Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag. Gerhard Ebert

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Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag - Gerhard Ebert

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wollen. Und er, Uwe, das stand schon jetzt fest, würde sich nicht in jede verlieben können. Die Mädchen seiner Schulklasse beispielsweise waren ihm im Grunde völlig gleichgültig. Uwe wusste nicht, woran es lag. Es war einfach so. Und jetzt ahnte er den Grund: Die Auserwählte musste zumindest eine Figur haben, wie sie seine Tante Betty aufweisen konnte. Das heißt: deutliche „Wespen-Taille“, üppigen Busen, schlanke, wohlgeformte Beine, schöne, etwas muskulöse Schenkel und einen festen, kräftigen, aber nicht zu ausladenden Popo. Nach Möglichkeit außerdem braune Augen und schwarzes Haar. Wenn man sich dann auch noch nett mit ihr würde unterhalten können, wäre das der absolute Gipfel bei der Erfüllung aller seiner Sehnsüchte.

      Aber das Leben ging weiter ohne die geringste Aussicht auf eine auch nur leise Annäherung an ein Mädchen. Für einen jungen Burschen, wie Uwe nun einer war, hieß das quälend: Wohin mit der Potenz? Quälend deshalb, weil die Natur einem mannbar werdenden Burschen zwar diverse Mengen „Zwirn“ unerbittlich reichlich zur Verfügung stellt, die blöde Zivilisation aber ganz und gar verhindert, dass dafür zugleich auch ein williges Weib greifbar wird.

      Wie phantastisch natürlich musste sich das früher bei den sogenannten Wilden abgespielt haben! Uwe verschlang einschlägige Literatur, soweit sie in der Stadtbibliothek zu haben war. Zwar wurde darin das Eigentliche nie genau geschildert, aber so viel war doch wohl klar: Wenn diese vitalen Naturmenschen nach glücklicher Jagd und ausgiebigem Mahl abends auf dem Dorfplatz anfingen, nach der dumpfen Trommel immer ausgelassener zu tanzen, und sich wenig später angeblich Pärchen für Pärchen fröhlich in die nahen Büsche verdrückte, dann bestimmt nicht, um sich über den Trommler zu unterhalten. Man kam ganz gewiss ohne viel Hin und Her zur Sache, und zwar höchstwahrscheinlich ohne sich vorher mit Küssen auf Tour zu bringen. Uwe konnte sich berauschend sogar lebhaft vorstellen, dass die Männer nach wildem Tanz wahrscheinlich bereits mit ziemlich steifem Pimmel loszogen und die halbnackten Mädchen lüstern danach fassten. Zumindest hatten die Männer gewiss nie Ärger mit Rock und Höschen. Im Gegenteil. Die grundsätzlich bloßen Brüste der Frauen ließen sich gewiss ohne weiteres ergreifen. Und gewiss waren die Frauen nach ausgelassener Tanzerei besonders gierig darauf, sich das pralle Männerteil zwischen die Schenkel stemmen zu lassen. Welch ideales Leben!

      4. Puppen und Pimpfe

      Zufällig las Uwe in einer Zeitschrift einen ausführlichen Artikel über Marionetten. Gründlich war dort beschrieben, wie diese zauberhaften Puppen konstruiert sind. Ihm war klar, dass er diese Wesen in ihrer üblichen Größe von fast einem Meter nicht würde nachbauen können, aber eine kleinere Ausführung traute er sich zu. Als er beiläufig mit Tante Betty darüber sprach, war sie sofort Feuer und Flamme für die Idee, ein Puppentheater zu bauen. Sie bot sich sogar an, die Puppen einzukleiden. Da sie arbeitslos war, sah sie darin eine willkommene Abwechslung. Geklärt werden musste, für welches Stück sie sich entscheiden sollten, für das dann auch eine entsprechende Bühne geplant und gebaut werden musste. Für Handpuppen wäre das kein besonderes Problem gewesen. Aber Marionetten müssen von oben geführt werden, weil sie ja an Fäden hängen; was wiederum bedeutet, dass der Puppenführer ziemlich hoch stehen muss, wenn für Zuschauer eine günstige Sicht bestehen soll.

      Vater riet, eine passende Bühne auf dem Hof zu bauen. Aber Uwe und auch Tante war das nicht so recht, denn die ganze Einrichtung gegen den Regen zu schützen, würde sehr aufwendig sein. Obwohl noch Fragen offen waren, begann Uwe schon mal mit dem Bau der ersten Puppe. Solch Gestell am Fadenkreuz konnte gebastelt werden, noch bevor feststand, als welche Figur es dann fungieren sollte. Zugleich bestellte Uwe bei einem Verlag ein Sortiment von Puppenspielen.

      Als die Texte eintrafen und gelesen waren, setzte sich Tante Betty lebhaft für "Doktor Faustus" ein. Dagegen war wirklich nichts einzuwenden, außer, dass ihre Unternehmung höchst anspruchsvoll zu werden versprach. Wobei das Sprechen des Textes während der Vorstellung vielleicht noch am ehesten zu bewältigen war, denn den konnte man bei einer Marionettenbühne blickgünstig vor sich an der Bühnenwand befestigen und beim Spielen einfach ablesen. Aber wie die Figuren ausstaffieren? Den Faustus, den Mephistopheles! Tante überraschte mit Ausdauer und Phantasie. Sie war eben doch ganz offenbar das Kind einer Schaustellerin. Sie stürzte sich geradezu in ihre Aufgabe, kaufte Stoffreste ein, machte Zeichnungen, nähte schon mal herum und wartete ungeduldig auf die erste Figur.

