Mythologie für Dummies. Christopher W. Blackwell
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Der Mitleid erregende trojanische Königssohn
Troilos begann seine Laufbahn nicht in der ersten Liga der mythologischen Gestalten. Zuerst begegnet er uns in Homers Versepos Ilias, in der einige Episoden des Trojanischen Krieges erzählt werden. Ausführlich beschäftigen wir uns mit dieser Geschichte in Kapitel 7. Allerdings ist die Gestalt des Troilos bei Homer derart unbedeutend, dass er dort nicht einmal besonders erwähnt wird. Troilos war einer der vielen, vielen Söhne des Priamos, des Königs von Troja. Sein Auftreten in der Ilias hatte hauptsächlich dramatische Gründe: Er wurde gleich zu Beginn von Achill getötet, der dann später als Zerstörer Trojas in die Geschichte einging. Sein Tod nimmt gleichzeitig den Mord an Hektor, Troilos’ wichtigerem älterem Bruder, vorweg.
Später fügten griechische und römische Autoren weitere Details zu Troilos’ Geschichte hinzu, wobei sie entweder neu erfundene Teile hinzudichteten oder auf schon existierende Versionen zurückgriffen, die sich von derjenigen Homers unterschieden. In diesen abweichenden Versionen war von einer Prophezeiung die Rede, die ankündigte, dass die Griechen niemals Troja besiegen würden, falls Troilos ein Alter von 20 Jahren erreichen würde. Achill tötete Troilos schließlich in einem dem Gott Apoll geweihten Tempel. Troilos hätte also zum »Erretter« Trojas werden können. Doch er wurde getötet, bevor er das Erwachsenenalter erreichte.
Frühe Schundromane: Mittelalterliche Autoren entdecken Troilos wieder
Springen Sie jetzt bitte aus der frühen griechischen Antike 1500 Jahre weiter ins zwölfte Jahrhundert. Während des »Hochmittelalters« bediente sich ein französischer Autor namens Benoît de Sainte-Maure der Geschichte des Troilos und machte daraus einen Roman: Roman de Troie. De Sainte-Maure schilderte Troilos als einen unschuldigen jungen Mann. Er stellte dem jungen Helden Trojas außerdem eine Geliebte zur Seite: Briseida. (Bei Homer hieß Briseida noch Briseïs und war die Geliebte des Achill; de Sainte-Maure dachte sich wohl, es wäre eine gute Idee, sie Troilos zur Seite zu stellen und dabei den Namen ein wenig abzuändern.)
Die Geschichte in seiner Version betont die tragischen Seiten eines verratenen Liebhabers. Troilos und Briseida waren unsterblich ineinander verliebt und tauschten vielfach Liebesschwüre aus. Dann aber wurde Briseida von den Griechen gefangen genommen und – wie es eben so geht – sie verliebte sich dort in den griechischen Helden Diomedes. Der arme Troilos, in seinem Herzen gebrochen, starb schließlich durch die Hand Achills. In dieser Geschichte also dient die Figur des Troilos dazu, eine zutiefst bewegende Geschichte romantischer Liebe und tragischer Unschuld zu erzählen.
Auf nach Italien und England
Giovanni Boccaccio, ein berühmter mittelalterlicher italienischer Schriftsteller, nahm die Geschichte von Troilos und erzählte sie in seinem um 1338 erschienenen Buch Il Filostrato (»Der Betrogene«) neu. Den Namen der Geliebten änderte er in Cressida, wohl um sie unmissverständlich von Achills Geliebter Briseïs zu unterscheiden. Der englische Autor Geoffrey Chaucer nahm sich dieser Geschichte einige Zeit später erneut an. Sein Buch hieß Troilos und Criseyde. Beide Autoren betonten in ihren Büchern unter anderem den Aspekt der romantischen, tragischen Liebe in dieser Geschichte.
