Der Nerd und sein Prinz. B.G. Thomas
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Aber Gott, Amerika war groß. Das hatte er natürlich gewusst, auf rein intellektueller Ebene. Aber die Realität war beinahe zu überwältigend, um sie zu erfassen. Sein ganzes Land war kleiner als der kleinste Bundesstaat, nicht mal doppelt so groß wie Washington, DC, was gar kein Staat war. Ein Distrikt. Distrikt bedeutete da, wo er aufgewachsen war, auch etwas anderes.
Die Fahrt vom Flughafen nach Buckman hatte ihn überrascht, obwohl sein Bruder ihm einen detaillierten Plan angefertigt hatte. Er brauchte zwei Stunden auf einer Straße, die einsam in der Dunkelheit dalag. Das Einzige, was er im Mondlicht wirklich erkennen konnte, waren Felder, Äcker und endlose Langeweile.
Es war die Art von Straße, von der man sich erzählte, es gäbe dort Entführungen von Außerirdischen…
Zweihundert Kilometer. Das war länger als sein ganzes Land an der längsten Stelle, fast viermal so lang!
Und sein Land war wunderschön. Die Meilen, die er durchfuhr, glichen einem öden, flachen Nichts!
Wie zum Hohn hatte sein Bruder einen Wagen für ihn ausgesucht, der sich Toyota Camry nannte. Es war das unscheinbarste Auto, das er in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Wie sollte er das von irgendeinem anderen unterscheiden?
Einen weiteren Kulturschock stellte die Fahrt in die Stadt dar. Erstens war die Hauptstraße breiter als der kleine Highway, auf dem er all diese Kilometer zurückgelegt hatte. Wozu brauchte so eine alte Stadt eine so breite Straße? Man könnte einen Sattelschlepper quer auf der Hauptstraße parken und hätte immer noch genug Platz, um außen herumzufahren. Zumindest hatte er sein neues Zuhause schnell gefunden, auch wenn er es sich im Dunkeln nicht genauer ansehen konnte. Er ließ sich selbst rein – der Schlüssel unter der Matte war schnell gefunden, offenbar eine amerikanische Gepflogenheit – und konnte nicht umhin, sich zu fragen, warum überhaupt jemand seine Tür abschloss, wenn jeder wusste, wo der Schlüssel zu finden war. Das würde er anders machen.
Der Strom funktionierte glücklicherweise und die Matratzen, wenngleich kein richtiges Bett, waren geliefert worden, was nicht möglich gewesen wäre, wenn der Schlüssel sich nicht am gewohnten Ort befunden hätte. Fließendes Wasser gab es ebenfalls. Alles in bester Ordnung. Aber der Boden…!
Am nächsten Morgen stellte er fest, dass ihm die Farbe des Hauses so gar nicht zusagte. Er war sich nicht einmal sicher, wie er sie nennen sollte. Lohfarben? Pfirsichfarben? Gelbliches Grau? Das Braun von verblassten Blutflecken? Che schifo! Das musste neu gestrichen werden. Und zwar bald!
Blau! Blau klang gut. Ein wunderschönes Königsblau vielleicht. Oder ein tiefes Himmelblau. Vielleicht Türkis. Etwas, das ihm Komplimente einbringen würde und…
»Du musst dich unter die Leute mischen, Amadeo«, sagte Cristiano. »Nicht herausstechen. Du bist es gewohnt aufzufallen, Bruderherz. Wenn du dich vor der Welt verstecken willst, dann richtig. Die Farbe ist vielleicht nicht hübsch, aber die Leute werden einfach daran vorbeifahren und sich keine weiteren Gedanken machen.«
Cristiano hatte natürlich recht.
Also würde das Haus vorerst schifo bleiben – scheußlich.
Aber dann gab’s da noch den Boden im Wohnzimmer. Der hing durch. Und zwar deutlich. Als wäre er morsch oder so. Ein großer dunkler Fleck an der Decke darüber legte nahe, dass das Dach undicht war. Wie in aller Welt sollte er das reparieren lassen? Ohne seinen Bruder zu fragen, was er dafür tun musste? Hatte Cristiano nicht schon genug getan? Vielleicht sogar genug, um ein Verräter genannt zu werden?
Amadeo wusste, dass er selbst nachdenken musste. Er war nicht dumm, hatte Erstaunliches erreicht.
