Die Hoffnung aus dem Jenseits. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Die Hoffnung aus dem Jenseits - Sabine von der Wellen страница 6
Sie lacht auf. „Das will ich auch gar nicht. Es ist gut so wie es ist.“
Das kann ich nur bestätigen.
„Weißt du, Schatz“, raune ich leise und senke mein Gesicht in ihre Haare, damit sie mich nicht ansehen kann. „Mir geht dennoch ganz schön die Düse. Ich bin echt froh, wenn der Rummel vorbei ist und wir beide das überstanden haben und unsere Hochzeit allein weiterfeiern können.“
„Allein weiterfeiern?“, fragt sie leise und ich spüre ihre Hand, die sich in meine Haare schiebt und mich streichelt, als müsse sie mich beruhigen oder trösten. Mir entrinnt erneut ein tiefer Seufzer, bevor ich antworte: „Ja, wenn ich endlich mit dir allein bin und uns keiner mehr beobachtet, schaut wie wir uns verhalten und aufpasst, dass wir uns nicht danebenbenehmen oder etwas schiefgeht. Meine Eltern sind so überdreht wegen der Hochzeit und planen und planen. Sie tun, als würden sie heiraten. Und deine Eltern rufen auch ständig an. Ich glaube, die sind alle voll der Meinung, das muss eine Jahrhunderthochzeit werden. Und davor habe ich ein bisschen Angst. Weil es doch unsere Hochzeit ist und eben keine Jahrhunderthochzeit.“
Carolins Hand krault weiter durch mein Haar. „Ach Erik“, höre ich sie genauso leise antworten. „Mach dir keine Gedanken. Gerade weil es unsere Hochzeit ist, spielt es keine Rolle, ob das Auto auf dem Weg zum Standesamt stehen bleibt, ich in eine Pfütze falle, das Standesamt abbrennt oder unsere Gäste allesamt in einem Stau stecken. Das Einzige, was klappen muss, ist, dass wir beide und der Standesbeamte irgendwo zusammentreffen, er sein Sprüchlein macht und wir beide unser Ja geben können. Und unterschreiben müssen wir auch noch unbedingt. Alles andere ist egal. Ob es nun sinnflutartig regnet und wir klitschnass heiraten oder sonst was passiert … es ist nur wichtig, dass wir diese eine Sache hinbekommen. Okay? Und nur uns muss gefallen, was wir tun und niemandem sonst. Denn es ist unsere Hochzeit.“
Ich sehe auf und in Carolins Augen. Oh Mann, sie hat recht. Und sie will nur mein Ja und ich nur ihres. Alles andere kann neben uns abbrennen oder im Sturm untergehen.
„Und dann fahren wir mit dem Auto deiner Eltern zum Saal“, fährt sie fort. „Obwohl ich auch lieber den Mustang genommen hätte. Aber auch das spielt letztendlich keine Rolle, weil wir dann schon das Einzige getan haben, was für uns wichtig ist. Wir haben uns für immer aneinandergebunden. Und auch wenn das Essen nicht schmecken sollte: egal. Oder wenn die Band scheiße ist: egal. Das nächste wichtige, dass wir erreichen müssen, ist, dass wir pünktlich zu unserem Flieger kommen, um dem Ganzen zu entfliehen. Ah, ich habe allerdings noch eine ganz wichtige Aufgabe, die ich natürlich nicht vergeigen darf.“
Ich sehe sie verunsichert an, weil ich nicht weiß, was sie meint. Was könnte dann noch wichtig sein?
Sie sieht mich schelmisch an und um ihren Mundwinkel liegt ein Schmunzeln. „Ich muss den Brautstrauß so werfen, dass Ellen ihn fängt. Sonst werde ich es nicht mal bis zum Flieger schaffen, ohne geluncht zu werden und du wirst früh Witwer. Aber das ist zu dem Zeitpunkt alles, was unbedingt klappen muss … und das ist allein meine Aufgabe.“
Ich weiß, sie will mich beruhigen und mir meine Angst nehmen. Eine dumme Angst, wenn man mal bedenkt, dass ich schon ein Messer in die Schulter gejagt bekam, angeschossen wurde und mich ein Pulk Drogendealer vertrimmte, dass ich dachte, meine letzte Stunde hätte geschlagen. Aber diese Hochzeit macht mich einfach schrecklich nervös. Ich habe schon etliche Drogendeals in meinem Leben hinter mich gebracht, so oft bei den unberechenbarsten Typen Geld eingetrieben … aber noch niemals geheiratet. Und Carolin streicht mir über die Wange und will mich einfach nur aufmuntern und mir das ungute Gefühl nehmen.
