Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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mit Adligen und einem stolzen Hof.

      Als Margarete nun aber durch den Saal wanderte, wirkte er verstaubt und ungenutzt. Håkon und sie würden ihn wieder öffnen und Gäste zu Hof bitten, denn der Saal war das einzig Schöne hier auf Akershus. Warum sollte ausgerechnet er verschlossen bleiben und verrotten?

      Von dort gingen sie zurück zu den Wohngemächern, und Margarete setzte sich so weit wie möglich entfernt vom Webstuhl an eines der großen Fenster. Sie hatte ihre Lehrer aus Vordingborg mitgenommen, und zu dieser Zeit hatte sie üblicherweise Unterricht. Sogar auf dem Schiff hatten sie diese Routine nicht unterbrochen. Es wunderte sie auch, daß Frau Merete kein Fest anläßlich ihrer Ankunft vorbereitet hatte. Es gab keine Gäste auf Akershus und kein Bankett.

      »Die kleine Königin kann jetzt hinausgehen und spielen«, wies sie Frau Merete an, »sie wird dann gerufen, wenn es Zeit für das Abendbrot ist.«

      Spielen? dachte sie mit Grauen und erhob sich. Sie hatte nicht mehr gespielt, seit Eberstein ihr die Spielsachen weggenommen hatte. Nun sollte sie also auf einmal wieder Kind sein. Das würde nicht einfach werden. Plötzlich vermißte sie Eberstein, die zwar nie besonders liebevoll zu ihr gewesen war, aber wenigstens so schnell wie möglich aus Margarete eine Erwachsene hatte machen wollen.

      Sie hatte Frau Merete so verstanden, daß sie auch gern die Gemächer verlassen dürfe, und so zwängte sie sich schnell durch die schwere Holztür hinaus in den Burghof. Dort prallte sie mit einem großen blonden und etwas drallen Mädchen mit strahlend blauen Augen zusammen. Ihr geflochtener Zopf hing ihr über die Schulter, die Kleider waren überall ausgebessert, und ihre Schürze hing – viel zu kurz – über ihren Knöcheln.

      Margarete dachte, sie sei eines von den jungen Mädchen, die für Frau Merete arbeiteten, und wollte an ihr vorbeigehen. Die Blonde aber hielt Margaretes Arm mit einer gebieterischen Geste fest.

      »Wo willst du hin?« fragte sie mit einer singenden Stimme. »Suchst du mich? Ich bin Ingegerd!«

      Margarete machte sich von ihr los und strich ihre Ärmel glatt. Frau Merete würde sie sicher bestrafen, wenn sie ihre Kleider zerriß. Keiner hatte von einer Ingegerd gesprochen, und sie mochte auch nicht so festgehalten werden.

      Sie hatten ihr Håkon und Norwegen versprochen, doch alles, was sie bekommen hatte, war eine verlassene Burg, die auf den nächsten Krieg wartete, eine Erzieherin, die sie für ein ungehorsames Kind hielt, und grenzenlose Einsamkeit. Sie fühlte sich wie die Jungfrau, die in einem Berg gefangengehalten wurde. Und jetzt kam auch noch diese Ingegerd daher.

      »Hat sie dich schon mit der Rute geschlagen?« fragte Ingegerd. »Sie hat dich noch gar nicht geschlagen? Oh, du Glückliche. Sie hat die ganze Zeit davon gesprochen, daß sie dir deinen Stolz schon noch austreiben werde. Könige und Königinnen sollen Demut zeigen. Wo ist denn dein Buch mit den Stundengebeten?«

      Margarete begriff nur, daß sie bisher offensichtlich Glück gehabt hatte und noch keinen größeren Fehler begangen hatte. Stundengebete, dafür hatte man doch Priester und Mönche, dachte sie. Ihr Vater hatte oft die Messe frühzeitig verlassen. Die eine sei wie die andere, hatte er einmal gesagt. Da zog er es vor, neue große Glocken für die Klöster in Lund und Sorø gießen zu lassen.

      Sie hatte kein Gebetbuch. Vielleicht war das auch ein großer Fehler. In Frau Meretes Gegenwart war sie tatsächlich wieder zum Kind geworden. Und zwar ein Kind, das sie vorher nie gewesen war, das vollkommen machtlos war. Dieses Mädchen hier war der einzige richtige Mensch, den sie bisher auf Akershus getroffen hatte.

      »Nein, sie hat mich noch nicht geschlagen«, antwortete Margarete. »Darf ich dein Gebetbuch borgen?«

      »Man muß sich einfach nur selbst kneifen, wenn sie einen schlägt«, sagte Ingegerd, »dann tut es nicht so weh.«

      »Wer ist eigentlich Frau Birgitta?« fragte Margarete.

