Steintränen. Manja Gautschi
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Irgendwann resignierten die meisten und vermieden es, je wieder Zeit in Abteilung 3 zu verbringen, was natürlich nicht allen gelang, weshalb es an Besuchern in Abteilung 3 stets nicht mangelte. Schliesslich war Sarg Endstation und Auffangbecken aller abgeschobenen schwer umgänglichen Sträflingen des Terra Sonnensystems.
Zylin Sa hatte bisher als Einziger einen Stammplatz in Abteilung 3 erhalten. Vor ein paar Jahren hatten der Direktor Paul Hashimi-Ska und sein Sicherheitsleiter Martin Herren beschlossen, Sa weder in die Abteilung 1 noch in die 2 zurückzuverlegen, sondern in Abteilung 3 zu belassen. Denn kaum war er jeweils draussen, vergingen maximal drei bis vier Tage und Martin musste ihn wieder einkassieren. In der Regel nicht ohne ein oder mehrere Patienten bei André, dem Gefängnisarzt, abzuliefern. Wärter oder Mitgefangene, je nachdem, was gerade das Problem gewesen war. „Ich bin kein dressierbarer Hund.“ meinte Zylin und „Ich werde keinen Regeln folgen, denen ich nicht folgen will. Also vergiss es.“ war einst seine Antwort auf Martins Frage, warum er sich nicht wie die anderen einfach dem Tagesablauf der Anstalt fügen könne, sei ja nicht so schwer. Zylin hingegen wollte essen oder zurück in die Zelle wann er mochte, wenn das Martin nicht passe, sei das sein Problem, er habe den Tagesablauf nicht gemacht. Oder einer der Mitinsassen hatte es eine gute Idee gefunden, den grossen Typen mit den langen Haaren, aus irgendeinem Grund blöd anzumachen.
Mit Zylin in Abteilung 3 hielten sich nun zumindest die Turbulenzen im Rahmen und Kollateralschaden wurde zum Grössten Teil vermieden. Auch für Zylin war diese Lösung zwar die mit Abstand unbequemste, aber die ruhigste. Mehr oder weniger hatte er seine Ruhe, war für sich. Mit Ausnahmen von heute. Und darum wollte Martin noch selbst mit Zylin sprechen. Er wollte wissen, was seinen Schützling so aufgewühlt hatte.
„Was soll ich nur mit dir machen?“ begann Martin das Gespräch. „Dich zur Strafe für ein paar Tage hier einsperren?“ fragte er sarkastisch.
Ohne den Blick vom Boden zu nehmen antwortete Zylin „Spar dir deinen Sarkasmus, Martin. Mit ist nicht nach Spassen zumute.“ Martin lächelte „Das weiss ich doch. Ist es dir nie, Zylin.“ Martin sah sich um. War wirklich alles wieder sauber. Ausser Zylin selbst. Seine Kleidung verblutet, die Wunde am Hals und eine von Blut verklebte Kopfwunde.
„Weißt du“ nahm Martin das Gespräch wieder auf „ich habe das Gespräch mit deinem Besuch mitverfolgt und frage mich: Warum nur hast du das Angebot abgelehnt? Du kannst nicht ernsthaft hierbleiben wollen? Also wenn ich dich“ „Martin, lass es. Hör auf drum herum zu reden und stell deine Fragen.“ „Naja, eigentlich dachte ich, das eben war eine Frage.“ Martin hielt inne, überlegte „Ah schon klar. Du findest, ich wüsste die Antwort darauf schon selbst.“ Martin kratzte sich am Kopf „Vermutlich hast Du Recht: Du ordnest dich hier nicht unter, dann tust du es bei denen auch nicht.“ Martin nickte mit dem Kopf „Konsequent, muss ich dir lassen.“
Nun hob Zylin den Kopf und sah seinen Besucher mit wartendem Blick an. „Also gut“ antwortete Martin darauf „Warum ich dich sprechen wollte: Die vier verletzten Männer hätte ich gerne vermieden. Was ist schiefgelaufen? Was hat dich so aufgebracht? Hätten wir nur den Alten, diesen...äh...Dek, ja so hiess er. Hätten wir nur ihn mit dir sprechen lassen sollen ohne diesen heissblütigen Jungspund, der dich offenb..“ „Nein“ unterbrach Zylin abrupt „O.K.“ nahm Martin die Auskunft zur Kenntnis. Zylin sah nun zu Petra bei der Tür, sagte nichts weiter.
