Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo
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3.
Was aber der Herr geantwortet hat, das wollen wir vor allem andern mit Aufmerksamkeit hören, damit nicht auch wir selbst als Knechte erfunden werden. „Der Herr antwortete ihnen“ nämlich: „Amen, Amen, ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“. Er ist ein Knecht, wenn nur wenigstens Knecht eines Menschen, nicht der Sünde! Wer erzittert nicht bei diesen Worten? Möge der Herr unser Gott uns verleihen, d. h. mir und euch, daß ich zutreffend von der Erstrebung dieser Freiheit und der Vermeidung dieser Knechtschaft rede. „Amen, Amen, ich sage euch“, sagt die Wahrheit, und was für ein Spruch des Herrn unseres Gottes ist dies: „Amen, Amen, ich sage euch“? Er betont gar sehr, was er so verkündet; es ist gewissermaßen, wenn man so sagen darf, ein Schwur von ihm: „Amen, Amen, ich sage euch“. „Amen“ heißt nämlich in der Übersetzung: „Wahrlich“, und doch hat man es nicht übersetzt, obwohl man hätte sagen können: Wahrlich, ich sage euch. Weder der griechische Übersetzer wagte dies zu tun noch auch der lateinische; denn dieses Wort „Amen“ ist weder griechisch noch lateinisch, sondern hebräisch. So blieb es stehen, es wurde nicht übersetzt, damit es durch den Schleier des Geheimnisses um so ehrwürdiger wäre, nicht damit es unverstanden bliebe, sondern damit es nicht durch die Enthüllung an Wert verlöre. Und nicht einmal bloß, sondern zweimal ist es vom Herrn ausgesprochen worden: „Amen, Amen, ich sage euch“. Schon aus dieser Verdoppelung erkennet die Bedeutung.
4.
Was ist also betont worden? „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, sagt die Wahrheit, die sicherlich, auch wenn sie nicht sagen würde: „Wahrlich, ich sage euch“, durchaus nicht lügen könnte. Dennoch betont sie es, schärft sie es ein; sie weckt die Schlafenden gewissermaßen auf, macht sie gespannt, sie will nicht verschmäht werden. Mit welchen Worten tut sie das? „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde.“ O bedauernswerte Knechtschaft! Häufig bieten sich Leute, wenn sie schlimme Herrn haben, um Geld an, sie gehen nicht darauf aus, überhaupt keinen Herrn zu haben, sondern ihn wenigstens zu wechseln. Was will der Knecht der Sünde tun? Wen will er angehen? Bei wem will er eine Bitte einlegen? Bei wem will er sich zum Kaufe anbieten? Ferner, der Knecht eines Menschen kommt bisweilen, der harten Befehle seines Herrn müde, durch die Flucht zur Ruhe; wohin soll der Knecht der Sünde fliehen? Er schleppt sich mit sich selbst, wohin er auch flieht. Das böse Gewissen kann nicht vor sich selbst fliehen, es ist kein Ort, wohin es gehen soll, es folgt sich oder vielmehr es wird seiner nicht los; denn die Sünde, die der Mensch tut, ist im Innern. Er hat z. B. eine Sünde getan, um eine körperliche Lust zu haben; die Lust vergeht, die Sünde bleibt; es verging, was Lust brachte, es blieb, was sticht. Schlimme Knechtschaft! Bisweilen fliehen die Leute zur Kirche, und häufig werden sie uns lästig als solche, die keine Zucht haben, indem sie, die da von der Sünde nicht frei sein wollen, von einem Herrn frei sein wollen. Bisweilen fliehen aber auch solche, die unter einem unerlaubten und drückenden Joche seufzen, zur Kirche, weil sie als Freigeborene zur Knechtschaft angehalten werden, und es wird der Bischof um Intervention angegangen; wenn er dann keine Mühe aufwendet, damit der freie Stand nicht unterdrückt werde, gilt er als herzlos. Fliehen wir alle zu Christus, rufen wir gegen die Sünde Gott um Hilfe an, bieten wir uns zum Kaufe an, damit wir durch sein Blut erlöst werden. Es sagt ja der Herr: „Umsonst seid ihr verkauft worden, und ohne Silber werdet ihr losgelöst werden“1148. Ohne Lösepreis, aber ohne den eurigen, weil durch den meinigen. Dies sagt der Herr; er hat ja den Lösepreis gegeben, nicht Silber, sondern sein Blut. Denn wir waren ebensosehr Knechte wie zahlungsunfähig.