      »Sie ist meine Großmutter!« erwiderte Ingegerd voller Stolz. »Und Frau Merete ist meine Mutter. An mir hat sie den Umgang mit der Rute zuerst geübt. Traust du dich, oben auf dem Dach vom Wagehals zu tanzen? Einer der Gesellen hat es versucht. Aber er war betrunken, ist runtergefallen und hat sich das Genick gebrochen. Sie haben drei Tage lang gebraucht, um das Blut wegzuwaschen.«

      7.

      Jede Übertretung von Frau Meretes Regeln wurde hart bestraft. Aber Margarete würde niemals Schwäche zeigen. Das hatte sie sich beim ersten Mal geschworen. Frau Merete hatte ihr befohlen, ihre Hände auf den Tisch zu legen, und hatte dann die Rute geholt. Sie war nicht wütend oder genoß etwa das Schlagen. Es war ein Prinzip. Es half leider nur für einen kurzen Augenblick, sich zu kneifen. Der Schmerz, der den Schlägen folgte, drang durch Mark und Bein.

      »Viele Schläge für kleine Sünden, wenige für große Sünden. Denn ein gutes Kind wird die großen Sünden ohnehin bereuen, aber die kleinen, die können noch wachsen«, sagte Frau Merete mit ihrer singenden Stimme. Und dann erzählte sie, daß sie genauso von ihrer Mutter, Frau Birgitta, erzogen worden war.

      Nach einiger Zeit ermüdeten Margarete die Geschichten von dieser Frau Birgitta, die niemals gefehlt hatte. Diese prächtige Frau hatte kein Gesicht für sie, obwohl Frau Merete die Mädchen jeden Tag einige Kapitel aus den Offenbarungen ihrer Mutter laut vorlesen ließ. Margarete fand viele Übereinstimmungen zwischen den beiden: Frau Birgitta war – genauso wie Frau Merete – Burgfräulein gewesen. Sie hatte gewußt, wie man Butter herstellt und die Reife von Getreide bestimmt. Sie erzählte davon, wie die Geburt eines Kindes den Körper der Mutter vor Schmerzen zerriß und wie Sorgen schmeckten.

      Einmal jedoch geschah etwas Unvorhersehbares.

      Margarete las nuschelnd und wie im Halbschlaf den Text vor. Sie wachte erst auf, als sie Frau Merete vor sich stehen sah, leichenblaß und mit schmalen bebenden Lippen. Margarete ließ ihren Blick über die Textstelle und die schönen und so sorgfältig geschriebenen Buchstaben gleiten: Frau Birgitta hatte nicht gewollt, daß ihre jüngste Tochter den Mann heiratete, in den diese sich verliebt hatte. Aber Birgittas Mann, Herr Ulf, mochte diesen Hurensohn gern, setzte sich durch und ließ seine Tochter ihn heiraten. In der Hochzeitsnacht schloß sich Frau Birgitta ein. Und während sie Gott darum bat, sie sterben zu lassen, begann eine noch unentdeckte Leibesfrucht sich in ihrem Körper zu regen und um ihr Leben zu bitten.

      »Das war meine Schwester Cecilia«, sagte Frau Merete mit gepreßter Stimme und nahm Margarete das Pergament aus den Händen. »Das ist eine Geschichte, die für Kinder nicht von Nutzen ist und die sie nicht verstehen«, fügte sie hinzu. Das verwunderte Margarete noch mehr. Normalerweise erklärte Frau Merete sich nie, sie schlug.

      »Und wer war die jüngste Tochter, die ihren Verführer heiratete?« fragte Margarete nichtsahnend.

      Sie schaffte es nicht mehr, die Augen zu schließen, bevor Frau Meretes Hand ihre Wange traf. Sie stöhnte auf und hielt sich beide Hände vors Gesicht, um sich vor einem weiteren Schlag zu schützen.

      Die Tochter war Frau Merete selbst, schoß es ihr durch den Kopf – wie ein Echo der Ohrfeige.

      Die zwei Mädchen kletterten jeden Tag auf das Dach des Wagehals und saßen dort im Windschatten und genossen den Ausblick über Fjord, Stadt und Felsen. Sie konnten die Kirche in Aker sehen, den Stadtrand im Norden und die Klostergärten, in denen die Nonnen arbeiteten, an deren schwarzen Kleidern und Kopftüchern der Wind zerrte. Sie konnten den Reisenden auf den hellen Wegen folgen, die sich durch die Landschaft zogen, und die Schiffe sehen, die sich dem Hafen näherten.

      Als sie zum ersten Mal dort oben waren und Margarete sich in dem steifen Wind das

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