Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
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Wer bereits auf die äußere Form Mühe verwendet, wird im Zweifel erst den Inhalt nicht vernachlässigen („first impressions go a long way“).
Von der Form schließt man leicht auf den Inhalt. Es handelt sich um einen psychologischen Effekt. Versetzen Sie sich in einen Korrektor! Er korrigiert Ihre Arbeit in der Regel nicht aus purer Lust, sondern weil es seine Pflicht ist. Seine Grundeinstellung ist deshalb meist „leidenschaftslos“123. Die äußere Form bei juristischen Arbeiten und damit auch bei der Klausur ist ein Faktor, der sich unmittelbar oder mittelbar auf die Bewertung Ihrer Leistung auswirken kann. Eine deutliche und übersichtliche Gliederung der Klausur durch (Zwischen-)Überschriften und Absätze erleichtert dem Bearbeiter die Übersicht und dem Leser das gedankliche Folgen. Verwenden Sie ein Gliederungssystem Dies dient nicht nur der Übersichtlichkeit, es wirkt auch professionell, erleichtert das Verweisen und hilft dabei, einen logischen Aufbau einzuhalten. Ob Sie ein Gliederungsschema mit großen und kleinen Buchstaben sowie römischen und arabischen Ziffern oder eine Gliederung im Dezimalsystem verwenden, erscheint bei Klausurlösungen zweitrangig. In Betracht kommen regelmäßig die sog. Wittgensteingliederung und die traditionelle Gliederungsmethode. Bei der Wittgensteingliederung folgt der Aufbau einem rein numerischen System mathematischer Logik (1., 1.1, 1.1.1, 1.1.2 usw.). Bei der traditionellen Gliederungsmethode werden alphabetische und numerische Kennzeichnungen kombiniert. In juristischen Klausuren und Hausarbeiten überwiegt das Gliederungsschema mit folgender Struktur: A. I. 1. a) aa) (1). Um Übersichtlichkeit zu bewahren, ist darauf zu achten, dass die Untergliederung nicht zu fein erfolgt; weitere Gliederungsebenen ([a]…, [aa]…) sind daher zu vermeiden. Wichtig ist, dass jede eröffnete Gliederungsebene aus mindestens zwei Punkten besteht, dass also etwa auf ein a) auch ein b) folgt.124
Die einzelnen Gliederungspunkte sollte man im Text durch Absätze auch optisch hervorheben. Darüber hinaus empfehlen sich auch innerhalb des Textes der Niederschrift Absätze, wenn ein neuer Prüfungspunkt oder Gedanke dargelegt wird.125
8. Typische Fehler in der Fallbearbeitung 126
Bestimmte Fehler(quellen) dürfen getrost als charakteristisch bezeichnet werden; sie sollen daher zusammenfassend im Überblick nachfolgend skizziert werden:
– Planloses Arbeiten: Relevante Aspekte müssen an der Stelle erörtert, an der sie auftauchen. In Eingriffsrechtsklausuren „unausrottbar“ erscheint etwa die ausgelebte Neigung, innerhalb der formellen Rechtmäßigkeit bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit eingehend darzulegen, dass eine konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr vorliegt. Setzt aber die dann zu prüfende Norm z. B. eine gegenwärtige Gefahr gar nicht voraus, so wirkt die zuvor getroffene Feststellung respektive Erörterung befremdlich.127 Auf das Vorliegen einer (bestimmten) Gefahr kommt es bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit nicht an – dies ist vielmehr eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit; es genügt im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit, dass die Polizei zur Gefahrenabwehr einschreiten will (Zielrichtung)
– Fehler beim Erfassen der Aufgabe: Oftmals wird in Eingriffsrechtsklausuren die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit unterstellt. Gleichwohl wird dann im Verlaufe der Klausurlösung dieses formelle Erfordernis erörtert. Kurioserweise dann mit dem abschließenden Hinweis, dass die örtliche Zuständigkeit ja an sich nicht zu prüfen war
– „Schema-Manie“: Es verbietet sich ein sklavisches Festhalten an Aufbauschemata. Schemata sind eine Aufbauhilfe und eine „Gedankenstütze“. Es soll indes nicht verschwiegen werden, dass sie besonders für den „Anfänger“ eine wertvolle Hilfe sind („Checkliste“). Schemata sind Hilfsmittel zur Ergänzung der juristischen Struktur
– „Tatbestandsquetsche“: Es wird nicht der vorgelegte Sachverhalt gelöst, sondern ein anderer Fall. Dies geschieht, indem der eigentliche Sachverhalt schlicht verändert wird.
– Übertriebener Gutachtenstil: Ein Problem v. a. für Studienanfänger. Für völlig unproblematische Aspekte ist der Urteilsstil zu verwenden
– „Bluff“: Es wird mit Scheinwissen „geglänzt“. Subsumtionen werden mit scheinbaren „Argumenten“ untermalt, oftmals wird Bezug genommen auf die sog. „herrschende Meinung“ (h. M.)128. Der Hinweis auf „herrschende Meinung“ ersetzt keine Begründung. In der (Ihrer) Argumentation liegt ein für die Bewertung der Arbeit maßgebliches Kriterium
– Vortäuschen von Selbstbewusstsein: Sprachliche Formulierungen, die Selbstbewusstsein vortäuschen und Unsicherheiten übertünchen („fraglos“, „allemal“ usw.) können Argumente nicht ersetzen129
– Bloße Gesetzesnacherzählungen: Vermeiden Sie bloße Sachverhalts- oder Gesetzesnacherzählungen, es ist überflüssig investierte Zeit
– Atomisierung: Sachverhalte werden zuweilen „zerstückelt“ in Einzelmaßnahmen, die als „eigenständige“ Maßnahme keiner eigenen Prüfung unterliegen. Wenn dann für jede Maßnahme das komplette Schema „abgespult“ wird, führt dies zu unnötiger und v. a. inhaltlich meist wertloser Schreibarbeit130
Im Übrigen gilt überdies, dass aus Fehlern gelernt werden kann (muss). Gerade am Anfang des Studiums sind Fehler unvermeidbar, weil sowohl ein tiefergehendes Verständnis als auch das entsprechende Fachwissen erst noch vermittelt werden muss. Eine misslungene Klausur bedarf mithin der „Aufbereitung“.
1 Hoheisel-Gruler Kriminalistik 2019, 766: Durch den Dschungel des Eingriffsrechts. — 2 Thiel, PSP 1/2017, 24. — 3 Zu „Nutzen und Schaden“ der Schemata Schwerdtfeger/Schwerdtfeger, Rn. 11 ff. — 4 Rosenkranz JuS 2016, 294, 297: Sinn und Unsinn des Erlernens von Prüfungsschemata. — 5 Rosenkranz JuS 2016, 294 (295): Sinn und Unsinn des Erlernens von Prüfungsschemata. — 6 Zu typischen Fehlern in juristischen Klausuren Vahle Kriminalistik 2008, 69 (70); Vahle Kriminalistik 2002, 485 (486). — 7 Wehr JuS 2006, 582. — 8 Ähnlich auch Neuwirth Kriminalistik 1994, 436: Anleitung zur Lösung von Polizeirechtsfällen – Lösungsschemata für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme. — 9 Thiel, PSP 1/2017, 24 ff.; Wagner Bundespolizeirecht,