Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag. Gerhard Ebert

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag - Gerhard Ebert страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag - Gerhard Ebert

Скачать книгу

auch irgendwie einschlägt. Wozu sonst die ganze Aufregung?

      Das stand für Uwe inzwischen fest: Diese kleine Hübsche hatte, als sie unbeschwert die Straße lang ging, auch nicht ein bisschen zu ihm hochgeschaut. Offen war allerdings, auch das stand fest, ob sie ihn nicht vielleicht doch gesehen, es aber bewusst vermieden hatte, es ihm zu zeigen. Und überhaupt! Wieso bildete er sich ein, dass dieses Mädchen irgendein Auge für ihn haben könnte! Schließlich war er ihr ja völlig unbekannt!

      Einige Zeit später schien das Schicksal Uwe denn doch ein klein wenig mehr gewogen. Aber wirklich nur ein klein wenig! Und eigentlich machte es alles nur noch komplizierter. Im Einkaufstrubel der Hauptstraße erblickte er nämlich plötzlich seine heimlich Angebetete. Doch nicht allein! Sie lief munter plaudernd mit einem jungen Mann, den er mit Entsetzen als seinen Freund Günter erkannte. Prompt schlug ihm das Herz gnadenlos bis in den Hals. Was nun?

      Erst einmal heimlich hinterher! Das war das Mindeste. Und sich nicht entdecken lassen. Auch klar. Und während Uwe erst einmal möglichst geschickt wie ein Detektiv hinterherlief, überlegte er fieberhaft, wie er sich verhalten sollte. Immerhin gab es zum Beispiel die Möglichkeit, die beiden Bummler einzuholen und Günter betont nebenbei zu begrüßen. Was vielleicht helfen könnte herauszubekommen, ob da gar eine enge Freundschaft im Gange war. Eine Freundschaft? Waren die beiden etwa fest zusammen?

      Schon der Gedanke löste bei Uwe ein Gefühl aus, das er bisher nicht kannte, das ihn aber übermächtig ergriff. Eifersucht! So unmäßige Erregung konnte nur Eifersucht sein. Uwe begriff, dass er in solch unerhörter Erregung unmöglich vor die beiden treten konnte. Er hätte sich auffällig so dämlich benommen, dass Günter wahrscheinlich gefragt hätte, ob ihm etwas fehle. Und die kleine Hübsche hätte wahrscheinlich sogar irgendetwas geahnt und still und vielleicht sogar boshaft in sich hinein geschmunzelt. Nein, solch eine Niederlage durfte er sich nicht zufügen.

      Uwe entschied, die beiden zunächst einmal weiter zu verfolgen. Was nicht so einfach war. Einmal, ganz plötzlich, wäre beinahe alles schief gegangen. Günter drehte sich nämlich überraschend um und kam ihm entgegen. Offenbar hatte er etwas vergessen, war an einem Geschäft vorbeigelaufen, wo er eine Besorgung hatte machen wollen. Und die Kleine lief nicht etwa weiter, sondern machte mit ihm kehrt. Zum Glück fand Uwe hinter einer Litfaßsäule Deckung.

      Fast war er jetzt entschlossen, das Versteckspiel zu beenden und aufs Ganze zu gehen. Was sollte schon geschehen, wenn er, den Ahnungslosen spielend, auch in das Porzellangeschäft gehen würde, in dem die beiden eben verschwunden waren? Aber Uwe fand so schnell nicht den Mut. Noch bevor er sich zu dem Schritt durchgerungen hatte, tauchten die beiden wieder auf der Straße auf. Jetzt hakte sie sich auch noch bei ihm ein! Uwe ließ alle Hoffnung fahren. Diesen ersten Fall ernsthaften Interesses für eine Frau musste er wohl ad acta legen. Jedenfalls rein büromäßig gesehen. Ob sich Gefühle allerdings so einfach kommandieren ließen, musste er noch ausfinden

      Schon redete er sich ein, dass im Grunde noch alles offen sei, so intim die beiden auch taten. Weswegen er sie weiter verfolgte. Es konnte kein Fehler sein herauszubekommen, wo die Schöne wohnt. Und seinem Freund Günter würde er nicht die leiseste Möglichkeit geben etwa anzunehmen, er, Uwe, interessiere sich für das Mädchen. Nicht, weil er dem Freund ungern in die Quere kommen wollte, sondern weil der nicht unbedingt wissen sollte, dass er, Uwe, sich ausgerechnet in dessen Freundin verliebt hatte. So trottete er denn hinter den beiden her und haderte mit sich und der Welt.

      Ein enger Freund war Günter nicht. Uwe hatte überhaupt keinen engen Freund, von losen Schulkameradschaften mal abgesehen. Zu Günter hatte Uwe Kontakt, weil ihre Väter Arbeitskollegen waren. Und weil ihre Eltern sich gelegentlich trafen, auch mal Silvester gemeinsam feierten, hatten eben auch die beiden Jungs Kontakt miteinander bekommen, der aber recht lose geblieben war. So wusste Uwe zwar, und das machte ihn neidisch, dass Günter sehr geschickt war im Verführen von Mädchen, aber er wusste nicht, wie weit solche Verführung zu gehen pflegte. Meist war das gewiss nur so etwas wie ein Flirt, eine Liebelei oder so.

