Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl
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Papeete, 23. November 1896
Heute wurde mir ein Buch geschenkt. Der Titel lautet »Rarahu«. Es ist die Geschichte eines Tahitianischen Mädchens und das Buch soll selbst in Frankreich sehr bekannt sein. Ich kenne die Geschichte noch nicht, habe aber schon von Monsieur Pierre Loti gehört, der unter seinem richtigen Namen, nämlich Julien Viaud, ein früher Vorgänger von Victor war, ich meine damit, dass Monsieur Viaud ebenfalls als Militär hier auf der Insel stationiert war. Ich soll sein Buch lesen, damit ich noch mehr von dem Geist erfahre, der hier auf der Insel herrscht.
Papeete, 10. Dezember 1896
Die Weihnachtsgrüße von Aliette sind ein paar Tage zu früh eingetroffen, aber wir haben ja zumindest schon die Weihnachtszeit, auch wenn hier in den Tropen keine rechte Stimmung aufkommen will. Aliette sieht es genauso. Ich habe mit Victor über eine Reise nach Tutuila gesprochen, es sind doch mehr als zweitausend Kilometer über See, mit dem Dampfschiff eine Reise von mehr als einer Woche. Die Jérôme würde sogar noch länger brauchen. Mit dem Dampfschiff eine Woche hin, eine Woche zurück und eine Woche bei Aliette auf Tutuila und dann fährt das Schiff nicht regelmäßig, sodass diese Reise gut vier Wochen dauert. Ich habe auf der Karte nachgesehen, es gibt auch keinen Ort zwischen Tutuila und Tahiti, auf dem wir uns treffen könnten. Dieser Gedanke ist aber Unsinn, denn ich will ja sehen, wie Aliette lebt.
Papeete, 14. Dezember 1896
Ich habe schon begonnen, das Buch »Rarahu« zu lesen. Von Pierre Loti wird ganz zu Beginn behauptet, dass er Engländer sei. Julien Viaud nennt sich dort Pierre Loti und ist in seinem Roman ein geborener Harry Grant, recht verwirrend. Die Beschreibung von Rarahu ist sehr zutreffend für die jungen Mädchen hier auf Tahiti, die Tätowierungen, das wunderschöne schwarze Haar und die ebenmäßigen Gesichtszüge. Dann scheint Monsieur Viauds Bericht auch sonst sehr authentisch zu sein, denn er schreibt von einer Königin Pomaré, die es tatsächlich hier auf Tahiti gegeben hat und die erst vor wenigen Jahren gestorben ist.
Papeete, 28. Dezember 1896
Kurz nach Weihnachten ist auch noch ein Brief von der lieben Jeanette eingetroffen. Ihr Schwiegervater will sich aus dem Beruf zurückziehen, sodass ihr Mann die Verantwortung für die Bäckerei erhält. Es soll jetzt auch noch ein zweites Geschäft eröffnet werden. Es sind Neuerungen, die Jeanettes Mann bisher nicht durchsetzen konnte. Dann gab es noch eine viel schönere Nachricht. Jeanette ist wieder schwanger, das Kind soll im Juni zur Welt kommen. Ich freue mich für sie.
1897
Papeete, 14. Januar 1897
Im letzten Jahr musste Victor schon einmal auf die Marquesas. Eine solche Reise steht in den nächsten Monaten erneut an, diesmal wohl für länger. Es wurde noch kein Termin genannt. Wir haben ernsthaft darüber gesprochen, dass die Kinder und ich mitfahren. Für zwei oder drei Wochen würde es nicht lohnen, aber für zwei oder drei Monate käme es schon in Betracht. Wir werden sehen.
Papeete, 20. Januar 1897
Die Inseln der Marquesas sind in meinen Blick geraten, in meinen geografischen Blick. Im Hafen habe ich mitbekommen, wie ein Frachter von der Insel Nuku Hiva entladen wurde. Seine Fracht bestand aus Kopra und getrockneten Seegurken, hier besser bekannt als Trepang. Das Kopra ist mir als wichtiges Handelsgut ja schon vertraut. Auf den Inseln der Marquesas soll es die beste Qualität haben. Diese Waren kommen nicht nur von Nuku Hiva, sondern auch von anderen Inseln. Ich habe mir das Seegebiet von dem Frachterkapitän zeigen lassen. Ich habe vierzehn Inselchen gezählt. Zu den größeren gehören noch Tauhata, Fatu Hiva, Oa Pou und Ua Huka. Dann habe ich noch gelernt, dass es eigentlich ganz gut ist, wenn Victor allein auf die Marquesas reist, denn die Inseln werden von den Einheimischen »Te Henua Kenana« genannt, »Inseln der Männer«. Ich hoffe, ich habe es richtig wiedergegeben. Es war natürlich ein Scherz des Kapitäns und wir Frauen werden uns auch nicht davon abhalten lassen, Victor zu begleiten.