„Und Dienstag ist alles geklärt?“, frage ich dennoch verunsichert.
„Das regeln meine Eltern. Mach dir keine Gedanken“, sagt Carolin. „Die Männer waren heute schon los und haben bei unserem Nachbarn im Wald eine Tanne gefällt und einen ganzen Anhänger voll Tannengrün nach Hause gekarrt. Und die Frauen haben sich um die Blumen gekümmert. Deine Eltern sind jetzt bestimmt auch da. Die werden sich noch wundern!“ Carolin kichert belustigt.
Ich schiebe meinen Kopf weiter an ihre Hand, die einen Augenblick aufgehört hatte, meine Haare zu durchfurchen. Ich liebe das. Es beruhigt mich.
„Ich habe das Ganze noch gar nicht richtig kapiert“, sage ich leise.
Carolin erklärt lächelnd: „Da gibt es nicht viel zu verstehen. Die Nachbarn des Elternhauses treffen sich, holen Tannengrün aus dem Wald, binden Blumen aus Krepppapier und binden aus dem ganzen Zeug einen Kranz für die Tür des Saals. Dabei wird ordentlich getrunken und gefeiert.“
„Und warum müssen wir erst Dienstag dort hin und nicht heute?“
„Weil sie heute nur vorbereiten. Die Männer holten das Tannengrün aus dem Wald und die Frauen machten die Blumen. Das Zusammenbinden des ganzen Kranzes ist dann am Dienstag. Und da fahren wir dann auch hin und bringen ihnen Süßigkeiten und Schnaps.“
„Oh Mann, ihr habt ja Sitten!“
Carolin lacht auf und meint belustigt: „Das werden deine Eltern auch denken, wenn sie heute dort mitmachten. Ich fand es schon lustig, wie dein Vater sich auf seine Waldtour vorbereitete hatte. Der war in voller Wandermontur oder als wolle er einen Berg erklimmen.“
Ich muss auch lachen. Schließlich besitzen wir einige Sportbekleidungsgeschäfte, wo diese Art von Trekkingbedarf fast eine ganze Abteilung einnimmt.
„Mein Vater ist sowieso völlig aus dem Häuschen. Der kann bestimmt nicht mehr schlafen, weil ich heirate!“
Carolin sieht mich ernst an. Leise raunt sie: „Ich finde es süß, wie sehr er jetzt alles für dich tut, damit es dir gut geht.“
Ich kann mir ein bitterböses: „Das hätte er mal vor zwanzig Jahren anfangen sollen“, nicht verkneifen. Aber ich bin nicht mehr wütend auf meine Eltern. Ich hatte viel im letzten Jahr dazugelernt. Ich musste selbst erkennen, dass man nicht immer die Chance hat, das, was man liebt, zu beschützen. Wenn die Mühlen erst mal mahlen, kann man die Dinge oftmals nicht mehr aufhalten und ist sogar dazu verdammt, das Geschehene nur noch hinnehmen zu können. Und ich musste auch erkennen, dass man schnell mit der Situation überfordert ist und unter Umständen dann das Falsche tut, weil man die Situation falsch einschätzt. Meine Eltern glaubten damals, dass ich mich nach meiner Entführung durch mein Kindermädchen von ihnen zurückzog, während ich dachte, dass sie mich nicht mehr wollen und mögen, wie mir das diese Daniela eingebläut hatte. Und ich hatte bei Carolin, als sie sich im Krankenhaus so lange vor mir verschloss, gedacht, sie will mich nicht mehr, weil sie wegen Tim trauerte. Dabei glaubte sie, ich würde sie nicht mehr wollen und meinte deshalb, nicht mehr ins Leben zurückkehren zu können. Ich hatte viel Lehrgeld aus dieser Sache gezogen. Wir alle! Und jetzt ist mein Verhältnis zu meinen Eltern erträglich.
Ich bin froh darüber, obwohl ich mir mein Leben lang eingeredet habe, dass ich sie nicht brauche und sie mir völlig gleichgültig sind.
Carolin krault mich weiter, ohne auf meinen Einwand zu antworten. Darum erkläre ich: „Aber ich bin froh, dass sie das alles mit deinen Eltern in die Hand genommen haben. Ich hätte nicht gewusst, was wir bei der ganzen Sache bedenken müssen.“
„Ich bin auch froh. Mir reicht, dass wir das Paar sind, das heiratet. Mit dem anderen Stress wäre ich echt überfordert. Und unsere Eltern verstehen sich wirklich gut. Wer hätte das gedacht?“
„Ja,