Jakob der Letzte. Peter Rosegger
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„Schenken?“ lachte der Rodel, „Narr, wenn der schenken tät’, wär’ er kein Millionär geworden.“
„Einen Hunderter kunnt er mir schon schenken“, meinte der Klachel, „ein Hunderter ist bei so einem gerade soviel, wie bei unsereinem ein Groschen, wenn man ihn dem Bettelmann schenkt. Vergelt’s Gott sag’ ich gern dafür. Und wirft er mich hinaus, so macht’s nichts, denk’ mir halt: bin eher auch draußen gewesen.“
„Klachel, du bist ein Wichtling!“ rief jetzt der Jakob, „wär’ doch eine Schand’, wenn sich ein Altenmooser Bauer von so einem fremden Herlaufer bei der Tür hinauswerfen lassen tät’! Was geht uns der Kampelherr an!“
„Man wird doch reden dürfen“, brummte der Klachel.
„Wenn du glaubst, mein lieber Klachel“, sagte der Rodel, „der Kampelherr selber sitzt draußen beim Fleischhacker, so bist wieder auf dem Holzweg. Der Kampelherr weiß sich was Besseres, als in einem Dorfwirtshaus tagelang zu warten auf die Gimpel, die ihm zufliegen sollen. Der da draußen, das ist nur sein Unterhändler, mußt du wissen.“
„Unterhändler oder Kampelherr!“ rief der Klachel und schlug mit den Armen um sich, als wollte er in der Luft anfangen zu schwimmen, „ist mir alles eins, wenn er nur Geld hat.“
Unter solchen Gesprächen waren sie hinausgekommen durch den Steppenwald; dieser gehörte nicht mehr zu Altenmoos, sondern der Herrschaft Rabenberg, was man schon den schönen schlanken buschigen Bäumen ansah, die keinem Bauern wirtschaften helfen mußten. Als unsere Kirchgänger zur Hirschenklamm kamen, wo an beiden Seiten die Wände aufsteigen, mußten sie still sein. Hier führte die Sandach das große Wort. Sie war da schon ein stattlicher Fluß, sie rauschte in ihrem wilden Bette, und das Rauschen hallte in den Wänden so sehr, daß keiner sein eigenes Wort verstand. Der Jakob war des schier froh, ihm hatte das Gespräch schon lange nicht gefallen.
Weiter hin begegnete ihnen der Rabenberger Waldförster mit der Büchse. Der Klachel rückte vor ihm den Hut, der Waldmann dankte herrisch und schritt vorüber.
„Das ist mir auch einer!“ sagte der Sepp in der Grub, „an so einem Tag, wenn der Christenmensch in die Kirche geht, steigt er im wilden Wald um. Jetzt möcht’ ich erst fragen, was der Wald, wenn er wachsen soll, notwendiger braucht, den Förster mit der Büchsen, oder den Segen Gottes!“
„Das ist derselbige“, wußte der Rodel zu erzählen, „der vor kurzem im Steppenhaus gesagt haben soll, die Bauern müßt’ man totschlagen. Wo ein Bauer wär’, kunnt’ sein Lebtag kein Wald wachsen.“
„Ich bin auch für den Wald“, sprach der Jakob, „und weiß recht gut, daß der Wald für den Menschen da ist, und nicht umgekehrt. Ich zügele den Wald, daß ich ihn schlagen kann. Mein Vater hat’s auch so gemacht. Unter siebzig Jahren stocke ich keinen Baum. Meine Vorfahren haben zwei- und dreihundertjährige stehen gehabt. Der Reuthof wird’s beweisen, daß Bauer und Baum recht gut nebeneinander stehen können.“
„So ist’s!“ stimmten die anderen bei.
