Auf ihren Spuren. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Auf ihren Spuren - Sabine von der Wellen страница 16
Es scheint fast so, als hätte Michelle eine Pinnwand geplündert.
Ob sie wohl froh ist, das ganze Reich jetzt für sich zu haben, ohne dass ihr jemand hineinredet? Naja, außer diesem Marco vielleicht. Sie scheint ihn nicht sonderlich zu mögen. Obwohl … es muss mal anders gewesen sein. Schließlich ist er ihr Exfreund.
Ich bin wirklich gespannt auf den Typ.
Auf den Zetteln finde ich erneut nichts, womit ich etwas anfangen kann. Aber alle mit irgendwelchen Nummern lege ich beiseite, um sie am Tresor auszuprobieren. Das war mir so geschossen, als ich sie durchsah.
Und Mamas Adressbuch scheint noch aus grauen Vorzeiten zu stammen. Oma und Opas Nummer steht da noch drin, obwohl die schon seit Jahren tot sind. Außerdem meine aller erste Handynummer. Also alles alter Kaffee. Und einen Marco gibt es gar nicht. Auch keine Michelle.
Ich werfe alles in die Kiste zurück und nehme einen der Kugelschreiber in die Hand. Die hatte Mama bestimmt schon zum Schreiben benutzt.
„Ich habe Kuchen!“
Ich schrecke so heftig zusammen, dass mir fast die Kiste herunterfällt.
Katja grinst mich an und hält ein unförmiges Paket in der Hand. „Ist bestimmt noch lecker.“
Noch lecker? Hat sie die aus irgendeiner Mülltonne geholt?
Aber ihrem Lächeln kann ich natürlich nicht wiederstehen … und auch nicht dem Gefühl, etwas gegen den rumorenden Hunger in meinem Bauch tun zu können. Darum stelle ich die Kiste in den Schrank zurück und folge ihr.
Während sie den Tisch deckt, fragt sie: „Was hast du da eigentlich Wichtiges in dem Schrank, dass er immer abgeschlossen ist.“
Ich starre sie fassungslos an. „Warst du in meinem Zimmer und hast herumspioniert?“
„Ach nein. Ich habe nur unsere Haarbürste gesucht.“
Unsere Haarbürste? Das ist meine Haarbürste, die ich von Mama geschenkt bekam, weil ich nur damit meine vollen, welligen Haare etwas gebändigt bekomme. Und die ist bestimmt nicht in meinem Schrank zu finden, sondern liegt in meinem Regalteil im Badezimmer.
Ich will Katja gerade wütend zusammenstauchen, als sie mit der Hand über meine Wange streicht. „Ich würde nie etwas tun, was dich verärgert.“ Ihr Augenaufschlag dazu ist mittlerweile legendär und das nimmt mir die Möglichkeit, sie richtig zusammenzufalten. Vielleicht, wenn Timo und Manuel da wären, dann würde ich jetzt ausrasten. Aber mit Katja allein … da fehlt mir die Motivation, um den grimmigen und sie verachtenden WG Mitbewohner zu mimen, den ich da gerne raushängen lasse.
Katja geht in die Küche und holt für uns Milch. Der Saft ist alle und der Tee auch. Kaffee gibt es auch schon länger nicht mehr. Ich war einfach in der letzten Zeit zu aufgedreht und ruhelos, um ans Einkaufen zu denken. Und scheinbar tut das auch kein anderer hier, oder eine andere, obwohl jeder dafür zu sorgen hat, dass wir versorgt sind.
Katja schüttet uns die Gläser voll Milch, was heißt, dass es nun auch keine Milch mehr gibt. Dabei lächelt sie versonnen. Dann setzt sie sich endlich und reißt das Papier auf, das den Kuchen umspannt. „Oh, schön. Plundergebäck mit Pudding und Pfirsichen“, sagt sie, als wäre sie darüber überrascht. „Ich hoffe, du magst Pfirsiche. Die sind so schön süß und saftig“, säuselt sie den letzten Satz und beugt sich zu mir rüber, was mir ihre Oberweite näherbringt, die sich aus ihrem tiefgeschnittenen T-Shirt drängt.