      Das war nun schon gar nicht nach Uwes Geschmack. Herum tändeln, davon hielt er nichts. Mit einer Frau nur so spielen, das fand er verachtenswert. Wobei er mangels Erfahrung ganz und gar nicht wusste, wo das Tändeln aufhörte und wahre Liebe anfing. Kurzum, er war im Vergleich zu Günter, der immerhin zwei Jahre älter war, ein unerfahrener kleiner Junge. Was ihn natürlich wurmte, weswegen er zu enge Freundschaft mied.

      Er, Uwe, wäre nur immer der doofe Zuschauer gewesen, der erleben musste, wie der andere herumknutscht. Einmal zu Silvester war ihm das passiert, und das reichte ihm. Er war einer Einladung Günters zu einer Party gefolgt, und im Ergebnis hatte er zusehen müssen, wie sein Freund mit einer Hübschen schöntat und noch vor Mitternacht davonzog. Er aber hatte, noch des Tanzens unkundig, nur in einer Ecke gehockt und Trübsal geblasen. Nun also schlich er hinter diesem Günter her und musste immer wieder mit ansehen, wie oft sich die Kleine vor Lachen ausschüttete. Günter schien sie glänzend zu unterhalten.

      So oft Uwe nahe daran war, die Verfolgung sein zu lassen und auf die beiden zu pfeifen, so oft trieb ihn denn doch die Neugier weiter voran. Zumal es nicht irgendwohin ging, sondern zur Oberstadt, dorthin, wo Uwe und Günter wohnten. Wobei die heimliche Verfolgung immer schwieriger wurde. Zunächst, als sie noch durch den Park gingen, konnte er sich relativ gut verborgen halten. Meist standen irgendwelche Büsche am Wege, hinter denen er in Deckung blieb. Dann aber war nur noch die nackte Straße, kein Baum, kaum mal ein Passant als Schutz. Also musste Uwe weit zurückbleiben, um nicht gesehen zu werden.

      Als das Pärchen, traulich Händchen in Händchen, plötzlich in eine Seitenstraße einbog, schien alles verloren. Uwe rannte los – und konnte gerade noch sehen, wie Günter mit der Unbekannten in einer Haustür verschwand. Was er nicht sehen konnte: Beide waren nur auf die Treppenstufen getreten, die zur Tür hinaufführten, und schwätzten munter weiter. Als Uwe hastig und eigentlich kopflos bei der Tür ankam, weil er wenigstens sehen wollte, um welche Hausnummer es sich handelte, sah er beide plötzlich unmittelbar vor sich. Zum Glück waren sie so mit sich beschäftigt, dass sie ihn nicht wahrnahmen. Uwe war just in dem Moment aufgekreuzt, als sein Freund Günter das offenbar willige Fräulein in die Arme nahm und küsste.

      Uwe raffte seine letzte Kraft zusammen und huschte mit weichen Knien vorbei. Hatten sie ihn gesehen? Er wusste es nicht. Und da er nicht im Boden versinken konnte, tat er so, als sei er vorbeigegangen, weil er im naheliegenden Kolonialwaren-Geschäft einkaufen wollte. Zwar war ihm klar, dass Günter wusste, dass Uwe dort nicht einzuholen pflegte, aber das war jetzt gleichgültig. Schon erreichte er die rettende Ladentür und trat ein.

      Was wollte er hier? Einkaufen! Einfach irgendetwas! Ah ja, ein Päckchen Zündhölzer aus Riesa musste ihn jetzt retten. Zwar wusste er nicht, wie er zu Hause erklären sollte, warum er sich ohne familiären Auftrag plötzlich für Streichhölzer engagierte, aber irgendwie musste nun einmal gehandelt werden. Gedacht, getan. Der Ladenbesitzer musterte den unbekannten jungen Kunden durch seine Nickelbrille zwar wie einen potentiellen Brandstifter, aber Zündhölzer aus Riesa hatte er selbstverständlich am Lager. Schneller als gedacht stand Uwe wieder auf der Straße.

      Erleichterung! Freund Günter hatte sein Rendezvous offenbar beendet. Jedenfalls lief er just davon und erreichte, als Uwe das Geschäft verließ, gerade eine Ecke, um die er verschwand. In aller Ruhe konnte Uwe nun noch einmal zu bewusster Haustür gehen, um zu sondieren. Er fasste sich ein Herz und betrat sogar den Hausflur, um die Namen auf den Briefkästen zu lesen. Aber sie sagten ihm nichts. Meyer, Müller, Schulze. Das Übliche. Uwe war nicht klüger als zuvor. Niedergeschlagen verließ er das Haus.

      Immerhin wusste Uwe jetzt genau, wo seine Angebetete wohnt. Der dicke Wermutstropfen allerdings: Die Hübsche, die ihn so verzauberte, hatte einen Liebhaber! Und der war ausgerechnet sein Freund Günter.

      Ziemlich trostlos schlich Uwe nach Hause und saß alsbald wieder einmal wortlos und in sich gekehrt am Abendbrottisch. Weshalb er sich von

Скачать книгу