I Ging. Andrea Seidl

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I Ging - Andrea Seidl

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beiden Pole des Lebens Yin und Yang sind grundverschieden und dennoch keine Gegensätze, wie unser dualistisches Denken uns leicht weismachen könnte. Zwischen ihnen besteht kein Konkurrenzverhältnis, sondern eine Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit. Sie befruchten und ergänzen sich, sie sind wie die untrennbaren beiden Seiten einer Medaille. Beide sind bereits ineinander enthalten. Sie sind ja nichts Absolutes, sondern grundsätzlich relativ: etwas ist yin oder yang in Bezug auf etwas anderes. Der Mann ist yang im Vergleich zur Frau. Sein Körper ist yin im Kontrast zu seinem Intellekt. Seine Körperoberfläche ist wiederum yang bezüglich des Körperinneren, usw. Wie es im Tai Chi-Symbol dargestellt ist, birgt das Yin den Keim des Yang in sich und umgekehrt. Der Mann trägt die Frau in sich, die Frau den Mann. Sie ziehen einander magnetisch an, weil sie den gegenseitigen Ausgleich brauchen. Ein starkes Yin weckt das Yang; je stärker das Yang, umso mehr verlangt es nach Yin. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung kippt jeder Pol in den jeweils anderen. So sorgen die Gesetze der Zeit für eine alchimistische Transformation: Yin verwandelt Yang, Yang verwandelt Yin - der Tag wird zur Nacht und die Nacht wieder zum Tag… Die Summe der möglichen Transformationsmuster ist in den 64 Hexagrammen wie auf einer qualitativen Zeittafel festgehalten.

      Das älteste Bild zur Illustration der beiden Urkräfte zeigt einen Berg mit seiner sonnigen (yang) und seiner schattigen (yin) Seite. In der graphischen Darstellung wird Yang als geschlossene, durchgezogene Linie mit phallischen Charakter gezeichnet, während die durchbrochene und damit offene Linie zum Symbol des Yin wird.

      Zum männlichen Yang gehören die Eigenschaften: Licht, Himmel, Tag, Sonne, Inhalt, Anfang, Ausdehnung, aktiv, schöpferisch, rational, bewusst, vorantreibend, Willenskraft, beharrlich, trocken, hart, plus, geistig …

      Zum weiblichen Yin gehören: Dunkelheit, Erde, Nacht, Mond, Form, Ende, spüren, Kontraktion, passiv, rezeptiv, Ruhe, unbewusst, geschehen lassen, feucht, weich, nachgiebig, sanft, bescheiden, minus, materiell …

      Diese beiden Pole sind einander völlig ebenbürtig. Allerdings klingt bei der Aufzählung der zugeordneten Begriffe unterschwellig schon an, was wir heute im Alltag ständig erleben: Yang scheint irgendwie besser zu sein als Yin, aktiv scheint besser zu sein als passiv, plus besser als minus, handeln besser als geschehen lassen – oder? …

      Solche Bewertungen sind dem Kosmos fremd. Und wenn man weiß, dass die chinesische Medizin die Ursache aller Pathologien darin sieht, dass Yin und Yang nicht im Gleichgewicht sind, versteht man die Krankheit unserer Welt.

      Das Orakel

      Orakelmethoden wie das Tarot oder das I Ging befinden sich heutzutage in einem merkwürdigen Spannungsfeld. Zum einen werden sie auf oberflächlichstem Niveau als esoterische Spielerei vermarktet. Im anderen Extrem werden sie als abergläubischer Unsinn abgewertet und verlacht. Dabei gehen beide Haltungen an der Wahrheit vorbei - die der abgehobenen Träumer ebenso wie die der abgeklärten Rationalisten. Die Wirklichkeit hat eine geheimnisvolle, mystische Dimension, die nur erspüren kann, wer sich wirklich darauf einlässt, wer sich nicht mit den vorgefertigten bequemen Antworten des Mainstream-Wissens zufrieden gibt, sondern beharrlich weiterfragt, um eigene Wahrheiten zu entdecken.