5.
Von dieser Knechtschaft befreit also nur der Herr; der sie nicht hatte, befreit davon; kam er ja allein in diesem Fleische ohne Sünde. Denn die Kleinen, die ihr auf den Händen der Mütter tragen seht, können noch nicht gehen und sind doch schon gefesselt; sie haben sich nämlich von Adam her das zugezogen, was von Christus gelöst werden muß. Auch auf sie bezieht sich, wenn sie getauft werden, jene Gnade, welche der Herr verheißt, weil von der Sünde nur der befreien kann, der ohne Sünde kam und zum Opfer für die Sünde wurde. Ihr habt ja gehört, da der Apostel gelesen wurde: „Wir sind“, sagt er, „Gesandte für Christus, indem gleichsam Gott durch uns ermahnt; wir beschwören an Christi Statt1149, d. h. als ob euch Christus beschwören würde. Zu welchem Zwecke? „Versöhnet euch mit Gott.“ Wenn der Apostel ermahnt und beschwört, daß wir uns mit Gott versöhnen, dann waren wir Feinde. Zu Feinden aber hat uns nicht die Natur gemacht, sondern die Sünde. Wodurch wir seine Feinde geworden sind, dadurch sind wir auch Knechte der Sünde geworden. Gott hat keine Freien zu Feinden; sie müssen Knechte sein, und Knechte werden sie bleiben, wenn sie nicht von dem befreit werden, dessen Feinde sie durch Sündigen sein wollten. „Wir beschwören“ also, sagt er, „an Christi Statt, versöhnet euch mit Gott.“ Wie aber sollen wir versöhnt werden, wenn das trennende Hindernis zwischen uns und ihm nicht beseitigt wird? Er sagt ja durch den Propheten: „Er hat das Ohr nicht beschwert, daß es nicht höre, sondern eure Sünden trennen zwischen euch und Gott“1150. Wir werden also nicht versöhnt außer durch Entfernung dessen, was in der Mitte liegt, und durch Setzung dessen, was in die Mitte gehört. Denn es gibt ein trennendes Hindernis dazwischen, aber dagegen gibt es auch einen versöhnenden Mittler; das trennende Hindernis dazwischen ist die Sünde, der versöhnende Mittler ist der Herr Jesus Christus: „Denn* ein* Gott ist, und* ein* Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus“1151. Damit also die trennende Scheidewand d. i. die Sünde entfernt werde, kam jener Mittler und es wurde zum Opfer der Priester selbst. Und weil er zum Opfer geworden ist für die Sünde, indem er sich selbst zum Brandopfer darbrachte am Kreuze seines Leidens, fährt der Apostel weiter und sagt nach den Worten: „Wir beschwören an Christi Statt, versöhnet euch mit Gott“, als würden wir fragen: Wie werden wir mit Gott versöhnt werden können? „Ihn“, sagt er, d. i. Christus selbst, „der die Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir seien Gerechtigkeit Gottes in ihm“1152. „Ihn“ selbst, sagt er, Christus den Gott, „der die Sünde nicht kannte.“ Er kam nämlich im Fleische d. h. in der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde1153, jedoch nicht im Fleische der Sünde ― er war ohne irgendeine Sünde ―, und darum wurde er ein wahres Opfer für die Sünde, weil er selbst keine Sünde hatte.
6.
Aber vielleicht habe ich nur nach meiner Auffassung gesagt, „Sünde“ bedeute das Opfer für die Sünde. Die es gelesen haben, sollen es anerkennen; die es nicht gelesen haben sollen nicht träge sein; sie sollen, sage ich, nicht träge sein zum Lesen, damit die wahrhaft seien zum Richten. Als nämlich Gott Vorschriften gab betreffs der Darbringung von Sündopfern, in welchen übrigens keine Versöhnung der Sünden war, sondern nur ein Schatten des Zukünftigen, da nennt