Evangelisch für Dummies. Marco Kranjc
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Da erbarmte sich Gott meiner. Tag und Nacht war ich in tiefe Gedanken versunken, bis ich endlich den Zusammenhang der Worte beachtete: »Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm (im Evangelium) offenbart, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus dem Glauben.« Da fing ich an, die Gerechtigkeit Gottes als eine solche zu verstehen, durch die der Gerechte als durch Gottes Gabe lebt, nämlich aus dem Glauben. Ich fing an zu begreifen, dass dies der Sinn sei: durch das Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart … durch welche uns der barmherzige Gott durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: »Der Gerechte lebt aus dem Glauben.« Da fühlte ich mich wie ganz und gar neu geboren, und durch offene Tore trat ich in das Paradies selbst ein. Da zeigte mir die ganze Schrift ein völlig anderes Gesicht.
Mit so großem Haß, wie ich zuvor das Wort »Gerechtigkeit Gottes« gehasst hatte, mit so großer Liebe hielt ich jetzt dies Wort als das allerliebste hoch. So ist mir diese Stelle des Paulus in der Tat die Pforte des Paradieses gewesen.
(aus: Martin Luther: Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, Band 2, herausgegeben von Kurt Aland. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 1983)
Luther verstand nun, dass »Sünde« nicht einfach nur schlechte Taten wie Diebstahl, Lüge oder Habgier bedeutete. »Sünde« bedeutet, dass der Mensch sich im Grunde seines Wesens ganz von Gott abgewandt hat. Die Beziehung zu Gott ist grundlegend gestört. Und diese Beziehung kann kein Mensch von sich aus wieder heilen (in Luthers Worten »vor Gott gerecht werden«). Das kann nur Gott schenken. Luther wurde klar, wann »genug« ist: Es ist immer genug, wenn der Mensch nur glaubt. Wenn der Mensch nur an die Erlösung durch das Opfer Jesu glaubt, ist er »gerechtfertigt«. Und das nennt Luther dann »allein aus Gnade«.
Dass Gottes Gnade ein Geschenk ist, bedeutet natürlich nicht, dass ein Christ nicht Gutes tun soll. Aber »gute Werke« sind die Folge der Liebe zu Gott. Aus Dankbarkeit für die Errettung und die Liebe Gottes möchte der Gläubige so leben, wie es Gott gefällt (also zum Beispiel die Gebote halten). Für die Erlösung des Menschen bewirken die guten Werke allerdings rein gar nichts.
Luther erzählte in seinem Lebensrückblick die ganze Geschichte zwar wie ein plötzliches Ereignis, aber aus seinen Schriften wird auch deutlich, dass sich sein Denken eher schrittweise zu diesem »allein aus Glauben« und »allein aus Gnade« entwickelte. Wirklich klar und zur festen Überzeugung wurde ihm seine Sicht von Glaube und Gnade wohl erst in den Monaten nach dem Anschlag der 95 Thesen in Wittenberg. Als er an die Öffentlichkeit trat, wollte er eigentlich nur auf den Missbrauch von Ablass und Buße hinweisen. Wahrscheinlich dachte er über den Ablassmissbrauch sogar noch: »Wenn das der Papst wüsste!«
Schon im September 1517 veröffentlichte Luther 97 Thesen (also Aussagen oder Behauptungen), die als Grundlage für eine Diskussion dienen. Sie können angefochten und auch verteidigt werden. Am Ende der 97. These schrieb Luther:
»Damit wollen wir nichts sagen und glauben auch nichts gesagt zu haben, was der katholischen Kirche und den Kirchenämtern nicht entspräche.«
Den Moment, in dem sich Luthers Glauben und Denken vollständig änderte, nennt man auch seinen »reformatorischen Durchbruch«, der Moment, den er im Zitat beschrieb, wird auch sein »Turmerlebnis« genannt.
Luther wollte also keinen wirklichen Streit und keine neue Kirche gründen. Denn er liebte die Kirche heiß und innig. Er wollte nur »Reformation« im einfachen Sinne des Wortes: »Wiederherstellung, Erneuerung« bedeutet das lateinische Wort eigentlich. Nur: Niemand beachtete dieses erste Diskussionspapier. Mit seiner nächsten Aktion aber erregte Luther eine Aufmerksamkeit, mit der er niemals gerechnet hatte.
