Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke
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Es ist zu hoffen, dass zeitnah das Verhältnis von Art. 8 Nr. 1 EuGVVO und § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO höchstrichterlich – sei es im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV oder durch eine Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO durch den BGH – geklärt wird. Vieles spricht zumindest bei Kartellschadensersatzverfahren für den Vorrang von Art. 8 Nr. 1 EuGVVO. De lege ferenda wäre ohnehin wünschenswert, das umständliche Zuständigkeitsbestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch einen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft abzulösen.78
bb) Konnexität bei kartellrechtlichen Schadensersatzklagen – CDC Hydrogen Peroxide
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In der Entscheidung CDC hat sich der EuGH (u.a.) mit dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft bei kartellrechtlichen Follow-on-Schadensersatzklagen befasst. Eine Zweckgesellschaft hatte sich Ansprüche von Unternehmen abtreten lassen, die sich durch das von der Kommission bebußte sog. Wasserstoffperoxid-Kartell als geschädigt ansahen. Die Zweckgesellschaft mit Sitz in Belgien erhob anschließend Klage auf Auskunft und Schadensersatz vor dem LG Dortmund gegen sechs Adressaten der Bußgeldentscheidung. Die deutsche Evonik Degussa GmbH fungierte als Ankerbeklagte. Die übrigen Beklagten haben ihren Sitz in den Niederlanden, Belgien, Finnland, Frankreich und Spanien. Dem EuGH wurde u.a. die Frage vorgelegt, ob in einer solchen Konstellation der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs eröffnet sei. Eine Besonderheit war, dass sich die Klägerin bereits kurz nach Klageerhebung mit der Ankerbeklagten verglich und die Klage gegen sie zurücknahm. Es verblieben damit nur nicht-deutsche Beklagte vor einem deutschen Gericht. Der EuGH wurde daher weiter gefragt, ob der Wegfall des Ankerbeklagten etwas an der Zuständigkeit ändere.
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Der EuGH entschied, dass Art. 8 Nr. 1 EuGVVO im Grundsatz auf eine Mehrzahl von im Rahmen eines kartellrechtlichen Schadensersatzprozesses beklagten Unternehmen anwendbar sein kann, zumindest wenn es sich um eine Follow-on-Klage auf Basis einer Kommissionsentscheidung handelt und wenn eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung (single and continuous infringement) gegen das europäische Kartellverbot festgestellt wurde. Das gilt gleichermaßen für reine Auskunftsklagen wie auch für Schadensersatzprozesse.79 Eine solchermaßen begründete internationale Zuständigkeit entfällt dann auch nicht durch eine nachträgliche Klagerücknahme gegenüber dem Ankerbeklagten, zumindest soweit diese Klagerücknahme nicht bereits rechtsmissbräuchlich bei Klageerhebung geplant oder abgesprochen war.80
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Dabei hob der EuGH zunächst den Grundsatz hervor, dass die besondere Zuständigkeitsregel des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO restriktiv auszulegen sei, weil mit ihr „von der Grundregel des Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten in Art. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 abgewichen wird“.81 Eine solche Abweichung sei nur zur Verhinderung widersprechender Entscheidungen zulässig.82 Von einer „widersprechenden Entscheidung“ könne nicht schon bei abweichenden Entscheidungen gesprochen werden; es müssten die abweichenden Entscheidungen überdies bei „derselben Sach- und Rechtslage“ auftreten.83 Anschließend untersuchte der EuGH das Vorliegen derselben Sach- und Rechtslage „unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens“ und kam zu dem Ergebnis, dass beide Voraussetzungen erfüllt waren.84
(1) Einheitliche Sachlage
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Das Vorliegen einer einheitlichen Sachlage war nicht eindeutig, denn die Kommission hatte festgestellt, dass die Beklagten an der Umsetzung des in Rede stehenden Kartells durch den Abschluss und die Durchführung entsprechender Vereinbarungen räumlich und zeitlich unterschiedlich beteiligt waren.85 In concreto ging es um unterschiedliche Preis- und Vertriebspolitiken der Beklagten, um unterschiedliche zeitliche und räumliche Beteiligungen, um unterschiedliche Gewinne und auch um unterschiedliche Verschuldensgrade. Noch in der Entscheidung Roche Nederland hatte der EuGH in einem vergleichbaren Fall eine Identität der Sachlagen verneint, „da verschiedene Personen verklagt werden und die in verschiedenen Vertragsstaaten begangenen Verletzungshandlungen, die ihnen vorgeworfen werden, nicht dieselben sind“.86
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In der Entscheidung CDC stellt der EuGH nun auf die von der Kommission festgestellte „einheitliche und fortgesetzte“ Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot ab, die zum Vorliegen einer einheitlichen Sachlage führt. Damit stellt der EuGH wohl auf die Bindungswirkung seiner Entscheidung ab, welche die Sachlage vor den nationalen Gerichten insoweit tatsächlich vereinheitlicht. Ob unterschiedliche Tatsachen, welche von der Bindungswirkung nicht umfasst werden, eine andere Bewertung rechtfertigen können, ist offengeblieben.87
(2) Einheitliche Rechtslage
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Bei der Frage nach einer einheitlichen Rechtslage bei Follow-on-Kartellschadensersatzklagen ist zu berücksichtigen, dass die Rechtslage bezüglich des Haftungsgrundes – des Verstoßes gegen das europäische Kartellverbot – unzweifelhaft einheitlich ist.
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Fraglich ist hingegen die Einheitlichkeit der Rechtslage bezüglich der Haftungsfolgen. Diese Fragen werden weiter durch nationales Recht bestimmt, auch wenn die Harmonisierung weiter voranschreitet und auch bei rein nationalen Regelungen stets der Effektivitäts- und der Äquivalenzgrundsatz zu berücksichtigen sind.88
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In der Sache CDC führt der EuGH aus, dass sich aus den „verschiedenen nationalen Haftungsrechten“ die „Gefahr widersprechender Entscheidungen“ ergeben soll.89 Dies scheint im Widerspruch mit dem Obersatz zu stehen, wonach sich unterschiedliche Entscheidungen bei abweichenden Rechtslagen nicht widersprechen. Der EuGH führt vielleicht auch deshalb ergänzend an, es sei „gleichwohl darauf hinzuweisen“, dass die Unterschiedlichkeit der Rechtsgrundlagen als solche der Anwendung von Art. 8 Nr. 1 EuGVVO nicht entgegenstehe, „sofern für die Beklagten vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten“.90 Diese Vorhersehbarkeit sei gegeben, „wenn eine verbindliche Entscheidung der Kommission vorliegt, mit der ein einheitlicher Verstoß gegen Unionsrecht festgestellt und damit die Haftung jedes Beteiligten für Schäden begründet wird, die aus unerlaubten Handlungen jedes an diesem Verstoß Beteiligten resultieren. Unter diesen Umständen mussten die Beteiligten nämlich damit rechnen, vor den Gerichten eines Mitgliedstaats verklagt zu werden, in dem einer von ihnen ansässig ist.“91
cc) Rücknahme der Klage gegen den „Ankerbeklagten“
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Der einmal wirksam begründete Gerichtsstand des Sachzusammenhangs soll auch nach Klagerücknahme gegen den „Ankerbeklagten“ erhalten bleiben.92 Damit bezieht sich der EuGH auf seine Rechtsprechung, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit auch dann erhalten bleibt, wenn sich die zuständigkeitsbegründenden Umstände während des laufenden Verfahrens ändern (sog. perpetuatio fori).93
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Die Grenze sei erst im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung erreicht.94 Ein solcher Missbrauch