Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
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§ 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG setzt zunächst voraus, dass unvorhersehbare Wirkungen eintreten, nachdem der Planfeststellungsbeschluss für den Betroffenen unanfechtbar geworden ist[247]. Nachträgliche Schutzanordnungen können nur durch nachteilige Wirkungen auf das Recht eines anderen begründet werden. Anders als bei Schutzanordnungen im Planfeststellungsbeschluss selbst reicht eine Beeinträchtigung des Allgemeinwohls als Anknüpfungspunkt im Rahmen des § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG nicht aus[248]. Die Fachplanungsgesetze können jedoch nachträgliche Anordnungen auch im öffentlichen Interesse ermöglichen[249].
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Probleme bereitet die Anforderung, dass die Auswirkungen vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht voraussehbar waren. Für die Annahme der Voraussehbarkeit reicht es aus, dass die Auswirkungen mit hinreichender Zuverlässigkeit prognostiziert werden können[250]. Es kommt darauf an, ob der Betroffene mit den Auswirkungen rechnen konnte oder musste. Für die Beurteilung dieser Frage legt die Rechtsprechung einen rein objektiven Maßstab zugrunde. Es wird nicht auf die Fähigkeiten des einzelnen Betroffenen, sondern auf die eines erfahrenen Fachmannes abgestellt[251]. Dieser Maßstab nimmt jedoch zu wenig Rücksicht auf die subjektive Verfahrensperspektive der möglichen Betroffenen. Von diesen kann nur erwartet werden, dass sie sich gegen Auswirkungen zur Wehr setzen, die für sie erkennbar sind. Es ist Aufgabe der Behörde, die möglichen Auswirkungen zu ermitteln und hierüber zu informieren. Kommt sie dieser Aufgabe nach, erhöht sich damit der Schutz des Vorhabens gegen nachträgliche Schutzanordnungen. Anders als die beschriebene Expertensicht sollte dementsprechend die Perspektive eines Betroffenen mit durchschnittlichen Erkenntnisfähigkeiten zugrunde gelegt werden[252]. Vor allem muss der Betroffene auf die Richtigkeit der Prognosen und Gutachten, die von der Behörde zugrunde gelegt werden, vertrauen dürfen[253]. Beruht die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde auf fehlerhaften Prognosen und Gutachten, sind – entgegen einer restriktiveren Herangehensweise der Rechtsprechung – daraus erwachsende Auswirkungen nicht vorhersehbar[254]. Wie im Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG muss sich der Betroffene auch bei einer Schutzanordnung nach § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG auf einen Entschädigungsanspruch verweisen lassen, wenn etwaige Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind.
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Die rechtliche Einordnung der nachträglichen Anordnung, die gemäß § 75 Abs. 2 S. 3 VwVfG „durch Beschluss“ ergeht, ist nicht abschließend geklärt. Es handelt sich nicht lediglich um eine Auflage im Sinne des § 36 VwVfG. Umstritten ist allerdings, ob es sich um einen einfachen Verwaltungsakt[255] oder um einen Planfeststellungsbeschluss handelt[256]. Für Letzteres spricht, dass die Anordnung inhaltlich eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses darstellt. Relevanz kommt dem insbesondere hinsichtlich des Verfahrens – einfaches Verfahren oder Planfeststellungsverfahren – zu.
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Nachträgliche Schutzanordnungen erfordern gemäß § 75 Abs. 3 VwVfG einen Antrag, sie werden nicht von Amts wegen gewährt[257]. Gemäß § 75 Abs. 3 S. 2 VwVfG kann der Antrag nur innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen positive Kenntnis erhalten hat[258]. Daneben gilt unabhängig von der Kenntniserlangung eine absolute Ausschlussfrist von 30 Jahren nach Herstellung des dem Plan entsprechenden Zustands. Diese Regelung ist in zweierlei Hinsicht bedenklich. Zum einen gibt es für die Dauer dieser Frist keine sachliche Rechtfertigung. Eine solche wäre die Orientierung an der möglichen Vorhersehbarkeit der Auswirkungen eines Fachplanungsvorhabens. Doch dies ist ersichtlich nicht der Anknüpfungspunkt, da sich Prognosen etwa über die Entwicklung des Verkehrsaufkommens kaum für längere Zeiträume als 15 Jahre verlässlich treffen lassen[259]. Zum anderen überzeugt die auf diese Weise vorgenommene Verteilung des Problembewältigungsrisikos – vor Ablauf der Frist zulasten des Vorhabenträgers, danach zulasten der Drittbetroffenen[260] – auch grundsätzlich nicht. Es stellt einen nicht erklärbaren Wertungswiderspruch zu anderen Bereichen des Umweltrechts dar, dass der Bestandsschutz planfestgestellter Vorhaben mit zunehmender Lebensdauer der Anlage nicht wie üblich ab-, sondern zunimmt[261].
