Die Namenlosen. Уилки Коллинз

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Die Namenlosen - Уилки Коллинз

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sind von einer bemerkenswerten Charakterfestigkeit. Wenn wir sagen, Mr. Soundso wird in jedem Fall die Rolle des Falkland spielen, dann meinen wir es auch so. Komm’ rein, ich werde dich vorstellen.“

      „Aber ich habe noch nie Theater gespielt. Ich weiß nicht, wie man das macht.“

      „Das ist nicht von der geringsten Bedeutung. Wenn du nicht weißt, wie man es macht, komm’ zu mir und ich bringe es dir bei.“

      „Du!“, rief Mr. Vanstone. „Was verstehst du denn davon?“

      „Bitte, Papa, im Ernst! Ich habe die stärkste innere Überzeugung, dass ich in dem Stück jede Rolle spielen könnte – auch den Falkland. Ich möchte es nicht noch einmal sagen, Frank. Komm’ mit, ich stelle dich vor!“

      Sie nahm den Arm ihres Vaters und ging mit ihm zur Tür des Gewächshauses. Auf der Schwelle drehte sie sich um und wollte sehen, ob Frank ihnen folgte. Es war nur die Handlung eines Augenblicks, aber in diesem Augenblick mobilisierte ihre natürliche Willensstärke alle ihre Kräfte – sie stärkte sich mit dem Einfluss ihrer Schönheit – befehligte – und eroberte. Sie sah reizend aus: Das Rot ihrer Wangen war von einer zarten Helligkeit; die helle Freude leuchtete und glitzerte in ihren Augen; die Haltung ihrer Gestalt, die sich plötzlich von der Taille aufwärts umdrehte, offenbarte ihre zarte Kraft, ihre geschmeidige Festigkeit, ihre verführerische, schlangengleiche Anmut. „Komm!“, sagte sie mit einer kokett auffordernden Kopfbewegung. „Komm, Frank!“

      Die wenigsten Männer von vierzig Jahren hätten ihr in diesem Augenblick widerstehen können. Franks letzter Geburtstag war sein zwanzigster gewesen. Mit anderen Worten: Er warf die Zigarre weg und verließ hinter ihr das Gewächshaus.

      Als er sich umdrehte und die Tür schloss – und Magdalen für einen Moment aus den Augen verlor –, lebte seine Abneigung gegen eine Mitwirkung an privaten Theatervorstellungen wieder auf. Am Fuß der Treppe zum Haus blieb er stehen, pflückte von einer Pflanze in der Nähe einen Zweig, zerbrach ihn in der Hand und blickte unbehaglich um sich herum von einer Seite zur anderen. Der Pfad zur Linken führte zurück zum Haus seines Vaters – der Fluchtweg stand ihm offen. Warum schlug er ihn nicht ein?

      Während er noch zögerte, hatten Mr. Vanstone und seine Tochter die oberste Stufe erreicht. Wieder blickte Magdalen sich um – blickte sich um mit ihrer unwiderstehlichen Schönheit, ihrem alles erobernden Lächeln. Wieder winkte sie ihm; und wieder folgte er ihr – die Stufen hinauf und über die Türschwelle. Hinter ihnen schloss sich die Tür.

      Es war nur eine nichtssagende Geste der Einladung auf der einen Seite und ein nichtssagender Akt der Gehorsams auf der anderen: So schlugen sie – auf seiner Seite ohne jedes Wissen über das Geheimnis, das sich immer noch hinter der Reise nach London verbarg, auf ihrer ohne einen Gedanken daran – den Weg ein, der zur Aufdeckung des Geheimnisses führen sollte. Aber er sollte eine noch viel dunklere Wendung nehmen.

      Mr. Vanstones Erkundigungen über die vorgesehene Theaterunterhaltung in Evergreen Lodge wurden mit einer Erzählung über dramatische Katastrophen beantwortet. Darin verkörperte Miss Marrable die unschuldige Ursache, ihr Vater und ihre Mutter spielten die Rollen der wichtigsten Opfer.

      Miss Marrable gehörte zu den schlimmsten geborenen Tyrannen: Sie war ein Einzelkind. Ihren unterdrückten Eltern hatte sie kein ihnen zustehendes Privileg mehr eingeräumt, seit ihr erster Zahn durchgebrochen war. Jetzt stand ihr siebzehnter Geburtstag dicht bevor; sie hatte sich entschlossen, ihn mit der Aufführung eines Theaterstücks zu feiern und die entsprechenden Anweisungen gegeben; und ihre gefügigen Eltern hatten ihr wie üblich unausgesprochen gehorcht. Mrs. Marrable hatte das Wohnzimmer verloren gegeben, damit es durch eine Bühne und Zuschauersitze verwüstet werden konnte. Mr. Marrable hatte sich der Dienste einer angesehenen professionellen Person versichert, die mit den jungen Damen und Herren üben sollte und auch alle anderen Aufgaben übernahm, die sich mit der Schaffung einer dramatischen Welt aus häuslichem Chaos verbanden. Nachdem diejenigen, die dem Namen nach Hausherr und Hausherrin waren, sich außerdem daran gewöhnt hatten, dass Möbel zu Bruch gingen und die Wände verschmutzt wurden – an Rumpeln, Fallen, Hämmern und Schreien; an ständig knallende Türen und unaufhörlich treppauf-trepp­ab laufende Schritte –, glaubten sie, die hauptsächliche Unbill sei nun vorüber. Welch unschuldige, fatale Täuschung! Im privaten Kreis die Bühne aufzubauen und das Stück auszuwählen, ist das eine; ganz etwas anderes ist es aber, die Mitwirkenden zu finden. Bisher hatten sich in Evergreen Lodge nur die kleinen Unannehmlichkeiten gezeigt, die der Gelegenheit entsprachen. Aber Krach und ernsthafte Probleme sollten noch folgen.

