Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller страница 11
IV. Prüfung einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme („gestrecktes Verfahren“) 90
Prüfung der Grundmaßnahme ist erfolgt
I. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist.
1. Grundrechtseingriff
2. Zielrichtung
3. Ermächtigungsgrundlage (aus Grundmaßnahme, z. B. § 81a StPO i. V. m. §§ 57 ff. PolG NRW
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Zuständigkeit (Verweis zur Grundmaßnahme)
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Zulässigkeit des Zwangs
a) Die Eingriffsermächtigung der Grundmaßnahme enthält auch die Befugnis zum Zwang und der Anwendung des unmittelbaren Zwanges, wenn die durchzusetzende StPO-Maßnahme rechtmäßig ist
b) Rechtmäßigkeit der Grundmaßnahme
c) Grundmaßnahmen – Maßnahme wird nicht befolgt, da Adressat sich weigert
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels
– Es kommt nur die Anwendung unmittelbaren Zwanges in Betracht
3. Art und Weise der Zwangsanwendung, §§ 57 ff. PolG NRW
– Androhung (§§ 57 Abs. 1 i. V. m. 61 PolG NRW)
4. Bei Anlass: Besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
a) Fesselung (§§ 57 Abs. 1 i. V. m. 62 PolG NRW)
b) Schusswaffengebrauch (§§ 57 Abs. 1 i. V. m. 63 ff. PolG NRW)
5. Ermessen
6. Übermaßverbot
a) Geeignetheit
b) Erforderlichkeit
c) Verhältnismäßigkeit
IV. Ergebnis
V. Prüfung einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme („Sofortvollzug“)
Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme im Sofortvollzug ist vorzunehmen wie Prüfung im gestreckten Verfahren, indes mit dem Unterschied, dass hier eine fiktive strafprozessuale Grundmaßnahme zu prüfen ist.
Erläuterungen zur Prüfung einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme
zu I. Ermächtigungsgrundlage
Im Strafprozessrecht ergibt sich nach h. M. das Recht zur Vollstreckung der Eingriffsmaßnahme aus der jeweiligen StPO-Befugnisnorm selbst.91 Dass z. B. bei Maßnahmen nach der StPO überhaupt auch Zwang zur Durchsetzung in Betracht kommt, ergibt sich vor allem aus praktischen Erwägungen. Nach überwiegender Auffassung schließen die Ermächtigungsnormen der StPO daher auch die Befugnis ein, (unmittelbaren) Zwang zur Durchsetzung bzw. Ermöglichung der Maßnahme einzusetzen (z. B. bei der Entnahme von Blutproben, §§ 81a StPO).92 Diese „großzügige“ Interpretation der StPO hat vor allem historische Gründe. Die StPO ist ein vorkonstitutionelles Gesetz aus dem Jahr 1877 und kann folglich nicht den Stand heutiger Vollstreckungsgesetze aufweisen.93 Bei repressiven Befugnissen gilt noch heute sinngemäß der Rechtszustand, wie er bereits in § 89 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht formuliert war: Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann“.94
zu II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die sachliche Zuständigkeit der Polizei für die Zwangsmaßnahme ergibt sich aus deren Zuständigkeit für die (ggf. fiktive) StPO-Grundmaßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO (i. V. m. § 1 Abs. 4 PolG NRW95). Die instanzielle Zuständigkeit folgt aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW, die örtliche aus § 7 POG NRW.
zu III. Materielle Rechtmäßigkeit
Zulässigkeit des Zwangs
Die StPO enthält keine expliziten Befugnisse zur Zulässigkeit der Zwangsanwendung. Aus einer Interpretation der jeweils durchzusetzenden strafprozessualen Grundmaßnahme ergibt sich aber der Grundsatz, dass dieser die ungeschriebene Ermächtigung immanent ist, die aus ihr folgenden Duldungspflichten mittels unmittelbaren Zwangs durchzusetzen; vorausgesetzt, die StPO-Grundverfügung war rechtmäßig.96 Die Zulässigkeit der Zwangsanwendung wird auch aus einem Umkehrschluss aus § 81c Abs. 6 StPO hergeleitet: Wenn eine Zwangsanwendung im Einzelfall schon gegen Zeugen möglich ist, so muss diese auch bei einem Tatverdächtigen oder Beschuldigten möglich sein.97
Zulässigkeit des Zwangsmittels
Polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen erlegen dem Betroffenen ausschließlich Duldungspflichten auf. Handlungspflichten begründen polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen nicht, da niemand an seiner eigenen Strafverfolgung mitzuwirken braucht. Somit kommt als Zwangsmittel ausschließlich unmittelbarer Zwang in Betracht. Auch aus gesetzessystematischen Gründen kommt eine Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW) respektive Zwangsgeld (§ 53 PolG NRW) nicht in Betracht, wie sich (indirekt) aus § 57 Abs. 1 PolG NRW ergibt („… gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58–66 …“).
Art und Weise der Zwangsanwendung, §§ 57 ff. PolG NRW
Über die Art und Weise der Anwendung von unmittelbarem Zwang enthält die StPO (mit Ausnahme von § 119 Abs. 5 StPO: Fesselung in der Untersuchungshaft) keine Regelungen. Über die Brückennorm des § 57 Abs. 1 PolG NRW gelten die §§ 58–66 PolG NRW.