Der Capitän des Vultur. Мэри Элизабет Брэддон
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Als George Duke die letzten Worte sprach, sprang seine Frau plötzlich von ihrem Sitze auf und eilte, ohne ihn anzublicken, nach der äußern Thüre. Sie hatte bereits ihre Hand auf dem Riegel, als sie im Tone des Schmerzes ausrief: »O nein, nein, nein!« und auf ihre Kniee niedersank, den Kopf an die Thüre gelehnt.
Der Capitän des Vultur folgte ihr in den Gang hinaus und beobachtete sie mit harten, mitleidslosen Augen.
»Du wolltest also zu ihm eilen?« sagte er, als sie auf ihre Kniee sank.
Zum ersten Male, seit Darrell Markhams Name erwähnt worden war, blickte Millicent ihren Gatten an, nicht traurig, nicht vorwurfsvoll und am wenigsten furchtsam, sondern ihre blauen Augen sahen kühn und trotzig zu ihm empor.
»Ich wollte es.«
»Und warum gehst Du nicht?« Du siehst, ich bin nicht grausam; ich halte Dich nicht auf. Du hast Deine Freiheit. Geh! Geh zu Deinem Cousin und — zu Deinem Geliebten, Mistreß Duke. Soll ich Dir die Thüre öffnen?«
Sie erhob sich mit einiger Anstrengung, noch immer zur Stütze an die Hausthür gelehnt.
»Nein,« sagte sie, »ich will nicht zu ihm gehen, ich könnte ihm von keinem Nutzen sein; ich könnte ihn aufregen, ich könnte ihn tödten!«
Der Capitän biß sich auf die Unterlippe und der triumphirende Blick verschwand aus seinen braunen Augen.
»Aber wisse, George Duke,« sagte sie in einem Tone, der den Ohren ihres Mannes neu war, »es ist nicht die Furcht vor Dir, die mich hier zurückhält, keine Scheu vor Deinen grausamen Worten und noch grausameren Blicken, die mich abhält, an seine Seite zu gehen, denn, wenn ich ihm durch meine Gegenwart nur einen Augenblick des Schmerzes ersparen, oder durch meine Liebe und Aufopferung nur eine Minute Frieden und Trost geben könnte, und wenn die Stadt Compton ein einziges Feuermeer wäre, so würde ich durch die Flammen gehen, um es zu thun.«
»Das ist eine sehr schöne Rede aus einem Roman,« sagte ihr Gatte, »aber ich glaube nicht an solche schöne Reden und ich habe vielleicht meine eigenen guten Gründe, daran zu zweifeln. Wenn Darrell Markham im Sterben nach Dir verlangte, so würdest Du vielleicht zu ihm gehen, besonders,« setzte er mit seinem gewöhnlichen Spott hinzu, »da die Stadt Compton nicht in Flammen steht.«
Millicent sprang auf ihn zu und ergriff mit ihren beiden kleinen, schlanken Händen, die sonst so schwach und in dieser Nacht so stark waren, krampfhaft seinen Arm.
»Hat er, hat er, hat er es gethan ?« rief sie leidenschaftlich; »hat Darrell nach mir verlangt? O, George Duke, bei Deiner Ehre als ein Gentleman, als ein Seemann, als ein Diener Sr. Majestät, bei Deiner Hoffnung auf den Himmel, bei Deinem Glauben an Gott, sage mir, hat Darrell Markham nach mir verlangt?«
Der Capitän ließ sie auf seine Antwort warten, während er nach dem Wohnzimmer zurückkehrte und dort an der flackernden Flamme des großen Leuchters ein kleines Wachslicht anzündete.
»Ich sage nicht Nein und sage nicht Ja,« sagte er. »Ich habe keine Lust, den Boten zwischen Dir und ihm zu machen. Gute Nacht,« setzte er hinzu, an seiner Frau vorüber in den Vorplatz tretend und von dort nach der Treppe gehend. »Wenn Du die ganze Nacht aufbleiben willst, so thue es, Mistreß Duke. Es ist auf den Schlag Zwei und ich bin müde. Gute Nacht!«
Er ging hinaus und in ein kleines Schlafgemach über dem Wohnzimmer. Es war einfach, alter hübsch möblirt und überall herrschte die größte Nettigkeit. Im Kamin brannte noch das Feuer; aber obschon der Capitän fror, so lenkte er doch seine Schritte sofort nach dem Fenster. Er öffnete es sacht und lehnte sich hinaus, während die Uhren Zwei schlugen.
»Ich dachte es mir,« sagte er, als er das leise Oeffnen der Hausthüre vernahm. »Ich wußte es, daß sie zu ihm gehen würde.«
Der schwache Ton eines leichten und schnellen Tritts unterbrach die ruhige Stille der Straße.
