Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
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4. Anerkennungsvoraussetzungen (§ 109 FamFG)
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Ob die Ehegatten im Ergebnis wirksam geschieden sind, hängt von der Beurteilung der Anerkennungsvoraussetzungen im Verfahren nach § 107 FamFG ab. Diese bestimmen sich auch im Verfahren nach § 107 FamFG für gerichtliche ausländische Ehescheidungen gemäß § 109 FamFG, der die Anerkennungsvoraussetzungen sowohl für die Anerkennung nach § 107 FamFG als auch für die nach § 108 FamFG regelt.
a) Spiegelbildliche Zuständigkeit
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Die Gerichte des Urteilsstaates müssten spiegelbildlich zuständig gewesen sein (§ 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG). Dabei genügt es für Entscheidungen aus einem Staat mit verschiedenen Jurisdiktionen, wenn der Gesamtstaat (hier USA) bei gespiegelter Anwendung deutschen Zuständigkeitsrechts zuständig wäre. Die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung fremder Staaten ist deren Sache und entzieht sich der Bewertung im Anerkennungsstadium.
Fraglich ist, ob im Rahmen des § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG nur auf Zuständigkeiten nach § 98 FamFG abzustellen ist oder, wie für die eigene Zuständigkeitsbestimmung, vorrangig auf Art. 3 Brüssel IIa-VO. Für Ersteres spräche prima facie, dass gegenüber Drittländern die Anerkennung nicht nach Art. 21 ff Brüssel IIa-VO erfolgt. Gleichwohl erfordert es die ratio des § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG fremde Urteile anzuerkennen, solange sie sich im Rahmen der vor deutschen Gerichten geltenden Zuständigkeitsmaßstäbe halten; ein Anerkennungshindernis kann nur bestehen, wenn in einem gespiegelten Fall deutsche Gerichte sich nicht für zuständig hielten, das ausländische Verfahrensrecht also nach deutschem Maßstab sich eine zu weite Zuständigkeit anmaßt. Zum Arsenal der aus deutscher Sicht anwendbaren Zuständigkeiten gehört aber auch Art. 3 Brüssel IIa-VO, der bei gewöhnlichem Aufenthalt beider Ehegatten in einem Mitgliedstaat unbeschadet der Beteiligung von Nicht-EU-Bürgern sogar Ausschließlichkeit gegenüber der Anwendung nationalen Zuständigkeitsrechts in anderen Mitgliedstaaten beansprucht. Gegen eine Spiegelung des Art. 3 Brüssel IIa-VO spricht auch nicht, dass dort von „Gerichte des Mitgliedstaats“ die Rede ist. § 98 FamFG spricht sogar von „deutschen Gerichten“; der Austausch solcher Begriffe bedeutet gerade das Prinzip der Spiegelung. Lediglich die Ausschließlichkeit der Brüssel IIa-VO ließe sich nicht spiegeln, sodass jedenfalls subsidiär immer auch § 98 FamFG eine spiegelbildliche Zuständigkeit vermitteln kann.[20] Im Fall folgt die spiegelbildliche Zuständigkeit von US-Gerichten jedoch bereits aus Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 2 Brüssel IIa-VO (letzter gemeinsamer, von einem Ehegatten beibehaltener gewöhnlicher Aufenthalt).
b) Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück
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§ 109 Abs. 1 Nr 2 FamFG müsste gewahrt sein. Fraglich ist, ob sich Laila im dortigen Verfahren eingelassen hat; davon kann bei einem schlichten Brief ohne anwaltliche Vertretung nicht ohne nähere Kenntnis des fremden Prozessrechts ausgegangen werden.
Die Einlassung kann aber dahinstehen, wenn eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung[21] des Scheidungsantrags erfolgt ist. Die Zustellung müsste nach dem Zustellungsrecht des Gerichtsstaates einschließlich der völkervertraglichen Übereinkommen wirksam sein.
Maßgeblich für die Ordnungsgemäßheit ist das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke vom 15.11.1965 (HZÜ), da die USA und Deutschland Vertragsstaaten sind.[22] Die EG-ZustellVO gilt dagegen nur für Zustellungen zwischen Mitgliedstaaten. Es müsste eine Zustellung nach Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 HZÜ erfolgt sein. Dies ist dem Sachverhalt zu entnehmen. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz ist die für den Freistaat Bayern zuständige Zentrale Behörde.[23] Die Zustellung durch die Post an den Adressaten persönlich entspricht §§ 166, 176 ZPO, also dem Recht des ersuchten Staates (Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ).
Von der Rechtzeitigkeit kann ausgegangen werden, da Leila Zeit hatte, ihre Verteidigung zu erwägen und ihre Nichtbeteiligung brieflich anzuzeigen.
c) Sonstige Anerkennungshinderisse
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Anerkennungshindernisse nach § 109 Abs. 1 Nr 3, 4 FamFG sind nicht ersichtlich.
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Die Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 109 Abs. 4 FamFG) ist nur bei den in § 109 Abs. 4 FamFG genannten Entscheidungen erforderlich; Ehesachen sind dort nicht erfasst; Ehesachen sind insbesondere keine Familienstreitsachen iSd. § 109 Abs. 4 Nr 1 FamFG (Legaldefinition § 112 FamFG) auch wenn „Ehe- und Familienstreitsachen“ manche Gemeinsamkeiten aufweisen (vgl insbesondere § 113 FamFG).
Ergebnis:
Das AG München – FamG – setzt das Verfahren auf Antrag aus, bis das vorgreifliche Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG vor der Landesjustizverwaltung durchgeführt ist. Diese wird die Anerkennung aussprechen, da keine Anerkennungshindernisse vorliegen.
Anmerkungen
Aufbau: Die Zuständigkeit kann hier kaum vorab geprüft werden, weil sie von vorher zu klärenden Fragen kollisionsrechtlicher Natur abhängt (Morgengabe, Nachholung des Versorgungsausgleichs).
Jayme/Hausmann19 Nr 22 Fn 1.
BGH NJW 1993, 1920, 1921.
Rechtsvergleichende Erörterungen zum US-amerikanischen Güterrechtssystem sind für die Falllösung nicht veranlasst. Einige US-Bundesstaaten im Osten und Südosten folgen – in spanisch-rechtlicher Tradition – dem System der Errungenschaftsgemeinschaft (community property), das drei Vermögensmassen (separate property jedes Ehegatten und ein gesamthänderisches community property) vorsieht. Florida folgt güterrechtlich wie die meisten Bundesstaaten dem Common Law-Prinzip der Gütertrennung (separate property). Bei Scheidung wird gleichwohl eine Vermögensverteilung im zweiten Zweig des angelsächsischen Rechtssystems, der equity, vorgenommen (equitable distribution), die regelmäßig ebenfalls zu einer hälftigen Teilung des ehelichen Vermögens (matrimonial property) führt.