Ich lege meinen Zeigefinger an ihre Stirn und drücke sie zurück auf ihren Platz.
Grinsend zieht Katja ihren Arm unter ihren Brüsten weg, was alles wieder in Normalposition bringt und zieht den Pappteller mit dem Kuchen zu sicher heran.
Ich kann nicht umhin mir diesen Wechsel von super wow Brüsten zu immer noch wow Brüsten anzusehen. Es fällt auch schwer, den Blick von diesem Dekolleté zu nehmen, als mir ein Teller mit einem der Kuchenteile vor die Nase geschoben wird.
„Ich weiß gar nicht, wie man sowas unbeachtet in einem Fahrradkorb liegenlassen kann?“, fragt sich Katja gerade, als ich herzhaft in das Puddingteil beiße. Ich verschlucke mich fast.
„Hast du die geklaut?“, rufe ich entrüstet und mit vollem Mund.
„Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man mit vollem Mund nicht spricht!“, murrt Katja, weil ihr wohl klar wird, dass ich ihren Ausspruch richtig interpretiere.
Ich funkele sie wütend an und sie mich. „Lass meine Mama da raus!“, zische ich.
„Und du mach mich nicht immer so blöde an, wenn ich schon dafür sorge, dass es etwas Essbares im Haus gibt.“
„Wie wäre es mal mit normalem Einkaufen?“, fauche ich zurück und springe auf, dass es den Stuhl kreischend verschiebt.
„Dann gib mir Geld!“, zischt Katja entrüstet zurück und ihre schönen, braunen Augen bekommen einen Raubkatzenblick.
Ich starre sie fassungslos an. Jetzt will sie auch noch Geld von mir! Ihr reicht nicht, dass ich ihren Wohnanteil zahle, ganz zu schweigen von ihrem Unkostenbeitrag. Jetzt will sie tatsächlich auch noch Bares von mir!
Ich greife mir den Teller mit dem Kuchen, weil er einfach zu lecker schmeckt und ich Hunger habe, und gehe in mein Zimmer. Die Tür laut zuknallend, will ich einfach nur meiner eigenen Fassungslosigkeit und Katjas Wut entfliehen. Letzteres verstört mich etwas. Ich will eigentlich nicht, dass sie wütend auf mich ist. Aber sie muss doch einsehen, dass ich im Recht bin.
Aber ich beschließe, wenn ich mich etwas beruhigt habe und der Kuchen in meinem hungrigen Magen für Ruhe sorgt, wirklich loszugehen, um etwas einzukaufen.
Als ich keine zehn Minuten später aus meinem Zimmer trete, hockt Katja immer noch am Tisch. Sie sieht auf und mich direkt an. Dabei wischt sie sich schnell die Wangen trocken.
Mich trifft das, wie der Tritt eines Pferdes. Weint sie etwa?
„Ich will nicht, dass du immer wütend auf mich bist“, höre ich sie in dem Moment leise murmeln. „Ich versuche doch alles richtig zu machen.“
Ihre Worte machen mich erneut fassungslos und sofort regt sich etwas in mir und will ihr sagen, dass alles in Ordnung ist und sie nicht weinen muss … und ich gar nicht mehr wütend bin. Irgendwie will ich ihr diese Traurigkeit aus dem Gesicht nehmen. Ich will, dass sie glücklich ist und lächelt.
Aber ich murmele nur unbeholfen: „Ich gehe eben etwas einkaufen.“
Erneut putzt Katja sich die Tränen von der Wange und erwidert mit einem leichten Anflug eines Leuchtens in den Augen: „Das ist gut. Es tut mir wirklich leid, dass ich so wenig beitragen kann.“
Timo und Manuel schätzen ihren Beitrag bestimmt nicht als gering ein.
Ich winke ab.
„Aber ich könnte tragen helfen“, ruft Katja mit neuer Kraft in der Stimme und ich bin einen Augenblick verdutzt. Was soll das heißen? Will sie etwa mitgehen?