Martin Luther hämmert an eine Kirchentür: Die 95 Thesen
Am 31. Oktober schickte Luther eine Schrift mit 95 (auf Latein verfassten) Thesen und einen Begleitbrief an den Erzbischof Albrecht von Mainz. Freundlich und fast unterwürfig machte Luther auf das Problem mit dem Ablassverkauf aufmerksam und bat ihn, »doch ein Auge väterlicher Sorge auf diese Sache haben zu wollen und die Ablassinstruktion ganz aufzuheben«.
Dummerweise war Albrecht von Mainz einer der Architekten des neuen Ablasssystems. »Lasset uns das Papsttum genießen, da Gott es uns verliehen hat«, soll Papst Leo X. (Papst von 1513 bis 1521) einmal seinem Bruder gesagt haben. Als er Papst wurde, war er 37 Jahre alt und hatte eigentlich nur gute Unterhaltung im Sinn. Theologie und ernsthafte Geschäfte langweilten ihn. Sein Steckenpferd war der Neubau des Petersdoms – und dafür brauchte er Geld, viel Geld. Und da fand er in Albrecht von Mainz den richtigen Partner.
Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, ab 1518 Kardinal, und wie Papst Leo X. war auch er habgierig und machthungrig. Die politischen Manöver und Einzelheiten erspare ich Ihnen (auch ein großes Bankhaus spielt eine Rolle – wie aktuell ist das denn alles?!). Jedenfalls wurde Albrecht päpstlicher Ablasskommissar (hatte also den gesamten Ablasshandel unter sich) und später Kurfürst (im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wählten jeweils sieben Kurfürsten den Kaiser). Eigentlich konnten alle glücklich sein: Die Gläubigen fanden gegen ein Entgelt Trost im Ablass, die Bank bekam ihren Kredit mit Zinsen zurück, Albrecht wurde reich und der Petersdom fertig.
Wenn es denn nicht noch einen Dominikanermönch namens Johann Tetzel gegeben hätte, der alles übertreiben musste und den cholerischen Martin Luther mit dem empfindlichen Gewissen zur Weißglut brachte.
Tetzel war einer der einflussreichsten unter den Ablasspredigern. Martin Luther beschrieb, wie Tetzel und seine Leute vorgingen: Zunächst zogen sie mit großem Aufwand in einen Ort ein und versammelten die Bevölkerung. Dann predigte Tetzel und verstieg sich zu immer waghalsigeren Aussagen. Er habe vom Papst einen so mächtigen Ablass zu vermitteln, dass selbst der Heilige Petrus weniger Leute in den Himmel gebracht habe als er, Tetzel. Der Ablass sei die Gnade, durch die der Mensch erlöst werde. Und: Selbst wenn jemand die Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, vergewaltigt und geschwängert hätte, würde der Ablass ihn von dieser Sünde befreien – alles eine Frage des Preises. Ob das geflügelte Wort wirklich so gesprochen wurde oder nicht, aber das »sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt« versprach den Hinterbliebenen sofortige Erlösung ihrer verstorbenen Lieben aus dem Fegefeuer. Und wer wollte da nicht zahlen?
Theologisch gesehen war der Gipfel des Missbrauchs aber, dass der Ablass nicht mehr nur die Strafen für Sünden minderte, sondern tatsächlich zur Vergebung der Sünden verkauft wurde.
Nach allem, was Sie bis hierher schon über Martin Luthers Temperament und sein Gewissen gelesen haben, können Sie sich vorstellen, dass sein Zorn wuchs. Und was tun Theologen, wenn sie unterschiedlicher Meinung sind? Sie schreiben erst mal. Vorteil: Schreiben räumt den Verstand auf. Und wer schreibt, der bleibt.
Nicht nur Albrecht bekam Luthers 95 Thesen. Da sie öffentlicher Diskussionsgegenstand waren, nagelte Luther sie an die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Dort wurde alles angeschlagen, was ein Theologe mit seinen Kollegen debattieren wollte (und das ist bei Theologen immer eine Menge; ein Wunder, dass an dieser Tür überhaupt noch Platz für Luthers Liste war).
Luther schien seinen Finger in eine offene Wunde gelegt zu haben. Er schien nicht der Einzige zu sein, der beim Ablass ein schlechtes Gefühl hatte. Seine Thesen wurden gleich ins Deutsche übersetzt, gedruckt und verbreiteten sich schnell.
Was ist nun der Inhalt von Luthers Thesen? Im Wesentlichen richten sie sich gegen den Handel mit dem Ablass. Das »Gerechtfertigtsein allein aus