Endlich lichteten sich die Berge, es kam der erste Holzrechen der Sandach. Hinter einer grünen Höhe, die sich als Ausböschung des Berges ins Tal hineinbog, reckte ein ziegelroter Riesenzwiebel seine Spitze in die Luft. Das war der Kirchturm zu Sandeben. Das Dorf steht auf einer sachten Anhöhe, denn der Talgrund ist ein graues Sandmeer, über das sich die Sandach in zahlreichen Bächlein ergießt. Über den Sand hin sind Holzrechen gezogen, um das aus den Steppenwäldern hervorgeschwemmte Holz aufzufangen. Am jenseitigen Gelände stehen rauchende Kohlenstätten, die ihr Rauchen und Rußen freilich auch an diesem Fronleichnamstage nicht unterbrechen konnten. Vom Kirchturme der Pfarre zum heiligen Michael klangen jetzt drei Glocken so hell und lustig, daß der Klachel den Spaß sagte: „Schau, schau, der heilige Michel jodelt uns schon entgegen.“
Die Dorfgasse war zu beiden Seiten mit frischen Birkenreisern geschmückt, das Kirchhofstor mit einem Tannenkranz geziert. Die Treppe hinan war schwarz von Menschen, darüber wehten rote Fahnen, und auf schwankenden Stangen ragten brennende Laternen. Vom Steinbühel her knallten Pöller. Unsere Altenmooser schlossen sich der betenden Gemeinde an. Am Fronleichnamstage bittet der Bauer den lieben Gott um ein fruchtbares Jahr und um Abwendung schwerer Gewitter. Was dem Vater das Kind, das ist dem Bauer das grünende Kornfeld – eine zitternde Freude.
Nach dem Gottesdienste kam der Stindel im Stein zum Jakob, der eben auf dem Kirchhof am Grabe seiner Vorfahren eine stille Andacht verrichtet hatte, und fragte ihn, ob er nicht mitgehen wolle zum Fleischhackerwirt, dort wären heute alle Altenmooser beisammen.
„Sollen sich nichts abgehen lassen“, antwortete der Jakob kurz. Er dachte sich’s nun, warum ihrer heute so viele aus Altenmoos nach Sandeben gekommen waren. Nicht die Kirchenfahnen hatten so sehr gewinkt, als vielmehr die Tausender des Knatschel, die gestern vorausgegangen. Ein Kirchgang nach dem Gelde.
Der Jakob sollte aber an diesem Tage auch einen anderen Ärger zu verwinden haben. Trat der Knatschel aus seinem weißgetünchten Holzhäusl, das er eben erst bezogen, ging auf den Reuthofer zu und sagte, das wäre schön vom Jakob, daß er auch einmal hervorkrieche aus dem ödweiligen Graben. Er, der Knatschel, könne heute zwar noch keine Einladung machen, es sei alles drunter und drüber und das Gesuch zum Weinausschänken fange erst an, beim Amt zu liegen. Aber einen guten Bekannten, wenn er sehen wolle, der Jakob! Er solle ein wenig mitkommen!
„Ein guter Bekannter?“ fragte der Jakob, „mag ja sein. Soll sich zeigen, wenn er was will von mir.“
„Wird nichts wollen von dir, denke ich“, sprach der Knatschel. „Wir haben ihn einsperren müssen, sonst wäre er gleich, wie er dich vom Fenster aus gesehen hat, davongelaufen. Und einholen wirst du den nicht; du hast zwar längere Füße, aber er jüngere.“
„Solltest von meinem Buben reden?“ fragte der Jakob, „ist er bei dir?“
„Mußt ihm’s nicht verübeln. Ist ihm halt auch langweilig geworden drin bei den Waldbären. Ist mir gestern nachgelaufen und hat sich hinten auf den Wagen gesetzt. Er geht nimmer heim, sagt er.“
„Alsdann werden wir ihn heimtragen“, sprach der Jakob.
„Da wirst du ihm wohl früher die Knochen zerschlagen müssen.“
„Schlagen werden wir nicht. Er soll herauskommen.“
Nicht lange hernach, und aus der Haustür des Knatschel schoß der Jackerl. Als er den Vater sah, stutzte er und duckte sich an die Wand. Die langen Haare hingen ihm wüst über das Gesicht, den Blick ließ er ein paarmal wild auf den Vater springen, die Fäuste hatte er geballt – so stand er da und stemmte den Kopf seitlings an die Wand.
Der Vater trat zum Knaben und sagte freundlich: „Jackerl, wir gehen jetzt heim.“
Der Junge rührte sich nicht.
Der Jakob wollte ihn am Arm nehmen, den riß er aus und kreischte: „Ich mag nicht!“
„Sei nicht störrisch, Kind!“
„Ich mag nicht heimgehen!“
„So sage mir, warum du nicht heimgehen willst!“
„Weil Ihr mich einsperren werdet!“ stieß der Knabe hervor und begann zu gröhlen.
„Aber du zwingst mich ja, dich zu strafen“, sagte der Vater. „Und ich tu’s, so oft es sein muß – drauf kannst dich verlassen.“