Der Capitän des Vultur. Мэри Элизабет Брэддон
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Nichts weiter! Dies schien den erschrockenen Leuten, welche noch vor wenigen Minuten Mr. Markham für todt gehalten, eine so geringfügige Sache, daß Mrs. Pecker, die sonst nicht zur Weichherzigkeit geneigt war, die Hand des Wundarztes ergriff und sie mit Thränen und Küssen bedeckte.
»So, das ist also Darrell Markham,« sagte der Capitän gedankenvoll zu sich. »Darrell, der Unwiderstehliche, Darrell, der Schöne, Darrell der Muthige, Darrell, der seine Cousine, Millicent, jetzt meine Frau, heirathen sollte. Hm, ein hübscher, junger Mann mit braunen Locken und einer geraden Nase! Keine Gefahr für sein Leben, wie Sie sagen, Doktor ?« fragte er laut.
»Keine, wenn nicht Fieber dazu tritt, was der Himmel verhüten wolle!«
»Aber wenn es doch geschehen würde, wie dann?«
»Dann ist’s freilich schlimm. Bei solchen erregbaren Temperamenten —«
»Er hat also ein erregbares Temperament?«
»Ein sehr erregbares. Unfälle wie dieser haben ohnedies leicht Fieber zur Folge. Mrs. Pecker, er muß sehr ruhig gehalten werden. Es darf Niemand zu ihm gelassen werden, dessen Anwesenheit ihn aufregen könnte.«
»Ich werde an seiner Thüre selbst Wache halten und ich möchte die Person sehen, die es wagen würde, ihn auch nur durch einen Athemzug zu stören,« sagte die würdige Matrone, ihren dünnen Gatten scharf anblickend.
Der Wirth zum Schwarzen Bären hielt sofort den Athem an, als ob er glaubte, daß er künftig ohne diese natürliche Verrichtung existiren müßte.
»Wir müssen den Patienten sogleich hinauf bringen,« sagte der Arzt. »Wir müssen ihn in Euer ruhigstes Zimmer und in Euer bequemstes Bett bringen, und wir dürfen dazu keine Zeit verlieren.«
Auf die Weisung des Arztes hoben drei Männer den Verwundeten behutsam auf und sie waren gerade im Begriff, ihn die Treppe hinaufzutragen, als er seine linke Hand an die Stirne führte und langsam die Augen öffnete.
Die drei Männer hielten an und Mrs. Pecker rief laut:
»O, die Freude, er ist nicht todt! Master Darrell, sprecht zu uns und sagt uns, daß Ihr nicht todt seid.«
Die blauen Augen blickten trübe auf die erschrockenen Gesichter, die sich ringsum sammelten.
»Er hat mich geschossen. Er hat mich des Briefs an den König und meiner Börse beraubt. Er hat mich in den Arm geschossen!«
»Wer hat Euch geschossen, Master Darrell?« rief Mrs. Pecker.
Der junge Mann sah sie mit leere Blicke an, offenbar nicht wissend, wo er sich befand und wer Diejenigen, die ihn umgaben, waren. Darauf wandte er seine blutunterlaufenen Augen von ihrem Gesichte ab und seine Blicke wanderten unter den übrigen Zuschauern umher: vom Wirth zum Stubenmädchen, vom Stubenmädchen zum Briefträger, vom Briefträger zum Arzt, vom Arzt zu Capitän George Duke von Sr. Majestät Schiff, der Vultur.
Die blauen Augen öffneten sich mit einem wilden Ausdruck so weit sie konnten.
»Das, das ist der Mann!«
»Welcher Mann, Master Darrell?«
»Der Mann, der mich geschossen hat«
»Ich habe mir’s ja gedacht, daß er in ein Wundfieber verfallen würde. Er redet bereits irre,« sagte der Arzt mit leiser Stimme.
Capitän Duke schlug die Augen nieder und ein dunkler Schatten verbreitete sich über sein hübsches Gesicht.