F. Planerhaltung
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Die Planerhaltung gehört zu den Elementen des Planungsrechts, die als das Planungsrecht insgesamt überspannendes Prinzip gelten können. So finden sich entsprechende Regelungen sowohl für die Bauleitplanung als auch für die Raumordnungspläne[262]. Die Planerhaltung betrifft die Frage, welche Folgen die Fehler eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung haben. Die Vorschriften über die Planerhaltung dienen dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung. Schon in dem Begriff der Planerhaltung kommt zum Ausdruck, dass der Erhaltung des Plans ein Vorrang vor dessen Aufhebung eingeräumt wird. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass Planfeststellungen komplexe Entscheidungen darstellen, die aufgrund des aufwendigen Verfahrens und der Vielzahl der zu beachtenden Belange sehr fehleranfällig sind. Es soll vermieden werden, dass aufgrund von Fehlern, die für das Entscheidungsergebnis nicht von Bedeutung sind oder die relativ einfach behoben werden können, der gesamte Planfeststellungsbeschluss aufgehoben werden muss und ein neues umfangreiches und zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren erforderlich wird[263].
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Wie auch in der Bauleitplanung sind die Folgen formeller und materieller Fehler zu unterscheiden, wobei die jeweiligen Regelungen im Fachplanungsrecht in unterschiedlichen Kontexten angesiedelt sind. Hinsichtlich der formellen Fehler unterliegen Planfeststellungsbeschlüsse den allgemeinen Regelungen der §§ 45 f. VwVfG. Dabei ist zum einen auf die Nachholungsfrist des § 45 Abs. 2 VwVfG kritisch hinzuweisen. Die Bedeutung einer Verfahrenshandlung, wie etwa der Beteiligung eines Betroffenen, wird deutlich abgewertet, wenn sie auch nach dem Erlass der Entscheidung noch nachgeholt werden kann. Betrachtet man das Planfeststellungsverfahren auch als einen Aushandlungsprozess zwischen betroffenen Belangen, ist offensichtlich, dass nach abgeschlossener Entscheidungsbildung die Beteiligung keinen Einfluss mehr ausüben kann. Die „dienende Rolle“ von Verfahrensrechten[264] kommt weiterhin in § 46 VwVfG zum Ausdruck, der seine volle Wirkung in Verbindung mit § 44a VwGO entfaltet. Hiernach führen Verfahrensfehler dann nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn offensichtlich ist, dass sie die Entscheidung nicht beeinflusst haben[265].
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Für materiell-rechtliche Fehler enthält das Fachplanungsrecht in § 75 Abs. 1a VwVfG eine eigene Regelung, die deutliche Parallelen zur Regelung des § 214 BauGB aufweist. Danach sind Mängel bei der Abwägung nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB.
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Der Vorrang der Planerhaltung kommt besonders deutlich in der Regelung des § 75 Abs. 1a S. 2 VwVfG zum Ausdruck[266], der zur Behebung von Abwägungsfehlern[267] und der Heilung von Verletzungen von Verfahrens- uns Formvorschriften einerseits die Planergänzung und andererseits das ergänzende Verfahren vorsieht. Die Planergänzung ist die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine inhaltliche Regelung. Sie hat ihren Hauptanwendungsbereich in den Fällen fehlender Schutzauflagen[268]. Das ergänzende Verfahren ist demgegenüber die Heilung von Fehlern durch Nach- oder Wiederholung unterbliebener oder fehlerhafter Verfahrensschritte[269].
I. Plangenehmigung
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