»Und die geringste Aufregung kann verderblich für ihn sein,« murmelte der Capitän, während er das Fenster schloß.
Darrell Markham lag in einer todtenähnlichen Betäubung in dem blauen Zimmer des Schwarzen Bären. Mr. Jordan, der Arzt, hatte erklärt, daß es mehrere Tage dauern werde, bis der gebrochene Arm des Patienten wieder eingerichtet werden könne. Mittlerweile war Mrs. Sarah Becker angewiesen, über das geschwollene Glied fortwährend kühlende Umschläge zu machen. Aber in keinem Falle sollte die würdige Matrone den jungen Mann, wenn sein Bewußtsein wieder zurückkehrte, durch Klagen oder Fragen beunruhigen; noch sollte sie bei Gefahr seines Lebens irgend Jemand, mit Ausnahme des Arztes selbst, den Zutritt zu ihm gestatten.
Mrs. Pecker erwiederte daraus, sie möchte sehen, wer es wagen würde, dem Verwundeten zu nahe zu kommen, um ihn zu belästigen oder zu beunruhigen, »denn wenn es der Pfarrer des Kirchspiels selbst wäre,« sagte sie mit Nachdruck, »so müßte er keinen großen Werth auf seine Augen legen, im Falle er es wagen sollte, Sarah Pecker zu hintergehen.«
»Niemand darf in seine Nähe kommen, einmal für allemal und einmal für immer,« setzte Mrs. Pecker scharf hinzu, als sie unten an der großen Treppe auf eine kleine Versammlung von blassen Gesichtern stieß, denn das gesamte Hauspersonal hatte sich um sie gedrängt, als sie von dem Krankenzimmer herunter kam, begierig, Nachrichten von dem Verwundeten zu erhalten, »und ich will Dich nicht haben,« fuhr sie mit besonderer Heftigkeit zu ihrem Herrn und Gebieter, den würdigen Samuel, gewendet, fort, »ich will es nicht haben, daß Du alle Augenblicke mir mit Deinen Fragen in den Weg kommst: »Ist er noch nicht besser, Sarah?« oder: »Denkst Du nicht! daß er davonkommen wird?« und so weiter. Wenn der Arm eines armen, jungen Gentlemans zu Brei zermalmt ist,« setzte sie hinzu, sich an die Uebrigen wendend, »und wenn ein armer, junger Gentleman so viele Stunden in einer kalten Oktobernacht für todt auf einem einsamen Moor gelegen hat, so kann er nicht in zwanzig Minuten oder in einer halben Stunde wiederhergestellt sein. So geht in die Küche und verhaltet Euch ruhig, bis der Eine oder Andere von Euch gebraucht wird, denn Alles, was Master Darrell bedarf, soll er haben. Ja, wenn er die goldene Krone und den Scepter des Königs bedürfte, so müßte Jemand von Euch nach London und sie holen!«
Nachdem Mrs. Pecker auf diese Weise ihren höchsten Willen kund gethan, ging sie wieder die Treppe hinauf und trat in das Krankenzimmer, während der Arzt, der seine Absicht erklärte hatte, die Nacht in dem Gasthause zuzubringen, sich zu einer kurzen Ruhe in einem Nebenzimmer niederlegte.
Mr. Samuel Pecker hatte sich indeß in das kleine Privatgemach neben der Gaststube zurückgezogen, wo er sich am Kamin niedersetzte.
»Ich denke, da Mr. Markham in den Arm geschossen ist und sie wahrscheinlich nicht herunterkommen wird, so könnte ich mich an eine Kanne Bier wagen,« bemerkte der Wirth gedankenvoll.
Die Verlockung war trotz der vorgerückten Stunde zu groß für ihn und nach einigem weiteren Bedenken stand er auf, um das Bier zu holen. Er war eben im Begriff, über den Hausplatz zu geben, als er durch ein leichtes Klopfen an der starken, eichenen Hausthüre, welche für die Nacht geschlossen worden war, aufgehalten wurde. Das Licht wäre fast seinen Händen entsunken.
»Gespenster!« murmelte er, »Compton ist voll von ihnen. Ich hatte sonst geglaubt, sie wären nur auf dem Kirchhof und das war schon schlimm genug; aber jetzt reiten sie Einem geradezu vor die Thüre und stellen allerlei Fragen. Ich bin begierig, was noch aus uns werden soll. Ich wünschte nur, sie suchten Sarah heim. Ihre Nerven würden es vertragen. Ich glaube aber nicht, daß sie zum zweiten Mal kommen würden, wenn sie ihr einmal da,