Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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       Inhaltsverzeichnis

      Der Philoktet Sophokles mag entscheiden – wie leidet dieser? Es ist sonderbar, daß der Eindruck, den dieses Stück bei mir von lange her zurück gelassen, derselbe ist, den W. will: nämlich der Eindruck eines Helden, der mitten im Schmerz seinen Schmerz bekämpft, ihn mit holem Seufzen zurückhält, so lange, als er kann, und endlich, da ihn das Ach! das entsetzliche Weh! übermannet, noch immer nur einzelne, nur verstolne Töne des Jammers ausstößt, und das übrige in seine große Seele verbirgt. Lasset uns Sophokles aufschlagen, lasset uns lesen, als ob wir sähen, und ich glaube, wir werden den nämlichen Philoktet gewahr werden, den Sophokles schuf, und Winkelmann anführt, wie er geschaffen ist.

      Uebermannet endlich vom Schmerz unterliegt er; er bricht aus – aber in Töne der brüllenden Verzweiflung, des wütenden Geschreies? Nichts! in ein trauriges ἀπόλωλα τέκνον. βρύκομαι τέκνον. παπαῖ. ἀπαππαπαῖ, παπαῖ, παπαῖ, παπαῖ, παπαῖ: das sind seine gezognen Klagetöne! Er bittet um die Heldencur, seinen Fuß abzuhauen: er winselt. – Nichts mehr? Nein, nichts mehr! Er war ausgebrochen, wie Neoptolem sagt, nur in ἰυγὴν καὶ ςόνον in Aechzen und Seufzen, und Ach! wie muß dieß rühren! Sein gekrümmter Fuß, sein verzognes Gesicht, seine vom Seufzer erhobene Brust, die vom Aechzen hole Seite, sein halbes Ach! – – Weiter geht der Dichter nicht: und um zuvor zu kommen dem Uebertreiben des Ausdrucks, läßt er Philoktet vor Schmerz in Unsinn fallen! So sehr hat er gelitten, so sehr seine Kräfte zusammen gefasset, daß er raset.

      Er kommt wieder zu sich! er erholt sich! aber die Krankheit kommt, wie ein verirrter Wandrer wieder: schwarzes Blut sprüht hervor: sein ἀπαππαπαῖ fängt an: er bittet, ächzet; ein Fluch auf Ulysses, ein Zorn mit den Göttern, ein Ruff an den Tod, aber alles nur ruckweise, nur Augenblicke! der Schmerz läßt nach; und siehe! den Augenblick der Erholung wendet er an, um den dritten Anfall zu erwarten. Er kommt, und da der Theatralische Ausdruck nicht höher steigen kann, so läßt ihn Sophokles – alles, was er ihn thun lassen kann, um ihn nicht schreien zu lassen: schwärmen, ächzen, bitten, zürnen, athemlos zu sich kommen und – – einschlafen. Peinlicher Auftritt! der höchste am Ausdrucke, den vielleicht je ein Tragisches Stück gefodert, und nur ein Griechischer Schauspieler erreichen konnte.

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