Papeete, 30. Januar 1897
Morgen früh unternehmen Victor und ich auf der Jérôme eine weite Reise. Es geht aber noch nicht nach Nuku Hiva. Ich werde endlich Bora Bora kennenlernen.
Papeete, 5. Februar 1897
Heute Morgen haben wir Bora Bora verlassen. Erlebnisreiche Tage liegen hinter mir. Ich habe viele Inseln, wunderschöne Strände und dschungelbewaldete Berge gesehen. Nach einer Tagesreise haben wir als erstes Huahine erreicht. Es ist eine Doppelinsel, fast so wie Tahiti, aber viel, viel kleiner. Wir haben Huahine halb umrundet, sind aber nicht an Land gegangen. Während Huahine hinter uns verschwand, tauchten Tahaa und Raiatea am Horizont auf. Es sind zwei Inseln, die aber auch so dicht beieinanderliegen, dass man nach ihnen greifen möchte, wenn man in den Korallengürtel eindringt und die Fahrrinne zwischen ihnen passiert. Auch hier gab es keinen Landgang und darum haben wir die Ankunft auf Bora Bora ersehnt. Bora Bora ist sehr ungewöhnlich. Im Nordosten gibt es einen schmalen Landgürtel, der im Süden und Westen in das Korallenriff übergeht. Im Inneren findet man dann eine große Lagune und mittendrin die Hauptinsel. Die Jérôme hat bei der Siedlung Vaitape geankert. Victor und ich sind in ein Kanu umgestiegen und wurden zu einer Bucht gerudert, die ganz einsam lag. Nachdem man uns alleine gelassen hat, sind wir in der Lagune baden gegangen. Es war wirklich die schönste Erholung, endlich für sich zu sein. Am nächsten Tag habe ich mich in Vaitape umgesehen, während Victor in der Kommandantur zu tun hatte. Bora Bora sollte aber nicht unser letztes Ziel sein. Gut fünfzig Seemeilen weiter westlich liegt Maupiti. Selbst dort hat die Marine einen Stützpunkt. Wir sind bis zum Anbruch der Nacht geblieben und dann zurück nach Bora Bora gesegelt.
Papeete, 11. Februar 1897
Ein Brief von Anne teilt mir ein Geheimnis mit. Sie ist schwanger, erwartet ein Kind, und zwar von dem Mann, dessen Namen ich noch immer nicht kenne. Anne ist glücklich, aber auch besorgt. Die Eltern wissen es noch nicht, noch lässt es sich verheimlichen. Den Brief hat Anne vor acht Wochen geschrieben, jetzt wird es irgendwann kein Geheimnis mehr sein. Ich habe Victor davon erzählt, er hat nach dem Vater gefragt und ich habe ihm wahrheitsgemäß geantwortet, dass ich es nicht wisse. Ich habe ihm dann noch von den ganzen Umständen erzählt, dass Annes Liebhaber verheiratet ist, dass seine Frau erst vor Kurzem selbst ein Kind bekommen hat und all dies. Ich weiß jetzt leider nicht, was ich Anne zurückschreiben soll. In meinem letzten Brief habe ich ihr einen Rat gegeben, der jetzt hinfällig ist. Was nützen Vorwürfe, ich werde ihr dann doch eher Mut machen und ihr Glück wünschen. Dann ist mir noch kurz bewusstgeworden, wer in diesen Wochen und Monaten alles ein Kind erwartet, neben Anne ja auch Aliette und Jeanette. Vielleicht ist es ein Zeichen, ein Zeichen für mich und Victor.
Papeete, 27. Februar 1897
In Monsieur Viauds Buch habe ich eine Königin mit einem König verwechselt. Fanaa hat mich aufgeklärt. Pomaré IV. war ganz richtig eine Königin, sie ist aber schon vor zwanzig Jahren gestorben und an ihre Stelle ist ihr Sohn Pomaré V. getreten. Mutter und Sohn hatten also den gleichen Namen, es ist der traditionelle Name der tahitianischen Monarchen. Pomaré V. ist jener Herrscher, der vier Jahre vor unserer Ankunft als letzter wahrer König Polynesiens gestorben ist.
Papeete, 8. März