Die verbotenen Bücher. Roger Reyab
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Das Ergebnis entsprach dem optischen Eindruck.
Sofort nach Beendigung der beiden Geiselnahmen und den terroristischen Attacken in Paris, begannen alle wesentlichen Politiker damit, den Verlust der Menschen zu beklagen, die bei den schlimmen Anschlägen ums Leben gekommen waren.
Reflexartig kam aus Deutschland der Vorschlag, die Datenspeicherung auf Vorrat endlich umzusetzen. Dies war ein naiver Vorschlag, da es sich bei den Terroristen in Paris durchaus um polizeibekannte Täter handelte, die aber dennoch nicht am Anschlag gehindert werden konnten.
Über die Täter erfuhr man so gut wie nichts. Man sagte dann aber etwas, was einen schon fast am guten Glauben einiger Qualitätsjournalisten zweifeln ließ. Einige Journalisten brachten tatsächlich die vollkommen absurde These ins Gespräch, dass die Freundin des farbigen Mannes, der den Supermarkt überfallen hatte, dass diese Freundin tatsächlich beim Stürmen des Supermarktes, als Geisel getarnt, entkommen wäre. Dies war die Krönung der Absurdität. Während 88 000 Polizisten durch Paris streifen, entkommt eine bis dato unbekannte Freundin der berühmtesten Attentäter Frankreichs im Tumult der Ereignisse.
Man sah dann auch ein Bild der Frau, die auf dem Foto wirkte, als hätte sie Drogen genommen. Zur Unterfütterung der These, dass diese junge Frau mindestens genauso gefährlich, wie die Haupttäter der Anschläge sei, wurden dann Bilder präsentiert, die jede Frau zeigen konnten. Man sah nämlich eine völlig verschleierte Frau mit einer Pistole in der Hand. Es konnte sich bei diesen Bildern um jede Frau des Erdballs handeln. Zudem verwunderte auf den Bildern, dass die Hand der vermeintlichen Frau sehr männliche Züge trug. Die Qualitätsmedien fanden diesen Beweis ausreichend, um nun zu behaupten, dass sich diese anonyme Frau in Syrien aufhalten würde. Das kann man natürlich glauben. Oder auch nicht. Bis heute hat niemand diese Frau gefunden.
In der Konsequenz wurden Maßnahmen angekündigt, die die Bevölkerung in Zukunft vor solchen Anschlägen schützen sollen. Als Herr Hollande und Frau Merkel und die gesamte Politprominenz der Welt durch Paris einen Trauermarsch antraten, sah man von einer Terrorgefahr eigentlich nichts. Es nimmt Wunder, dass die logistisch derart begabten Superkriminellen, die angeblich diese Attentäter unterstützten, auf diesen Anlass nicht geradezu gewartet hätten. Nun hätten sie einen Anschlag verüben können, der sicher effektiver gewesen wäre, als der, bei dem unschuldige und nicht mit politischen Ämtern befasste Personen umkamen. Aber nichts geschah, denn die sich nun posthum bekennende Al- Kaida, hatte wohl kein Interesse, ein solches Ereignis durch weiteren Terror aufzuheizen.
Der Finanzminister Herr Schäuble aus Deutschland hat einen Appell an die Deutschen gerichtet. Er verwies darauf, dass alles, was man Schlechtes den Geheimdiensten in der Welt andichtet, wie das ein Snowden oder andere tun, dass all dies eben zur Konsequenz hat, dass man so etwas wie in Paris nicht verhindern kann. Einige Polizeivertreter stießen in ein ähnliches Horn und sagten, dass man hier sehe, dass man mehr Polizei, mehr Geheimdienst und mehr Kontrolle und mehr Einschnitte in die Datensicherheit bräuchte.
Andere betonten, dass man den Terror weiter offensiv in der Welt an allen Schauplätzen bekämpfen muss und es daher eher zu einer Ausweitung einiger Länder im Engagement für Freiheit und Demokratie kommen müsse.
Für die Satirezeitschrift Charlie Hebdo waren die Terrorereignisse sicher traumatisch.
Die Auflage von 5 Millionen Exemplaren der Mittwochsausgabe werden dem Verlag aber dennoch 15 Millionen Euro bescheren.
In diesen Tagen wird viel von der Freiheit der Presse und der Verteidigung dieses Wertes gesprochen. Dem schließe ich mich an.