      Die Herstellung einer ersten funktionierenden Marionette wurde gewissermaßen das Nadelöhr für alle weiteren Pläne. Am schwierigsten, stellte sich heraus, war der Kopf der Puppe zu bauen, zumindest mit den primitiven Werkzeugen, über die Uwe verfügte. Er löste das Problem schließlich so, dass er mehrere Schichten Sperrholz in der Form eines Eies aufeinander klebte und den entstandenen Klotz so lange befeilte, bis er in etwa die Rundungen eines Kopfes hatte.

      Welch Gaudi in der Familie, als schließlich das erste Gestell munter durch die Stube spazierte, noch ohne Kleidung zwar, aber an den Fäden hängend und mittels Fadenkreuz geführt. Die Gelenkigkeit war verbesserungsbedürftig. Doch das Grundmuster bestand die Bewährungsprobe. Tante Betty begann sofort mit der Ausstaffierung. Uwe nahm sich die zweite Figur vor, und während er bastelte, sann er darüber nach, wie die Bühne beschaffen sein müsste, auf der "Doktor Faustus" gespielt werden könnte. Was den Ort betraf, an dem sie errichtet werden sollte, schien ihnen der Wäscheboden des Elternhauses am günstigsten, wo Uwe nach Weihnachten gern noch einmal seine elektrische Eisenbahn aufzubauen pflegte. Dort würde auch genügend Platz für Zuschauer sein. Denn das war ja wohl klar: Marionetten ohne Spiel und Zuschauer wären glatt für die Katz gebaut und kostümiert! Ein wetterunabhängiger Spielort war daher auf alle Fälle schon einmal ganz wichtig. Woher die Zuschauer kommen sollten, war zwar offen, aber sozusagen erst die zweite Frage.

      Neben dem Bau der Figuren nahm Uwe daher die Errichtung der Bühne in Angriff, sobald die Eltern zugestimmt hatten. Was den Wäscheboden betraf, hatten sie zwar Vorbehalte, aber es war ihnen letztlich gar keine andere Wahl geblieben. Dem Elan von Uwe und Tante Betty konnten und wollten sie nicht im Wege stehen. Ihr Sohn träumte von einer Bühne mit richtigem Vorhang, der sich auf- und zuziehen ließ. Auch plante er, Lampen zu installieren, um die Szene gründlich ausleuchten zu können.

      Als das Gerüst an der Rückwand des Wäschebodens Gestalt annahm, und für Mutter und Bruder auch schon mal ein Marionetten-Skelett über die künftige Bühne spazierte, was von beiden mit entzücktem Ah und Oh quittiert wurde, meinte Tante Betty plötzlich animiert, dass unbedingt auch Musik dazu gehöre. Sie erklärte sich bereit, eine Anzeige aufzugeben, um an irgendein altes Grammophon heranzukommen. Gesagt, getan. Schon nach wenigen Tagen hielt die Tante ein Angebot in der Hand. Irgendwer bot für fünf Mark ein altes Grammophon an. Tante überlegte nicht lange und holte das Ding mit einem Taxi herbei. Sie brachte sogar ein paar uralte Schallplatten mit. Die Freude war groß. Alle lauschten gespannt dem ersten Versuch. Irgendwie aber klang alles merkwürdig. Hatten sie etwa nicht die richtigen Nadeln als Tonabnehmer? Bald war klar, warum nur fünf Mark verlangt worden waren: Der Teller mit der Schallplatte drehte sich viel zu schnell! Was im Tontrichter wie eine Frau quäkte, war eigentlich ein Mann. Der Lauf der Platten ließ sich partout nicht langsamer regulieren. "Musik ist Musik", sagte Tante schließlich sarkastisch, alle Kritik von sich weisend. Immerhin: Für putzige Unterhaltung des Publikums vor Beginn einer Vorstellung und auch während notwendiger Pausen war bestens gesorgt.

      Was die Bekleidung der Marionetten betraf, entpuppte sich Tante Betty als wahre Zauberin. Wie sie die nüchternen Holz- und Drahtgestelle laut Personenzettel mit einfachsten Mitteln phantasievoll ausstaffierte, war verblüffend. Der Faustus schien wirklich ein ernsthafter alter Gelehrter, und Mephistopheles glänzte in seinem feuerroten Kostüm mit weitem Stehkragen echt gefährlich. Wobei gesagt sein muss, dass Uwe dem Höllenfürsten zwei unübersehbare Hörner verpasst und den Kopf außerdem rabenschwarz angemalt hatte. Kasper hatte eine Zipfelmütze mit eigenem Faden, so dass die sich bei besonderer Gelegenheit aufrichten ließ, zum Beispiel in gefährlicher Situation, wenn sich dem Kasper vor Angst gewissermaßen die Haare sträubten. Das versprach, lustig zu werden.

      Endlich

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