      Nachdem man das Stück „Die Rivalen“ ausgewählt hatte, nahm Miss Marrable ganz selbstverständlich für sich die Rolle der „Lydia Languish“ in Anspruch. Einer ihrer Lieblingsverehrer sicherte sich den „Captain Absolute“, und ein anderer riss sehr energisch den „Sir Lucius O’Trigger“ an sich. Auf diese beiden folgte eine entgegenkommende blaustrümpfige Verwandte, die die schwere dramatische Bürde der „Mrs. Malaprop“ auf sich nahm. Jetzt aber geriet der theatralische Fortgang ins Stocken. Neun weitere Sprechrollen waren noch mit Schauspielern auszustatten; und mit dieser unausweichlichen Notwendigkeit begannen die Verwicklungen.

      Alle Freunde der Familie verwandelten sich plötzlich zum ersten Mal in ihrem Leben in unzuverlässige Menschen. Nachdem sie die Idee mit dem Theaterstück zunächst unterstützt hatten, lehnten sie das persönliche Opfer, darin mitzuspielen, ab – oder sie übernahmen Rollen, scheiterten aber in ihren Bemühungen, sie zu lernen; oder sie erklärten sich zur Übernahme von Rollen bereit, von denen sie wussten, dass sie schon vergeben waren, lehnten aber diejenigen ab, die noch auf eine Besetzung warteten; oder sie litten unter einer schwachen Konstitution und wurden boshafterweise krank, wenn sie bei den Proben gebraucht wurden; oder sie hatten puritanische Angehörige, und nachdem sie am Anfang der Woche fröhlich ihre Rollen übernommen hatten, zogen sie sich am Wochenende reumütig und unter dem Druck ihrer Familie wieder zurück. Gleichzeitig hämmerten die Schreiner, und das Bühnenbild wuchs. Miss Marrable, die ein empfindsames Temperament hatte, wurde unter der Belastung der ständigen Angst hysterisch; der Hausarzt lehnte jede Verantwortung für die nervlichen Folgen ab, wenn nicht alles nach ihren Wünschen getan wurde. Erneut unternahm man Anstrengungen in alle Richtungen. Man suchte Schauspieler und Schauspielerinnen in verzweifelter Miss­achtung aller Überlegungen bezüglich der persönlichen Eignung. Aus der Not, die – im Drama und außerhalb davon – kein Gebot kennt, wurde ein achtzehnjähriger Bursche in der Rolle des „Sir Anthony Absolute“ angenommen; wobei der Schauspieldirektor es übernahm, die notwendigen Gesichtsfalten aus den unendlichen Quellen der Theaterkunst beizusteuern. Eine Dame unbekannten Alters mit stämmigem Äußerem, die aber das Herz auf dem rechten Fleck hatte, meldete sich freiwillig für die Rolle der sentimentalen „Julia“ und brachte als dramatische Qualifikation ihre Gewohnheit mit, auch im Privatleben eine Perücke zu tragen. Dank derart energischer Maßnahmen war das Stück am Ende mit allen erforderlichen Darstellern ausgestattet – immer mit Ausnahme der beiden nicht zu beherrschenden Rollen: die Kammerzofe „Lucy“ und „Falkland“, Julias eifersüchtiger Liebhaber. Herren kamen, sahen Julia bei der Probe, beobachteten ihre stämmige Erscheinung und die Perücke, versäumten zu bemerken, dass sie das Herz am rechten Fleck hatte, und zogen sich zurück. Damen lasen die Rolle der „Lucy“ und merkten an, sie habe offensichtlich in der ersten Hälfte des Stückes einen zu großen Vorteil, während sie in der zweiten völlig verschwand; sie hatten etwas dagegen, auf diese Weise der Aufmerksamkeit des Publikums zu entgehen, während alle anderen die Chance hatten, sich bis zum Ende hervorzutun; also klappten sie das Buch zu, entschuldigten sich und zogen sich zurück. In acht Tagen sollte der Abend der Aufführung da sein; eine zweihundertköpfige Phalanx gesellschaftlicher Märtyrer war zusammengekommen, um ihr beizuwohnen; drei vollständige Proben waren unbedingt notwendig; und zwei Rollen in dem Stück waren noch nicht besetzt. Mit dieser beklagenswerten Geschichte und den demütigsten Entschuldigungen, weil sie auf eine so entfernte Bekanntschaft zurückgegriffen hatten, erschienen die

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