Das Neue Testament - jüdisch erklärt. Группа авторов
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29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster? 30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. 35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir‘s bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!
Lk 10,29–37 Das Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner Vgl. oben „Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter“. 10,29 Sich selbst rechtfertigen, sich als „im Recht“ zu präsentieren. 10,30 Von Jerusalem hinab nach Jericho, ca. 28 km, mit starkem Gefälle. Räuber, Diebe, keine Freiheitskämpfer (vgl. Lk 19,46; 22,52; Joh 10,8; 18,40; 2Kor 11,26). 10,31 Priester, hebr. kohen, wie z.B. Zacharias (vgl. Lk 1,5). Hinabzog, nicht nach Jerusalem hinauf, wo Reinheit eine besondere Rolle gespielt hätte, sofern er Verbindlichkeiten im Tempel gehabt haben sollte (vgl. Anm. zu 1,9). 10,32 Levit, ein Funktionsträger im Tempel (vgl. z.B. Num 1,50). 10,33 Samariter, vgl. Anm. zu 9,52. Jammerte, oder „Mitleid [haben]“, vgl. Lk 7,13; 15,20. 10,34 Öl, vgl. Jes 1,6. Wein, als Antiseptikum. 10,35 Zwei Silbergroschen, als Übernahme der Übernachtungskosten. Die Symbolik erinnert insgesamt an 2Chr 28,8–15. 10,36 Ist der Nächste geworden, Jesus verändert die ursprüngliche Frage. 10,37 Der, der Gesetzeslehrer kann nicht „Samariter“ sagen.
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter
Die Erzählung beginnt damit, dass ein Gesetzeslehrer Jesus „versucht“. Dadurch wird der Schriftgelehrte als ein weiterer Gegner Jesu dargestellt. Der Begriff „versuchen“ (bzw. „Versuchung“) begegnet auch in Lk 11,4: „Und führe uns nicht in Versuchung.“ Indem er Jesus auf die Probe stellt, nimmt der Gesetzeslehrer die Rolle Satans ein (Lk 4,12). Seine Frage ist ebenso fehlgeleitet: „Ewiges Leben“ ist kein Luxusgut, das man durch eine bestimmte Handlung erwerben kann; es ist ein unverfügbares Geschenk.
Jesus antwortet mit einer Gegenfrage: „Was steht im Gesetz geschrieben?“ (Lk 10,26) Der Gesetzeslehrer antwortet mit einer Kombination aus Dtn 6,5 zur Gottesliebe und Lev 19,18 zur Nächstenliebe – gemäß Rabbi Aqiva das höchste Gebot der Tora (hebr. mizwa gedola; vgl. Sifra Qedoschim [Kap. 4] zu Lev 19,18). Die beiden Verse werden auch anderswo im jüdischen Gedankengut kombiniert (TestIss 5,2; TestDan 5,3). Bei Mt 22,37 und Mk 12,19–31 bilden beide zusammen Jesu „höchstes Gebot“ (s. „Der ‚Nächste’ in der jüdischen und christlichen Ethik“).Obwohl einige Kommentare die Räuber als jüdische „Robin Hoods“ schildern, die durch zu hohe Steuerlast und Verstädterung von ihrem Land vertrieben worden seien und die gegen ihre sozioökonomische Entrechtung rebellierten, indem sie von den Reichen nahmen und den Armen gaben, sagt der Text nichts Derartiges. Das Wort für „Räuber“, lēstēs (vgl. das hebräische listim) steht für Gewaltverbrecher. Entgegen der weitverbreiteten Ansicht gehen auch der Priester und der Levit nicht wegen ritueller Unreinheit an dem Verletzten vorbei. Tobit (1,16–20) und Josephus (Apion. 2,30,211) bezeugen das starke jüdische Bedürfnis nach der respektvollen Behandlung Verstorbener. Während Lev 21 Priestern das Berühren von Leichen mit Ausnahme engster Angehöriger verbietet, stellt mNas 7,1 fest: „ein Hohepriester und ein Geweihter … dürfen sich an einem Toten aus Pflicht verunreinigen“