Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg. Sam Watkins
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Was seinen Verteidiger betrifft, so kann ich mich nicht mehr an den genauen Wortlaut seines Plädoyers erinnern, aber er zeichnete das Bild eines blonden Jungen, der sein Heim und seine Familie verlässt und sich von seinem Vater, seiner alten Mutter und seiner kleinen Schwester verabschiedet. Obgleich noch fast ein Kind, eilt er stolzen Schrittes zur Verteidigung seines Landes und seiner Lieben. Doch dann, in einem Moment der Schwäche, als die Natur, bereits über jegliche Grenzen menschlichen Durchhaltevermögens hinaus geprüft und beansprucht, ihr Recht einfordert und er auf einem ruhigen und stillen Posten steht, während die gesamte Armee in tiefem Schlummer liegt: wen kann es da verwundern, dass auch er während seines Postendienstes eingeschlafen ist. „Einige von Ihnen, Gentlemen, die Sie diesem Kriegsgericht beisitzen, haben wohl selbst Söhne, Brüder oder sogar Väter in der Armee. Wo sind sie heute Nacht? Sie lieben Ihre Kinder, Ihre Brüder und Ihre Väter. Dieser junge Bursche hier hat einen Vater, eine Mutter und eine Schwester zuhause in Tennessee. Sie sind gewillt, ihren Sohn für ihr Land hinzugeben. Doch ach, Gentlemen! Lassen Sie die Kunde nach Tennessee dringen, dass er auf dem Schlachtfeld gefallen ist, nicht durch die Hand seiner eigenen Kameraden, weil er auf seinem Posten dem Schlafe erlag.“
Ich kann mich nicht mehr an die einzelnen Plädoyers erinnern, aber eines weiß ich noch: er wurde freigesprochen und ich war froh darüber.
Die Totenwache
Ich erinnere mich noch an eine weitere Begebenheit. Liebe Freunde, ihr, die ihr nichts vom Leben eines Soldaten wisst, ich bitte euch aufrichtig, die folgenden Zeilen nicht in Zweifel zu ziehen. Ihr habt zweifellos bereits von dem alten römischen Soldaten gelesen, den man in den Ruinen von Pompeji fand. Er stand dort seit sechzehnhundert Jahren und als man ihn ausgrub, sah man, dass er noch immer auf seinem Posten stand, mit seiner Waffe in seinen skelettierten Händen. Ihr glaubt diese Geschichte, weil sie in den Geschichtsbüchern steht. Ich habe gehört, wie sie von Politikern erzählt wurde und ich habe gehört, wie sie von der Kanzel gepredigt wurde. Sie ist wahr, niemand zweifelt daran. Nun, würde ich erzählen, dass sich eine exakt gleiche Begebenheit in unserem neunzehnten Jahrhundert abgespielt hat, so würdet ihr mir wohl kaum glauben. Aber ob ihr mir glauben wollt oder nicht, das müsst ihr selbst entscheiden.
Nahe einem kleinen Dorf namens Hampshire Crossing sollte sich unser Regiment zu einem kleinen Wasserlauf namens St. John’s Run begeben, um dort das 14. Georgia und das 3. Arkansas abzulösen. Ich kann die Tatsachen nicht so wiedergeben, wie ich gerne möchte. Tatsächlich zittert meine Hand dermaßen und ich bin so von meinen Gefühlen überwältigt, dass ich diese Zeilen kaum niederzuschreiben vermag. Wir gingen also zu diesem Ort und als wir ankamen, fanden wir die Wachtposten, sie waren auch kaum zu übersehen. Wenn ich mich recht entsinne, waren es elf Soldaten. Einige saßen und einige lagen auf der Erde, aber jeder von ihnen war so kalt und hart gefroren, wie die Eiszapfen, die von ihren Händen, Gesichtern und Uniformen hingen – tot! Sie waren auf ihrem Posten gestorben. Zwei von ihnen standen etwas abseits von den anderen, ihre Musketen in Händen und so kalt und hart wie Monumente aus Marmor – Wache stehend mit geladenen Musketen in ihren gefrorenen Händen! Die Geschichte ist erzählt. Waren es echte Menschen? Hat Er, der den Fall des Spatzen bemerkt und die Haare auf unseren Köpfen zu zählen vermag, überhaupt irgendein Interesse an den Geschicken der Sterblichen? Ja, Er tut alle Dinge wohl. Kein Spatz stürzt zur Erde ohne Seinen Willen.
