossen ihm durch das Hirn, Bild reihte sich an Bild, er sah sich zurückversetzt in die Tiefen des afrikanischen Urwalds, weit weg von hier, dahin, wo dies riesige menschenähnliche Tier vor Jahren mit ihm Schulter an Schulter gekämpft. Er sah den schwarzen Mugambi, wie er mit seinem knorrigen Knüppel zum tödlichen Schlage ausholte, daneben den schreckengebietenden Sheeta mit weit geöffneten Pranken und zitterndem Barte … und dann Akuts furchtbare Affenhorde, wie sie sich dicht an den Wilden und an den kampfwütigen Leoparden herandrängte. Tarzan seufzte. Gewaltig lockte von Neuem das heiße Sehnen nach dem Dschungel, das er schon tot geglaubt, und das nun nur umso schlimmer in ihm wogte. Ach wenn er nur für einen Monat, für ein paar kurze Wochen dahin zurückkehren könnte! Nur einmal wieder fühlen, wie dichtes Buschwerk und die Blätter der Urwaldriesen seinen nackten Körper streiften, wieder einmal den dumpfen Duft versunkener und dahingewelkter Tropenvegetation einatmen können …, wie Weihrauch und Myrrhen wäre das für ihn, der in den Dschungelgründen das Licht der Welt erblickt hatte! Einmal wieder wittern, wie die großen Raubtiere des Urwaldes leise seiner Spur folgten, wieder jagen und gejagt werden …, wieder töten! O, wie diese Bilder ihn mit ihren schillernden Farben lockten und umgarnen wollten! Aber dann traten andere Bilder auf die Schwelle seines Bewusstseins: ein liebliches Frauenantlitz, schön und noch so jung; die Freunde, das Heim, der Sohn … Er zuckte mit seinen gewaltigen Achseln.
Es darf nicht sein, Akut! kam seine Antwort. Doch wenn du zurückkehren möchtest, werde ich dafür sorgen. Du könntest hier nicht glücklich sein … ich nicht dort drüben.
Der Dompteur trat einen Schritt vorwärts, doch