Er wollte nur das nicht, was sein Vater sich am meisten von ihm wünschte.
Boden. Wohnzimmerboden. Darauf musste er sich konzentrieren. Darauf, wie man ihn reparieren konnte.
Also ging Amadeo ins Internet. Auf Facebook, um genauer zu sein. Dort fand er eine Tausch- und Verkaufsgruppe für Buckman und trat ihr bei. Vielleicht sollte er eine Anzeige posten? Oder sich Tipps holen, wie er jemanden für Reparaturen an dem kleinen Haus finden konnte…
So ein kleines Haus.
Gott, er wünschte, er könnte seinen Bruder anrufen. Aber in Monterosia war es sieben Stunden später und keine gute Zeit für einen Anruf. Ihre Telefonate mussten im Geheimen stattfinden.
Die Veranda hinter dem Haus gefiel ihm. Wenn man sie so bezeichnen konnte. Sie wurde durch ein Dach vor der Witterung und der Sonne geschützt, was gut war, und war von einem kleinen Lattenzaun umgeben. Ein paar größere Pflanzen würden dabei helfen, ihn zu verbergen. Denn verborgen bleiben lautete die Devise.
Amadeo hatte geglaubt, es wäre einfach, sich an diesem kleinen Ort mitten im Nirgendwo zu verstecken. Er hatte die Zudringlichkeit der Presse unterschätzt, war regelrecht von ihr überrascht worden. Vielleicht hätte er damit rechnen sollen. Doch das hatte er nicht!
Am Abend zuvor war er zum Einkaufen in einen Walmart gegangen. Abgesehen von einem Laib Brot hier, ein paar Blumen da und frischen Roma-Tomaten woanders war er nie wirklich einkaufen gegangen. Den Leuten gefiel das.
Dieser Laden war allerdings gigantisch gewesen. In Monterosia gab es nichts Vergleichbares. Wundersam und entsetzlich gleichermaßen. Und irgendwie auch aufregend. Einkaufen.
Wie erstaunlich es doch war, sich statt eines Korbes einen Einkaufswagen zu nehmen – so einen hatte er noch nie benutzt – und die Gänge auf und ab zu schlendern, während man die Fülle der angebotenen Waren studierte. Von Tennisschuhen über Handtücher, Alkohol, Haustierbedarf (sollte er sich einen Hund zulegen? Oder eine Katze?), Wandfarbe, Sonnenbrillen, Waffen (stell sich einer vor – es war so einfach, eine Waffe zu kaufen!), Lebensmittel bis hin zu Bekleidung jeglicher Art.
Er hatte ein paar Dinge gesucht: einen Ventilator, einen Leuchter, Utensilien fürs Bad. Er hatte gerade die Elektronikabteilung durchquert, in der mehrere große Flachbildfernseher gleichzeitig liefen. Im Haus gab es auch so einen, aber er überlegte, ob er sich einen DVD-Player und ein paar Filme holen sollte. Vielleicht auch eine Serie namens Longmire.
Dann – plötzlich – wurde auf allen Bildschirmen ein Bericht über ihn gezeigt. Ein Foto von ihm im Garten nahm das gesamte Bild ein. Er lächelte, lachte sogar, hatte das braune Haar zurückgekämmt, doch ein Teil davon fiel ihm trotzdem in die Stirn. Seine blauen Augen glitzerten. Man sagte ihnen nach, dass diese Augen das Herz jeder Frau schneller schlagen lassen konnten. Doch das wollte er gar nicht.
Auf dem Foto trug er ein weißes Hemd und eine schmal geschnittene Anzugjacke. Lässig, aber trotzdem elegante. Auf dem Bildschirm war sein Foto lebensgroß. Es war, wie in einen Spiegel zu blicken.
Amadeo flüchtete aus dem Laden und ließ alles im Einkaufswagen zurück.
Hatte ihn jemand gesehen?
Was noch schlimmer war: Auf dem Parkplatz geriet er beinahe in Panik – er konnte sein Auto nicht finden. Abgesehen von den vielen Pick-ups sahen alle Autos gleich aus. Dann erinnerte er sich daran, dass er einen Knopf auf dem Schlüssel drücken konnte, der die Hupe auslöste, damit er den Wagen finden konnte. Welch eine Erleichterung.
Stunden später, als kein Team von Today’s Entertainment