Für mich ist aber die Freiheit der Presse dann gegeben, wenn man von Journalisten erwarten kann, dass sie Dinge gewissenhaft recherchieren, Widersprüchen nachgehen, offizielle Verlautbarungen kritisch hinterfragen und als Kontrollfunktion der Mächtigen fungieren. Erfüllt die Presse diese Aufgabe nicht, handelt es sich um Hofberichterstattung.
Die Freiheit der Presse besteht für mich, mit Verlaub, auch nicht darin, dass man Religionen veralbert und auf die religiösen Gefühle anderer Menschen keine Rücksicht nimmt.
Deshalb tut es mir leid. Aber ich bin nicht Charlie.
Merkelanismus
Politik ist die Kunst des Pragmatischen. Das haben viele berühmte Menschen gesagt und es ist sicher wahr, dass man in der Tagespolitik nicht immer alles im Voraus wissen kann.
Manchmal ändern sich Paradigmen, die man nicht in voller Gänze vorhersehen kann und der politisch Handelnde muss sein Konzept neu gestalten.
Dennoch ist Politik auch das Geschäft der Visionen. Wenn man in der Politik tätig ist und keine Vision besitzt, dann ist man eben Realpolitiker. Der Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt hat einmal gesagt:
„Wer Visionen hat, sollte einen Arzt konsultieren.“
Nun konnte der werte Herr Schmidt aber nicht wissen, dass es mal eine Bundesregierung geben wird, die dieses Sinneswort ernst nimmt.
In Deutschland regiert seit gefühlten Jahrhunderten eine Dame, die visionsfrei ist. Zudem ist sie alternativlos. Das nie gewählte Unwort der letzten Legislaturperioden, ist zum zentralen Motiv einer Realpolitik geworden, die manchem Politikinteressierten die Freude am realen Tagesgeschäft der politischen Eliten entfremdet hat.
Seit die werte Dame ihr Gesicht zum Markenzeichen einer Dekade politischen Stillstands, bei gleichzeitiger erhöhter Flexibilität, erhoben hat, ist die Politik austauschbar geworden. Es gibt keine Grundlage, kein Axiom, keine Grundsatzentscheidung und keine Ansicht, die nicht morgen auch genau das Gegenteil bedeuten kann.
Die Kanzlerin ist extrem flexibel, was die Ausgestaltung von Realpolitik angeht. Die Ziehtochter eines Mannes namens Kohl, der auch gefühlte Jahrhunderte regierte, kennt sich in Alternativlosigkeiten aus. Es ist eine hohe Kunst des Pragmatischen, wenn man heute A proklamiert und morgen B verkündet. Das können nicht alle.
Die Kunstform des Alternativlosen ist dennoch relativ einzigartig in der Historie der Demokratie. Die Alternativlosigkeit ist nicht nur Ausdruck einer flexiblen Geisteshaltung, sondern auch Ausdruck des Gegenteils von Flexibilität. Man ist im Leben meist dann ohne Alternative, wenn man sich in eine biblische Bredouille manövriert hat.
Zum Beispiel beim Schachspiel hat man dann keinen Zug mehr zur Auswahl, wenn man derart schlecht gespielt hat, dass man kurz vor dem Schachmatt steht. Dann hat man keine Alternative und muss den König fallen lassen. Es bleibt einem dann möglicherweise nur ein Zug.
Wenn man aber ein Spiel beginnt, um beim Beispiel Schach zu bleiben, hat man Millionen Möglichkeiten, die alle den Verlauf des Spiels bestimmen.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Alternativlosigkeit fester Bestandteil der Realpolitik in Deutschland ist. Wir sind alternativlos, wenn wir Atomkraftwerke befürworten, und alternativlos, wenn wir sie dann ein paar Jahre später nicht mehr wollen.
Wir sind alternativlos, wenn wir den Griechen Milliarden aus der EU zuführen, und genauso alternativlos, wenn wir das morgen nicht mehr tun. Alles ist im Fluss und alles ist immer ganz anders als gestern.
Man könnte hinter diesem flexiblen Handeln auch ein Prinzip vermuten. Wer nicht starr und verbohrt an Prinzipien klebt, der kann auch viel besser reagieren. Oder man könnte meinen, dass nur der Realpolitiker