Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

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Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer Praxis der Strafverteidigung

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      In Übereinstimmung mit den Gutachtern stellte der Senat fest, „dass bei der Behandlung der Patientin durch den Anästhesisten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zahlreiche Fehler unterlaufen sind“, deren Ursächlichkeit allerdings zweifelhaft war. Dennoch wurde Anklage erhoben, diese aber letztlich nicht zugelassen.

      Mit Recht verneinte das OLG Zweibrücken gegenüber dem Gynäkologen den hinreichenden Tatverdacht. Denn ihm könne „unter Berücksichtigung der organisatorischen Trennung der Gynäkologischen und der Anästhesie-Abteilung nicht zum Vorwurf gemacht werden“, dass er „sowohl mit der Zangengeburt als auch mit der Sectio begonnen habe, ohne auf die Hinzuziehung eines anderen Anästhesisten oder wenigstens der Anästhesieschwester zu bestehen“, sondern die Herstellung der Vitalfunktionen dem dafür zuständigen Anästhesisten überlassen hat, den er weder namentlich noch persönlich kannte. Nach dem Grundsatz der strikten Arbeitsteilung betrafen diese Maßnahmen nämlich den anästhesiologischen Fachbereich, und es lagen keine besonderen Umstände vor, die dem Gynäkologen den Schluss hätten nahelegen müssen, dass das Vorgehen des Anästhesisten offensichtlich unrichtig und daher Zweifel an seiner fachlichen Qualifikation geboten waren.

      Abgesehen davon ging es für den Gynäkologen in dem Zeitraum, in dem sich der Narkosezwischenfall ereignete, entscheidend darum, das Kind zu entwickeln und dessen Leben zu retten.

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      Es lassen sich je nachdem, wer bei der Kooperation im Rahmen der Krankenbehandlung zusammenwirkt, praktisch insbesondere sechs typische Fallkonstellationen bilden:

1. die interdisziplinäre ärztliche Zusammenarbeit zwischen Fachärzten verschiedener Gebiete als solche;
2. die Zusammenarbeit zwischen dem Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt) und anderen Fachärzten;
3. die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhausarzt;
4. das Zusammenwirken von laufend behandelndem Arzt und Konsiliarius;
5. die Teamarbeit im Krankenhaus zwischen Chefarzt und nachgeordneten Ärzten innerhalb einer Abteilung;
6. die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Pflegepersonal.

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      Die Fallgruppen 1. bis 4. bilden den Bereich der horizontalen Arbeitsteilung, die durch das Prinzip partnerschaftlicher Gleichordnung und damit grundsätzlicher Weisungsfreiheit geprägt ist, während die Fallgruppen 5. und 6. das Gebiet der vertikalen Arbeitsteilung abdecken, die eine hierarchische Struktur aufweist, das heißt, für die Unterordnung und Weisungsgebundenheit der Mitarbeiter gegenüber einer fachlich überlegenen und/oder arbeitsrechtlich vorgesetzten Person typisch ist. Dies impliziert systematisch auch die Problematik der Delegation von Aufgaben.

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      Der Vertrauensgrundsatz bedarf ferner dort einer Einschränkung, wo „das besondere Risiko der Heilmaßnahme gerade aus dem Zusammenwirken zweier verschiedener Fachrichtungen und einer Unverträglichkeit der von ihnen verwendeten Methoden oder Instrumente“ folgt. Insoweit gilt bei arbeitsteiliger Krankenbehandlung ein weiteres Grundprinzip: die Koordinierungspflicht.

      Beispiel:

      Bei einer sog. Schieloperation führte der Anästhesist lege artis eine Ketanest-Narkose durch, bei der der Patient reinen Sauerstoff in hoher Konzentration erhält, während der Augenarzt zur Blutstillung einen Thermokauter einsetzte, mit dem verletzte Gefäße durch Erhitzung verschlossen werden. Beim Kautern kam es zu einer heftigen Flammenentwicklung, durch die das Kind schwere Verbrennungen im Gesicht erlitt.

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