      Es ist eine alte Weisheit, dass spirituelles Wissen sich selbst geheim hält. Es eröffnet sich nur dem, der bereit ist, an sich zu arbeiten, der bereit ist, zu zweifeln wie auch zu vertrauen. Nur in der Praxis können wir herausfinden, dass Orakel funktionieren. Allerdings darf man auf diesem spirituellen Weg nicht mit der Anerkennung anderer rechnen. Dem ernsthaften Orakelanwender aber kann eine viel tiefere Befriedigung zuteil werden: die bewegende Begegnung mit einer höheren Intelligenz, die uns in die Gesetze des Lebens einweiht…

      Synchronizität und Zufall

      Ein jegliches hat seine Zeit,

      und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde…

      (Prediger Salomo)

      Alles ist stetig in Bewegung, alles fließt. Nichts ist gewiss, außer dem Wandel. Dieser Grundgedanke zeigt die überragende Bedeutung der Zeit im chinesischen Denken. Wir sind daran gewöhnt, Zeit quantitativ zu betrachten, ihr qualitativer Aspekt ist uns unvertraut. Die alten Griechen waren sich dieser Unterscheidung noch bewusst. Sie nannten die mess- und berechenbare Zeit „Chronos“ und gebrauchten den Begriff „Kairos“ um auszudrücken, dass die Zeit auch eine Bedeutungsdimension hat - dass in dem, was uns zeitgemäß „zufällt“, ein Sinn liegt. Nur, wer im Einklang mit der Zeit ist, wer also das Gebot der Stunde erfüllt, kann den Kairos - die Gelegenheit – nutzen. Und wir alle wissen aus unserer Erfahrung: wenn der Moment nicht stimmt, können wir uns noch so sehr anstrengen, wir werden doch scheitern.

      C.G. Jung hat für dieses Phänomen den Begriff der „Synchronizität“ (Gleichzeitigkeit) geprägt. Er erkannte, dass jenseits der kausalen Verbindung von Ursache und Wirkung ein anderer, sinnhafter Zusammenhang wirkt, dass Zufälle höchst bedeutsam sein können. Im Zu-Fall ist ein perfektes Timing am Werk, das dafür sorgt, dass sich die Dinge in einer unglaublichen Weise anordnen, um ein bestimmtes Ergebnis hervorzubringen. Diese Synchronisierung innerer und äußerer, subjektiver und objektiver, seelischer und materieller Prozesse sprengt unser rationales Weltbild. Sie lässt uns ahnen, dass eine transzendente Macht, eine übergeordnete Gesetzmäßigkeit am Werk ist, die unser begrenzter Verstand nicht fassen kann.

      Diese Vorstellung ist vielen Menschen allerdings unbehaglich. So setzen sie auf die Illusion, die Kontrolle über ihr Leben läge in ihren eigenen Händen, auch wenn die Wirklichkeit ihnen immer wieder das Gegenteil beweist. Sie meiden ängstlich alle Risiken und halten sich an das, was aus ihrem beschränkten Blickwinkel Gewissheit verspricht. Doch wenn das Sicherheitsdenken zur Grundmelodie des Lebens wird, geht es auf Kosten von Lebendigkeit und persönlichem Wachstum.

      Grundannahmen

      Wer mit Orakeln arbeitet, geht von bestimmten Grundannahmen aus, die von der Mentalität des rationalen Zeitgeistes deutlich abweichen. Wie es das Wesen aller Axiome ist, lassen sich auch diese nicht beweisen. Je mehr Erfahrung wir allerdings mit dem I Ging haben, desto mehr werden sie sich bestätigen, so dass wir mit der Zeit die Zweifel verlieren und einen Zustand subjektiven „Wissens“ erlangen.

      Wir Menschen existieren auf zwei Wirklichkeitsebenen: im materiellen Diesseits wie im transzendenten Jenseits.

      Unsere Identität reduziert sich nicht auf bewusstseinsbegabte, aber vergängliche Körperlichkeit - wir sind in Wahrheit unbegrenzte spirituelle Wesen, die eine Erfahrung in der materiellen Welt machen.

      Auf dem Weg über das Orakel können wir mit der jenseitigen Dimension Kontakt aufnehmen.

      Frühere Generationen siedelten die höhere Weisheit außerhalb von uns an – „im Himmel“, wie es im I Ging oft heißt. Heute gehen wir eher davon aus, dass unser Unbewusstes ungeahnte Dimensionen hat, die bis zum Göttlichen reichen. Indem wir dem I Ging Fragen stellen, kommen wir in Berührung mit einer überragenden Intelligenz, die uns Antworten für unser irdisches Leben gibt, Antworten, die die Reichweite unseres persönlichen Denkens bei weitem überschreiten.

      Die Antworten des Orakels entsprechen der Wahrheit, auch wenn sie nicht rational überprüfbar sind.

      Orakel irren sich nicht, sie offenbaren die Wirklichkeit. Dabei sind ihre Antworten oft überraschend: Sie weisen uns auf Aspekte hin, die wir selbst übersehen haben, und erweitern und korrigieren damit unseren beschränkten Horizont. Allerdings sind Orakelantworten häufig mehrdeutig und können deshalb von unserem Ego, das manches hören will und anderes nicht, missverstanden werden.

      Orakel betrachten den

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