„Domic erzählte mir, was passiert ist. Fred der Trottel!“ Martin seufzte „Ganz ehrlich. Wärst du ruhig geblieben, hätte Fred nicht diese saublöde unnötige herablassende Bemerkung gemacht?“ Zylin dachte nach. War wirklich nur diese Bemerkung der Auslöser gewesen? Oder hätte er ohnehin dreingeschlagen?
Schliesslich kam er zum Schluss „Ja, vermutlich schon.“ „Vermutlich?“ wollte es Martin genau wissen. Zylin stand auf, Martin machte einen Schritt zurück, hielt Zylin das frische Hemd entgegen. Bevor es Zylin aber entgegennahm, zog er sein Blutiges aus, warf es zu Boden, sah Martin an „Ja“ wiederholte er „Ich hätte nichts getan“. Während er sich das frische Hemd über den Kopf zog „Unterlass es in Zukunft Leute zu schicken, die sich ihr Selbstwertgefühl mittels dummen Bemerkungen aufpolieren wollen, weil ihnen die Freundin den Laufpass gegeben hat.“ Überrascht von dieser Auskunft beobachtete Martin wortlos, wie sich Zylin die Hose auszog, kaum hatte er das frische lange Hemd an.
In Abteilung 3 gab es nur ein weisses knielanges Hemd, keine Hose. Der Gefangene stand ja fixiert über dem Abfluss. Dafür war das Hemd so gearbeitet, dass es dem Gefangenen an- und abgezogen werden konnte, ohne ihn loszubinden.
Immer wieder überraschte Martin sein besonderer Gast mit derlei Auskünften. Martin konnte sich darauf verlassen, dass sie korrekt waren. Er konnte sich nur nicht erklären, woher Zylin diese Dinge wusste. Allein gute Beobachtung konnte es nicht sein. ‚Egal.’
„Sonst noch was?“ Zylin sah Martin an. „Nein, eigentlich nicht. Danke für deine Auskunft.“ Damit ging Zylin die paar Schritte zur Mitte der Zelle, wo Petra bereits wartete. Mischa kam gerade mit seinem Utensilien-Wägelchen durch die Tür. Kommentarlos fing Petra an, Fuss- und Handfesseln wieder anzulegen. Martin stand untätig daneben, war ja nicht seine Aufgabe.
„Und danke dafür, dass du bei mir aufgehört und mir nicht den Brustkorb zerdrückt hast.“ Zylin beobachtete Petra, die die Fussfesseln anbrachte „Red keinen Blödsinn! Du wusstest ganz genau, dass ich dir nicht ernsthaft etwas antun würde. Sonst hättest du Janus nicht abgehalten zu schiessen.“ Martin lächelte „Ja, erwischt. Aber du musst zugeben: Ist trotzdem anständig von mir.“
Mischa stand nun vor Zylin. Mischa war gut 40 Jahre alt. Schlaksig, kurzes schwarzes Haar, freundliches Gesicht und schwul. Als Soldat eigentlich völlig unbrauchbar und die meisten belächelten ihn auch bloss. Darum war er auch nicht Mitglied von Martins Sicherheitsteam der Abteilung 3, so wie Petra. Nein, Mischa hatte den eigens für ihn kreierten Posten als medizinischen Betreuungswärter inne. Gab es etwas zu erledigen, was nicht eines Arztes bedurfte, tat es Mischa. Brauchte jemand ein Pflaster oder eine Kopfwehpille stand Mischa zur Stelle. Brachte Eis für geschwollene Knöchel, kümmerte sich um die Wehwehchen der Gäste. Und er war grandios darin. Irgendwie konnte er mit allen. Flüssigkeitszugang und Magensonde in