Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
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Im vorliegenden Fall ist weder das Ehewirkungsstatut (auch nicht jenes bei Eheschließung) noch das Ehegüter-, Scheidungs- oder Unterhaltsstatut ein islamisches Recht; daher geht die Vereinbarung einer mehriye ins Leere.
2. Auslegung als sonstiger (Scheidungsfolgen-)Vertrag
a) Auslegung bei Handeln unter „falschem“ Statut
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Im Gegensatz zu rein gesetzlich ausgefüllten Rechtsinstituten, die unter einem „falschen Statut“ ohne jede rechtliche Wirkung sind (zB die Übergabe eines jüdisch-rechtlichen Scheidebriefs bei deutschem Scheidungsstatut), hat aber die Morgengabe auch ein konsensuales Element, das im Rahmen der vom „richtigen Statut“ eröffneten Vertragsfreiheit einer Auslegung zugänglich ist.[13]
b) Schuldrechtliche Auslegung
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Eine rein schuldrechtliche Auslegung als abstraktes Schuldversprechen kommt nicht in Betracht, weil diese den gewollten familienrechtlichen Bezug ignoriert.[14] Die Ehegatten haben durch die Bezeichnung als Morgengabe und den Vertrag im Übrigen die Orientierung an dem islamisch-familienrechtlichen Institut klargestellt, wollten also keine abstrakte Verbindlichkeit begründen. Als abstraktes Schuldversprechen wäre die Vereinbarung zudem gemäß § 518 Abs. 1 S. 2 BGB formunwirksam.
c) Auslegung als Scheidungsfolgenvereinbarung
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In Betracht zu ziehen ist eine Auslegung als Ehevereinbarung zur Abänderung oder Pauschalierung vermögensrechtlicher Folgen der Scheidung nach den tatsächlich anzuwendenden Statuten. Da die Ehegatten von den Grundsätzen des islamischen Rechts ausgingen, könnte das Morgengabeversprechen als Vereinbarung der Rechtsfolgen islamischen Rechts verstanden werden. Der Vertrag wäre dann als Verzicht auf güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Ansprüche sowie den Versorgungsausgleich gegen Zahlung einer als Morgengabe bezeichneten pauschalen Abfindung zu verstehen (MAT c, d).
Eine solche Auslegung würde jedoch einen Regelungswillen voraussetzen. Die Ehegatten sind aber nur von gesetzlich eintretenden Rechtsfolgen des islamischen Rechts ausgegangen. Es wäre eine bloße Unterstellung, wollte man ihnen einen Regelungswillen hinsichtlich eines deutschen Statuts unterstellen. Ehewirkungsrechtlich wäre, abgesehen vom Unterhaltsrecht, allenfalls an den Ausgleich von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen zu denken, zu dem die Vereinbarung noch weniger Bezug hat.
d) Formunwirksamkeit
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Eine solche Auslegung könnte zudem mangels Einhaltung der Form scheitern. Soweit güterrechtliche oder versorgungsausgleichsrechtliche Ansprüche abgegolten werden sollten, fehlt es an der Form der notariellen Niederschrift (§§ 1410, 1408 Abs. 2 BGB, § 7 Abs. 3 VersAusglG). Als Unterhaltsvereinbarung wäre die vor dem 1.1.2008 (seither § 1585c S. 2 BGB idF des Unterhaltsrechtsreformgesetzes 2007) geschlossene Vereinbarung nach deutscher Orts- und Geschäftsform zwar formfrei wirksam. Aus Sicht des deutschen Rechts stellt sich aber zusätzlich ein Problem des § 139 BGB. Da jedenfalls eine güter- und versorgungsausgleichsrechtliche Abgeltung nicht erreicht wird, dürfte eine Auslegung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kaum eine andere Lösung als die Gesamtnichtigkeit zulassen. Eine Pauschalierung aller Scheidungsfolgen scheitert; ein isolierbarer unterhaltsrechtlicher Teil (dem Betrag nach) ist nicht bestimmbar.
Ergebnis:
Güterrechtsstatut ist deutsches Recht; für das Grundstück in Florida jedoch floridanisches Recht, so dass ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet.
• | Unterhaltsstatut ist deutsches Recht; der Einwand des Ali Akbar nach Art. 5 HUntStProt 2007 greift absehbar nicht durch. |
• | Versorgungsausgleichsstatut ist deutsches Recht; der VA kann nachgeholt werden. |
• | Nach der jedenfalls für das iranische Recht zutreffenden ehewirkungsrechtlichen Qualifikation ist das auf die mehriye anwendbare Recht keine islamische Rechtsordnung; die Vereinbarung geht daher ins Leere und kann auch nicht als Verzicht bzw Abfindung anderer Scheidungsfolgenansprüche ausgelegt werden. |
Frage 2: Zuständigkeit
I. Zugewinnausgleich
1. Internationale Zuständigkeit
a) Bereichsausnahme aus Brüssel Ia-VO
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Die Brüssel Ia-VO ist sachlich nicht anzuwenden, da der Zugewinnausgleich unter den Ausschlusstatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. a fällt.[15] Auch der räumliche Anwendungsbereich wäre nicht eröffnet, da der Beklagte keinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat (Art. 6 Abs. 1, Art. 62 Abs. 1 Brüssel Ia-VO).
b) EU-EheGüterVO
220
Am 29.1.2019 ist jedoch für Deutschland als an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmendem Mitgliedstaat die EU-EheGüterVO in Geltung getreten; gemäß Art. 69 Abs. 1 EU-EheGüterVO sind deren verfahrensrechtlichen Bestimmungen anwendbar auf Verfahren, die ab dem 29.1.2019 eingeleitet werden; da der Antrag am 30.1.2019 gestellt wird, kommt es nicht darauf an, ob intertemporal Einreichung oder Zustellung maßgeblich ist. Der sachliche Anwendungsbereich gemäß Art. 1 Abs. 1 EU-EheGüterVO ist eröffnet; eheliche Güterstände sind hier wie in der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. a Brüssel Ia-VO zu definieren. Eine räumlich-persönliche Begrenzung des Anwendungsbereichs sieht die EU-EheGüterVO nicht vor, so dass sie auch auf das Verfahren gegen den in den USA wohnenden bzw sich gewöhnlich aufhaltenden Antragsgegner anwendbar ist. Andererseits gibt es auch bei Unzuständigkeit nach der EU-EheGüterVO keine Fälle, in denen, wie unter Art. 6 Brüssel Ia-VO oder Art. 7 Brüssel IIa-VO, auf nationale Zuständigkeiten zugegriffen werden kann; die EU-EheGüterVO bestimmt vielmehr autonom und abschließend in Art. 11 EU-EheGüterVO auch die Notzuständigkeiten.
c) Internationale Zuständigkeit nach EU-EheGüterVO
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Die internationale Zuständigkeit folgt weder aus Art. 4 EU-EheGüterVO, weil keine Nachlasssache parallel anhängig ist, noch aus Art. 5 EU-EheGüterVO, weil keine Ehesache anhängig ist. Eine gegenüber Art. 6 EheGüterVO vorrangige Vereinbarung gemäß Art. 7 EU-EheGüterVO liegt nicht vor. Von den subsidiär gestuften Anknüpfungen in Art. 6 EU-EheGüterVO ist keine gegeben: es fehlt bei Antragstellung an einem gewöhnlichen Aufenthalt beider Ehegatten in