Mach`s gut, Virginia!
Nachdem wir am ganzen Shenandoah-Feldzug teilgenommen hatten, durch all die Wunder des nordwestlichen Virginia marschiert waren und uns der dortigen Armee zugehörig fühlten, war es mit Sorge und mit Trauer, dass wir den „alten Gestaden Virginias“ unseren Abschiedsgruß entboten, um zu anderen blutigen Schlachtfeldern zu marschieren. Wir hatten gelernt, Virginia zu lieben; wir lieben es noch immer. Die Leute waren nett und freundlich zu uns. Sie teilten ihre letzte Scheibe Brot und ihr letztes Stückchen Speck mit uns. Wir liebten Lee, wir liebten Jackson; wir liebten den Klang von, den Gedanken an und die Menschen in Virginia. Hatton, Forbes, Anderson, Gilliam, Govan, Loring, Ashby und Schumaker waren Namen, denen wir uns verbunden fühlten. Wir mochten es nicht, all unsere alten Kameraden zurückzulassen. Wir fühlten, dass wir feige entgegen den Instinkten unserer Männlichkeit handelten und dass wir jene, die uns auf dem Marsch und auf dem Schlachtfeld beigestanden hatten, jetzt verließen, wo sie unserer Hilfe am dringendsten bedurften. Wir kannten das 7. und das 14. Tennessee; wir kannten das 3. Arkansas, das 14. Georgia und das 42. Virginia. Ihre Namen waren uns so geläufig wie alltägliche Redewendungen. Wir würden die Gebeine von Joe Bynum, Gus Allen und Patrick Hanley zurücklassen. Wir würden uns verabschieden von all den liebevollen Beziehungen zu den guten Menschen in Virginia und unseren alten Gefährten unter den Soldaten der großartigen Armee von Virginia. Mach`s gut, Virginia! Drüben, im guten, alten Tennessee, werden unsere Heimstätten und unsere Lieben beraubt und beleidigt. Unsere Felder werden verwüstet, unsere Städte geplündert und die Menschen hingeschlachtet. Die Pflicht, ebenso wie der Patriotismus, rufen uns zurück zu unserem Heimatstaat, um ihn, so gut wir können, gegen eine einfallende Armee unserer (damaligen) Feinde zu verteidigen. Und somit entbieten wir dir, Virginia, nochmals einen herzlichen Abschiedsgruß!
Kapitel 02: Shiloh
Shiloh
Dies war die erste große Schlacht, an der mein Regiment teilnahm. Ich möchte nicht so tun, als könne ich von den Fähigkeiten der Kommandeure, den Helden, von Blut und Wunden, vom Schreien und Stöhnen, von großartigen Sturmangriffen und eroberten Kanonen usw. berichten. Ich war nur ein einfacher Soldat und wenn ich mich einmal umsehen wollte, um herauszufinden, was um mich herum passierte, so ertönte das Kommando „Augen rechts, am Zentrum ausrichten!“ „Aufschließen, an der rechten Flanke ausrichten, halt, vorwärts, Schrägmarsch rechts, Schrägmarsch links, halt, vorwärts, am Zentrum ausrichten, Augen rechts, schnell formieren da hinten, Formation halten, Laufschritt, Bajonette aufpflanzen, Feuer frei!“, dies ist so ziemlich alles, was ein gemeiner Soldat jemals von einer Schlacht erfährt. Er kann den Rauch und das Mündungsfeuer der feindlichen Geschütze sehen und er kann das Pfeifen der Minié-Geschosse und der Kanonenkugeln hören, aber er muss so schnell laden und schießen, wie er die Patrone aufbeißen und in den Lauf rammen kann, sonst ergeht es ihm wie dem Iren, der so lange mit Platzpatronen feuerte, bis ihn eine Kugel traf und er verwundert ausrief: „Potztausendundeins! Die Kerle schießen ja mit Kugeln!“ Trotz alledem erinnere ich mich noch an einige Dinge, die ich während der Schlacht beobachten konnte.
Ich erinnere mich an einen