»Ihr träumt, mein Lieber,« sagte Mrs. Pecker. »Welcher Mann und wo, wo ist er?«
Darrell Markham hob langsam seinen unverwundeten Arm auf und deutete auf das dunkle Gesicht des Capitäns.
»Dort!« sagte er, sich in dem Arme des Mannes, der ihn unterstützte, ein wenig emporrichtend und dann bewußtlos wieder zurücksinkend.
»Ich dachte es mir,« murmelte der Capitän.
»Ich ebenfalls,« erwiederte der Arzt. »Das Fieber ist bereits da und damit auch die Gefahr.«
»Und er muß ruhig gehalten werden?« fragte der Capitän, als der Verwundete die breite, eichene Treppe hinaufgetragen wurde.
»Er muß ruhig gehalten werden, sonst kann ich nicht für sein Leben einstehen. Ich habe ihn als Knaben gekannt und ich weiß, daß ihm jede heftige Aufregung eine Gehirnentzündung zuziehen wird.«
»Armer Mensch! Er ist in Folge meiner Verheirathung mit seiner Cousine ein Verwandter von mir, obschon ich fürchte, daß in dieser Beziehung keine große Zuneigung zwischen uns besteht. Und dies ist das erste Mal, daß wir einander gesehen haben. Seltsam!«
»Es giebt Vieles im Leben, was seltsam ist, Capitän Duke,« sagte der Arzt.
»So ist es, Doktor,« antwortete der Capitän. »So ist Darrell Markham auf seinem Wege von Compton nach Marley Water von einer oder mehreren unbekannten Personen durch einen Schuß verwundet worden. Sehr seltsam!«
Zweites Capitel.
Millicent.
Millicent Duke saß an diesem Herbstabend allein in ihrem kleinen Wohnzimmer, während der Nordostwind draußen um das Gebäude heulte,— sie saß allein und versuchte Richardsons letzten Roman zu lesen, einen kleinen, abgegriffenen Band, den ihr die Frau des Pfarrers von Compton geliehen hatte. Aber so sehr sie Richardsons Novellen liebte, so war sie heute doch nicht im Stande, ihre Aufmerksamkeit auf die Erzählung zu concentriren; ihre Gedanken entfernten sich von der armen Clarissa und dem bösen Lovelace, das Buch entsank ihrer Hand und sie verfiel in ein tiefes Nachsinnen. Es lohnt sich wohl der Mühe, auf Mrs. Millicent Duke zu blicken, wie sie ruhig an ihrem einsamen Kamin sitzt, mit der einen weißen Hand ihren kleinen Kopf stützend, während ihr Ellbogen auf der Armlehne des Stuhls ruht, in welchem sie sitzt.
Es ist ein sehr schönes und mädchenhaftes Gesicht« auf dem das wechselnde Licht des Feuers zittert, bald die eine Wange mit einer sanften Röthe beleuchtend, bald sie im Schatten lassend, je nachdem die Flamme emporschießt oder zurücksinkt. Es ist ein sehr schönes und mädchenhaftes Gesicht mit zarten Zügen und dunkelblauen Augen, in deren sanften Tiefen ein Schatten wohnt — ein Schatten wie von langgetrockneten, aber nicht vergessenen Thränen. Es sind auch gedankenvolle Linien um den Mund bemerkbar, die nicht von einer vollkommen glücklichen Jugend Zeugniß geben. Wenn man diesen gedankenvollen Mund und diese traurigen Augen ansieht, so läßt sich unschwer errathen, daß Millicent Duke und Kummer und Sorgen längst Bekanntschaft mit einander gemacht haben. Aber trotz dieser Schwermuth, welche ihre Züge überschattet, oder vielleicht gerade wegen dieser Schwermuth, ist Millicent Duke ein sehr schönes Mädchen. Man kann sie sich nicht leicht als eine verheirathete Frau denken. Ihr Aussehen ist noch so jugendlich, in ihrem Benehmen liegt eine so mädchenhafte, fast kindische Schüchternheit, daß ihr Gatte — kein besonders