Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
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Da die Einbeziehung in den Freiverkehr zwecks erleichterter Handelsmöglichkeiten von einem zugelassenen Handelsteilnehmer (zB Makler, Investmentbank) und nicht vom Emittenten betrieben wird, unterliegt der Emittent nach der Einbeziehung nur teilweise den für den regulierten Markt geltenden Regeln. Das bedeutet gleichzeitig einen nur eingeschränkten Anlegerschutz, der jedoch mit der MAR zum 3. Juli 2016 erheblich erweitert wurde.
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Hat der Emittent selbst die Einbeziehung seiner Finanzinstrumente veranlasst, gilt jetzt für im Freiverkehr gehandelte Papiere nicht nur das Verbot des Insiderhandels, sondern auch (sofern eine Zulassung und nicht eine Einbeziehung erfolgt) die Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR), die Pflicht zur Veröffentlichung von Directors‘ Dealings bzw Managers‘ Transactions (Art. 19 MAR) und zur Führung einer Insiderliste (Art. 18 Abs. 7 MAR)[84]. Außerdem ist das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15, 12 MAR) zu beachten. Ob durch diese Verschärfung der Freiverkehr praktisch weniger attraktiv ist[85], bleibt abzuwarten.
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Vorteile der Einbeziehung in den Freiverkehr sind nach wie vor, dass die Anleger, abgesehen von den aktienrechtlichen Mitteilungspflichten[86], keine Meldepflichten bei Erreichen bestimmter Beteiligungsschwellen (§§ 33 ff WpHG) treffen. Ebenso wenig ist beim Erwerb einer Kontrollmehrheit von 30 % der Stimmrechte ein Pflichtangebot abzugeben (§ 35 WpÜG), da das WpÜG nicht für Gesellschaften gilt, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden.
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Auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bestehen Unterschiede zwischen im Freiverkehr und im regulierten Markt gehandelten Werten. So knüpft etwa der Begriff der börsennotierten Gesellschaft (§ 3 Abs. 2 AktG) an die Zulassung zu einem organisierten Markt an. Daher ist etwa für im Freiverkehr gehandelte Gesellschaften keine Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance-Kodex (§ 161 AktG) abzugeben[87]. Außerdem bezieht sich auch die Pflicht zur Offenlegung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern[88] nur auf Gesellschaften, für die eine Börsenzulassung in einem organisierten Markt erfolgt ist und nicht auf solche, die im Freiverkehr gehandelt werden.
b) Teilbereiche
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Unter der Bezeichnung „Neuer Markt“ hatte die Deutsche Börse AG 1997 eine Handelsplattform im Rahmen des Freiverkehrs der Frankfurter Wertpapierbörse eröffnet, die 2003 wegen Missständen wieder geschlossen wurde. Diese war für Aktien v.a. von kleineren und mittleren in- und ausländischen Unternehmen bestimmt, welche die Transparenz- und Publizitätskriterien nach internationalen Standards erfüllen. Emittenten waren vornehmlich innovative Unternehmen[89].
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Im Jahr 2005 schuf die Deutsche Börse AG mit dem sog. Entry Standard einen neben dem sog. Quotation Board[90] stehenden Teilbereich des Freiverkehrs für kleinere und mittlere Unternehmen (sog. KMU) mit einen einfachen und kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt und zusätzlichen Transparenzanforderungen. Zum 1. März 2017 wurde dieser durch die Segmente Basic Board und Scale ersetzt. Die Münchener Börse entwickelte etwa m:access.
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Damit gibt es seit März 2017 innerhalb des Open Market drei Segmente. Das Segment mit den niedrigsten Anforderungen an die Transparenz ist das sog. Quotation Board. Das sog. Basic Board erfordert ein Mindestmaß an Transparenz und stellt eine Art „Auffangsegment“ für die bislang im Entry Standard notierten Teilnehmer dar[91]. Das sog. Scale-Segment, das der Eigenkapitalfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen dienen soll, sieht schließlich erhöhte Transparenzanforderungen vor. Die Notierung im Scale-Segment umfasst stets auch eine solche im Basic Board, sodass dann, wenn die Voraussetzungen für Scale nicht mehr erfüllt werden, eine Notierung im Basic Board erhalten bleibt. Voraussetzung für die Aufnahme in das Segment „Scale“ ist dabei u.a. eine Mindestgröße bzgl bestimmter Unternehmenskennzahlen.[92]
c) Vertragsstrafe
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Eine Verletzung der in den AGB Freiverkehr vorgesehenen Einbeziehungsfolgepflichten, insbesondere der Mitteilungspflichten, kann eine Vertragsstrafe auslösen. § 15 AGB Freiverkehr enthält eine solche bei Verletzung der in § 13 AGB Freiverkehr vorgesehenen Mitteilungspflichten im Rahmen des sog. Quotation Board, § 23 AGB Freiverkehr bei Verletzung der Einbeziehungsfolgepflichten in Scale. Die Verhängung von Vertragsstrafen kann nach § 24 AGB Freiverkehr bzw § 15 Abs. 4 iVm § 24 AGB Freiverkehr veröffentlicht werden („naming and shaming“).
4. Organisierte Handelssysteme
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§ 2 Abs. 7 BörsG und § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 9 WpHG umschreiben den Begriff der Organisierten Handelssysteme (Organised Trading Facilities, OTF).
→ Definition:
Organisierte Handelssysteme sind alle von Investmentfirmen oder Marktbetreibern betriebene Systeme, welche auf organisierter Basis multiple Kauf- und Verkaufsinteressen von Dritten, bezogen auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate oder Derivate, zusammenbringen (Art. 2 Abs. 1 UAbs. 7 MIFIR)[93].
Der Betrieb eines OTF stellt eine Wertpapierdienstleistung iS des WpHG (§ 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG) sowie eine Finanzdienstleistung iS des KWG (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG) dar.
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Die Erforderlichkeit dieses Handelssystems wurde teilweise angesichts der inhaltlichen Nähe zu den Multilateralen Handelssystemen (MTF) bezweifelt[94]. Allerdings werden dadurch sämtliche Systeme erfasst, die keine MTF sind, sodass ein „Ausweichen“ aus dem gesetzlich geregelten Bereich (regulierter Markt, MTF) nun nicht mehr möglich ist und die meisten Over-the-counter-Geschäfte jetzt als OTF einzuordnen sind[95]. In einem OTF können allerdings keine Aktien und andere Gesellschaftsanteile gehandelt werden, sondern lediglich Nicht-Eigenkapitalinstrumente[96].
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Relevante Bestimmungen bzgl der OTF finden sich in § 48b BörsG, sofern der Börsenträger Betreiber eines OTF ist. Daneben enthält § 72 WpHG Pflichten für sämtliche Betreiber eines organisierten Handelssystems. § 73 WpHG bezieht sich auf die Aussetzung des Handels sowie den Ausschluss von Finanzinstrumenten. Besondere Anforderungen an organisierte Handelssysteme sieht § 75 WpHG vor[97]. Sodann ist die VO 600/2014 (MiFIR) zu beachten, welche etwa durch die DelVO 2017/567 ergänzt wird.
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Nach § 48b Abs. 1 BörsG bedarf der Betrieb eines OTF an einer Börse der schriftlichen Erlaubnis