Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo
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6.
„Er kam in sein Eigentum“ d. i. er kam in das Seinige, „und die Seinigen nahmen ihn nicht auf“. Was für eine Hoffnung ist also vorhanden als die, daß er denen, „die ihn aufnahmen, die Macht gab, Kinder Gottes zu werden“. Wenn sie Kinder sind, werden sie geboren; wenn sie geboren werden, wie werden sie dann geboren? Nicht aus dem Fleische, „nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott sind sie geboren“. Sie mögen sich also freuen, daß sie aus Gott geboren sind; sie mögen sich rühmen, daß sie Gott angehören; sie mögen die Versicherung hinnehmen, daß sie aus Gott geboren sind: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Wenn das Wort nicht davor zurückschreckte, von einem Menschen geboren zu werden, sollen dann die Menschen erröten, von Gott geboren zu werden? Weil er aber dies tat, heilte er uns; weil er uns heilte, sehen wir. Denn daß „das Wort Fleisch geworden ist und unter und gewohnt hat“, ist für uns zum Heilmittel geworden, damit wir, die wir durch Erde geblendet wurden, mit Erde geheilt würden67, und geheilt, was sehen sollten? „Und wir haben“, sagt Johannes, „seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit“.
7.
„Johannes gibt Zeugnis von ihm, ruft und spricht: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Der nach mir kommt, ist mir zuvorgekommen.“ Er kam nach mir und ging mir voraus. Was heißt das: „Er ist mir zuvorgekommen“? Er ging mir voran; nicht: er ist geworden, bevor ich geworden bin, sondern er ist mir vorgesetzt worden;* das* heißt: er ist mir zuvorgekommen. Warum ist er dir zuvorgekommen, obwohl er nach dir kam? „Weil er vor mir war.“ Vor dir, o Johannes? Was soll das Großes sein, wenn er vor dir war? Gut, daß du ihm Zeugnis gibst. Hören wir ihn selbst, wie er sagt: „Ehe Abraham war, bin ich“68. Allein auch Abraham ist mitten im Menschengeschlecht geboren, viele waren vor ihm, viele nach ihm. Höre, was der Vater zum Sohne sagt: „Vor dem Morgenstern habe ich dich gezeugt“69. Der vor dem Morgenstern gezeugt ist, erleuchtet selbst alle. Es hieß nämlich einer „Morgenstern“, welcher fiel; denn er war ein Engel und ist ein Teufel geworden; von ihm sagt die Schrift: „Der Morgenstern, der frühe aufging, ist gefallen“70. Warum Morgenstern (lucifer)? Weil er, erleuchtet, hell war. Warum aber ist er dunkel geworden? Weil er in der Wahrheit nicht bestand71. Also jener war vor dem Morgenstern, vor jedem Erleuchteten, da ja vor jedem Erleuchteten der sein muß, von welchem alle erleuchtet werden, die erleuchtet werden können.
8.
Darum folgt: „Und von seiner Fülle haben wir alle empfangen“. Was habt ihr empfangen? „Und zwar Gnade um Gnade.“ So nämlich lauten die Worte des Evangeliums, wenn man sie mit den griechischen Abschriften vergleicht. Er sagt nicht: Und von seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade, sondern er sagt so: „Und von seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade“ d. h. haben wir empfangen, als ob er gewollt hätte, wir sollten es so verstehen, daß wir irgend was von seiner Fülle empfangen hätten und überdies Gnade um Gnade. Wir haben nämlich von seiner Fülle erstens Gnade empfangen und dann wieder Gnade, eine Gnade nach der andern. Welche Gnade haben wir zuerst empfangen? Den Glauben. Im Glauben wandelnd wandeln wir in der Gnade. Denn woher sollen wir das verdient haben? Durch welche vorausgegangene Verdienste auf unserer Seite? Es mag sich einer nur nicht streicheln, sondern in sein Gewissen einkehren, die verborgenen Winkel seiner Gedanken durchsuchen, die Reihe seiner Handlungen betrachten; er schaue nicht hin auf das, was er ist, wenn er bereits etwas ist, sondern was er gewesen ist, um dann etwas zu sein, so wird er finden, daß er nur Strafe verdient habe. Wenn du also der Strafe würdig warst, und es kam jener, nicht um die Sünden zu bestrafen, sondern die Sünden zu vergeben, so ist dir Gnade verliehen, nicht Lohn vergolten worden. Woher hat die Gnade (gratia) ihren Namen? Weil sie umsonst (gratis) verliehen wird. Denn nicht durch vorausgegangene Verdienste hast du erkauft, was du empfangen hast. Diese Gnade also empfing der Sünder zuerst, daß ihm seine Sünden vergeben würden. Was hat er denn verdient? Er befrage die Gerechtigkeit, er findet Strafe; er befrage die Barmherzigkeit, er findet Gnade. Aber das hat Gott auch verheißen durch die Propheten; so nun hat er, da er kam zu geben, was er verheißen hatte, nicht bloß Gnade gegeben, sondern auch Wahrheit. Wie ist Wahrheit verliehen worden? Weil erfüllt wurde, was verheißen wurde.
9.
Was ist also das: „Gnade um Gnade“? Durch den Glauben verdienen wir Gott, und da wir nicht würdig waren, daß uns die Sünden vergeben würden, so heißt es Gnade deshalb, weil wir ein so großes Geschenk unverdienterweise empfangen haben. Was ist Gnade? Was umsonst verliehen wird. Was heißt „umsonst verliehen“? Was geschenkt, nicht vergolten wird. Wenn es geschuldet wurde, ist Lohn vergolten, nicht Gnade geschenkt worden; wenn es aber wahrhaft geschuldet wurde, dann bist du gut gewesen; wenn du aber wie es wahr ist, schlecht gewesen bist, jedoch an den geglaubt hast, der den Ungerechten rechtfertigt72 (was heißt, er rechtfertigt den Ungerechten? er macht den Ungerechten gerecht), so bedenke, was dir durch das Gesetz bevorstehen mußte, und was du durch die Gnade erlangt hast. Im Besitze der Gnade des Glaubens aber wirst du gerecht sein aus dem Glauben, denn „der Gerechte lebt aus dem Glauben“73, und wirst durch ein Leben nach dem Glauben Gott verdienen. Wenn du aber durch ein Leben nach dem Glauben Gott verdient hast, wirst du als Lohn die Unsterblichkeit und das ewige Leben empfangen. Auch das ist Gnade. Denn für welches Verdienst empfängst du das ewige Leben? Für die Gnade. Denn wenn der Glaube Gnade ist, und das ewige Leben gleichsam der Lohn des Glaubens ist, so scheint zwar Gott das ewige Leben als etwas Schuldiges zu erstatten (wem schuldig? dem Gläubigen, weil er es durch den Glauben verdient hat), allein weil der Glaube selbst Gnade ist, so ist auch das ewige Leben Gnade um Gnade.
10.
Höre den Apostel Paulus, wo er die Gnade bekennt und hernach den Lohn begehrt. Welches ist das Bekenntnis der Gnade bei Paulus? „Früher war ich ein Lästerer, Verfolger und Schmäher; aber ich habe“, sagt er, „Barmherzigkeit erlangt“74. Unwürdig nennt er sich, die Gnade zu erlangen, dennoch habe er sie erlangt, nicht durch seine Verdienste, sondern durch die Barmherzigkeit Gottes. Höre ihn, wo er bereits den Lohn fordert, obwohl er zuerst die Gnade unverdient empfangen hatte: „Denn ich“, sagt er, „ werde bereits geopfert, und die Zeit meiner Auflösung steht bevor. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt; im übrigen ist mir die Krone der