William Shakespeare schließlich lieferte um das Jahr 1601/1602 die berühmteste Version der Geschichte in seinem Stück Tragedy of Troylus and Cressida. Was den Handlungsablauf anbelangt, so folgte Shakespeare dabei weitgehend seinen drei genannten heute nicht mehr so berühmten Vorgängern. Er verfolgte mit seiner Geschichte allerdings einen anderen Zweck: Ihm kam es darauf an zu zeigen, wie eine »heldenhafte« Figur dennoch wie ein vollkommen verachtenswerter Dummkopf handeln kann. Er schrieb sein Stück zu einer Zeit, als die politischen Zustände in England sehr chaotisch waren. Er verwendete den sehr alten (genauer dem achten vorchristlichen Jahrhundert entstammenden) Mythos von Troilos, um eine Aussage über die politische Welt im England des 17. Jahrhunderts zu machen.
Troilos und Cressida sind auch heute noch gegenwärtig
Troilos und Cressida sind auch heute noch präsent, weil die Menschen Shakespeares Drama immer noch für aufschlussreich und bedeutungsvoll halten. Ihre Geschichte findet aber auch auf einer viel alltäglicheren Ebene weiterhin Verwendung. So gab zum Beispiel der Autobauer Toyota in den 1990er Jahren einem seiner Autos den Namen Cressida – eine Namensgebung, deren Weisheit allerdings bezweifelt werden darf, ist doch Cressida diejenige, die ihren Geliebten verlassen und seinem Mörder ausgeliefert hat. Ein anderes Beispiel: Als 1986 die Raumsonde Voyager am Planeten Uranus vorbeiflog, gab man einem neu entdeckten kleinen Mond den Namen Cressida.
Auf diese Weise also überdauern Mythen die Zeit und verändern sich dabei allmählich. Auch wenn die Figur des Troilos ursprünglich ziemlich unbedeutend war, so tauchen sein Name und seine Geschichte doch immer wieder bei Homer und anderen griechischen und römischen Dichtern sowie bei mittelalterlichen Schriftstellern aus Frankreich, Italien und England auf. 1500 Jahre nach seiner Erfindung erhält er eine Geliebte, deren Name sich mehrfach ändert und die schließlich bis in unsere Zeit hinein als Namensgeberin für ein Auto und einen kleinen Mond eines fernen Planeten lebendig geblieben ist.
Popkultur
Mythen sind – wie schon mehrfach betont – Geschichten, die von bedeutsamen Dingen handeln: Leben, Tod, Unsterblichkeit, Macht, Liebe, Natur und so weiter. Einiges von der Kraft dieser Mythen geht auch auf die Namen über, die die Figuren in diesen Mythen tragen. Auch wenn diese Namen sehr alt sind und aus für uns sehr fremdartigen Zusammenhängen stammen, so haben sie dennoch die Kraft, noch heute in uns Gefühle und Gemütsregungen zu erwecken. Mythen sind Symbole und diejenigen, die Dinge verkaufen wollen (Autos, Schmuck, Bücher oder Kinofilme etwa), geben ihren Produkten Namen, von denen sie hoffen, dass sie im Konsumenten Emotionen hervorrufen, die das Kaufverhalten der Menschen auf die gewünschte Weise beeinflussen.
Mythen sind überall
Ob auf der Straße oder im Urlaub – man kann sich der Gegenwart und dem Einfluss von Mythen nicht entziehen. Sie sind überall! Die Werbung bedient sich ihrer wegen ihrer großen emotionalen Wirkung. Oder Objekte bekommen mythologische Namen, weil es einfach dem Trend entspricht beziehungsweise um eine bestimmte innere Haltung zum Ausdruck zu bringen. Oder weil die Leute schlicht gerne Sachen kaufen, die solche Namen tragen. (Denken Sie beispielsweise an die Turnschuhmarke Nike.)
Mythen am Steuer
Wenn Sie Ihr Toyota Cressida verraten sollte (siehe oben) – was eher unwahrscheinlich erscheint –, so können Sie jederzeit auf andere Modelle umsteigen, deren Namen auch Mythen entlehnt wurden. Wie wäre es etwa mit einem Legend (von Acura, einer Tochtermarke des Autobauers Honda)?
Am Steuer eines Toyota Avalon werden Sie sich bestimmt wie König Artus persönlich fühlen. In einem Cadillac El Dorado wiederum wird Sie das Gefühl unerhörten indianischen Reichtums umgeben. Ihr Ausflug an den Strand zusammen mit den Kindern wird Ihnen vielleicht wie eine endlose Reise vorkommen, vorausgesetzt