Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
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Die Erinnerung ist ein besonderer Rechtsbehelf gegen eine fehlerhafte Klauselerteilung und geht dem § 573 ZPO (Beschwerde gegen die Erteilung bzw. Nichterteilung der einfachen Klausel durch den Urkundsbeamten) und den § 11 RPflG, § 567 ZPO (Beschwerde gegen die Erteilung bzw. Nichterteilung der qualifizierten Klausel durch den Rechtspfleger) vor[20].
Antrag und Urteilsformel lauten: „Die vom (Gericht) am (Datum) gegen den Erinnerungsführer erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum (näher bezeichneten) Titel und die Zwangsvollstreckung aus ihr sind unzulässig.“
§ 4 Klauselrechtsbehelfe › IV. Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) › 2. Zulässigkeit
a) Zuständigkeit
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Ausschließlich zuständig zur Entscheidung über die Erinnerung ist das Prozessgericht, von dessen Geschäftsstelle oder Rechtspfleger die Klausel erteilt worden ist (§§ 802, 732 I ZPO). Wurde die Klausel durch einen Notar erteilt, ist nach § 797 III ZPO das Amtsgericht berufen, in dessen Bezirk der Notar seinen allgemeinen Sitz hat.
Hinweis:
Die Erinnerung ist an keine Frist gebunden. Sie kann schriftlich eingelegt oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Ein Anwaltszwang besteht wegen § 78 III ZPO nicht.
b) Statthaftigkeit
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Die Erinnerung ist statthaft, wenn die Erteilung einer einfachen oder qualifizierten Klausel gerügt wird. Dabei ist die Statthaftigkeit völlig unstreitig, wenn bei der Erteilung ein formeller Fehler vorliegt. Denn es ist der eigentliche Gegenstand dieses Rechtsbehelfs, Verstöße des Urkundsbeamten, Rechtspflegers oder Notars gegen die für ihn geltenden Verfahrensnormen „zu erinnern“.
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Schwierig und streitig ist dagegen, inwieweit mit der Klauselerinnerung auch materiell-rechtliche Gründe, die gegen die Klauselerteilung sprechen, geltend gemacht werden dürfen. Hier ergeben sich Begrenzungen daraus, dass die Erinnerung wie eine Fortsetzung des Klauselerteilungsverfahrens vor Gericht zu verstehen ist. Anders ausgedrückt können im Erinnerungsverfahren nur solche Dinge vorgebracht werden, die auch der Urkundsbeamte, Rechtspfleger oder Notar bei der Erteilung der Klausel beachten müssen hätte. Da der Streit recht komplex ist, seien noch etwas genauere Ausführungen dazu gemacht.
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aa) Wenn auch § 768 ZPO statthaft ist, also wenn der Schuldner sich darauf beruft, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer qualifizierten Klausel fehlten, dann besteht eigentlich kein Bedürfnis für eine Klauselerinnerung. Jedoch findet sich im letzten Halbsatz des § 768 ZPO der ausdrückliche Hinweis, dass § 732 ZPO nicht ausgeschlossen sei. Teils wird daraus geschlossen, es müsse eine parallele Anwendbarkeit der Normen geben. Der Schuldner soll zwischen beiden Rechtsbehelfen wählen können[21]. Die herrschende Gegenauffassung meint, die gleichzeitige Anwendbarkeit beider Normen sei nur gegeben, soweit der Schuldner sich auf einen materiellen Fehler (das Fehlen der Voraussetzung für die Erteilung der qualifizierten Klausel) und zugleich auf einen Verfahrensfehler (etwa unzureichende Prüfung oder fehlerhafte Deutung der vorgelegten Urkunden durch den Rechtspfleger) berufe[22].
Hinweis:
Soweit beide Rechtsbehelfe parallel greifen, gilt: Wenn der Schuldner zuerst Erinnerung einlegt, darf er danach nach herrschender Ansicht noch klagen – auch wenn die Erinnerung abgewiesen worden ist. Wenn der Schuldner allerdings geklagt hat, darf er danach nicht noch Erinnerung einlegen[23].
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bb) Nun kann es aber auch sein, dass der Schuldner eine Einwendung hat, die dem materiellen Bereich zuzuordnen ist, für die aber § 768 ZPO nicht statthaft ist. Der Schuldner wendet also nicht ein, dass eine Voraussetzung für die Erteilung einer qualifizierten Klausel nach den §§ 726 ff ZPO fehlt, sondern er möchte sich beispielsweise darauf berufen, dass schon der Titel nichtig sei. Das kann besonders bei der notariellen Unterwerfungserklärung vorkommen. Vielleicht möchte der Schuldner vorbringen, dass diese nach den §§ 307 ff BGB unwirksam sei. Hier ist problematisch, dass es im Gesetz keinen einzigen Rechtsbehelf gibt, der für diese Fälle wirklich passt. Es liegt insofern nahe, doch auf § 732 ZPO zurückzugreifen, obwohl eine materiell-rechtliche Frage betroffen ist.
Früher wurde daher tatsächlich häufiger vertreten, dass § 732 ZPO insbesondere dann anwendbar sein sollte, wenn das Gesetz keinen anderen Rechtsbehelf vorsehe[24]. Die inzwischen ganz herrschende Auffassung lehnt dies aber ab. Danach passt § 732 ZPO für solche materiellen Einwendungen nicht, da die Erinnerung (auch wenn der Richter entscheidet) eben immer nur auf eine formelle Kontrolle ausgerichtet ist[25].
BGH NJW 2009, 1887:
„… im Verfahren nach § 732 ZPO kann der Schuldner in begründeter Weise grundsätzlich nur Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben. Die Einwendung, die Unterwerfungserklärung sei nach § 307 I 1 BGB unwirksam, ist keine derartige Einwendung.“
Die Rechtsschutzlücke, die das Gesetz in Hinblick auf solche schon im Bereich des Titels angesiedelten Fehler aufweist, wurde inzwischen auf andere Art geschlossen. Heute ist nämlich allgemein anerkannt, dass der Schuldner sich bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Titel mit einer Klage analog § 767 ZPO zur Wehr setzen kann (sog. Titelgegenklage, Rn. 258 ff).
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Beispiel 13 (Abgrenzung von materiellen und formellen Fehlern):
Schuldner S hat durch notariellen Vertrag eine Immobilie gekauft. In dem notariellen Vertrag hat sich S der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. S bezahlt nicht. Gläubiger G hat von Notar N eine Klausel erhalten und beantragt die Zwangsvollstreckung gegen S. S will sich gegen die Erteilung der Klausel wehren.
a) | S hat den Vertrag nie unterschrieben. |
b) | S hat den Vertrag nicht unterschrieben, aber seine Unterschrift wurde gut gefälscht. |
c) |
Laut Vertrag darf die Vollstreckung nur erfolgen, wenn der Gläubiger (G) die Fälligkeit nachgewiesen hat. G erhält
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