Gesammelte Werke. Isolde Kurz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Isolde Kurz страница 190

Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

nichts Un­be­wuss­tes in sich, er weck­te es fort und fort auf, um sich Re­chen­schaft zu ge­ben; so ließ der Den­ker dem Dich­ter kei­nen Raum. Da­ge­gen brach­te er aber auch nicht wie je­ner stets ein Fer­ti­ges, schon zu Ende Ge­dach­tes, denn kei­nes­wegs stand ihm schon al­les fest, er trat sel­ber als Fra­gen­der den Fra­gen, die ihn er­füll­ten, ge­gen­über und fühl­te sich durch Zu­stim­mung aus frem­dem Mun­de be­stärkt und be­glückt, be­son­ders, wenn es der Mund Adolf Hil­de­brands war, des­sen un­be­küm­mer­te Un­mit­tel­bar­keit ihn be­zau­ber­te. Zu Hau­se saß er dann vor sei­nem Ge­dan­ken­web­stuhl und wob, was durch Ge­spro­che­nes und Ge­le­se­nes in ihm an­ge­regt war, vollends in der Stil­le zu Ende. Aber – lag der Grund in ihm oder im Welt­lauf? – es fiel ihm das fast un­be­greif­li­che Los, dass er bei un­aus­ge­setz­ter geis­ti­ger Tä­tig­keit am Ende doch nur für sei­nen Nach­lass ge­ar­bei­tet hat­te, einen Nach­lass, der erst Jahr­zehn­te nach sei­nem Tod von sei­ner Wit­we her­aus­ge­ge­ben und von sei­nem Schwa­ger Ge­org Karo fein­sin­nig ein­ge­lei­tet wur­de, aber we­nig in die Öf­fent­lich­keit drang. Ein so tie­fes phi­lo­so­phisch-äs­the­ti­sches Schür­fen wie etwa sei­ne Un­ter­su­chun­gen über das be­rühm­te Ta­ge­buch des Gen­fer Phi­lo­so­phen Amiel dürf­te weit und breit nicht sei­nes­glei­chen ha­ben. Aber Hom­ber­gers Zeit war nie­mals und wäre es heu­te, wo al­les in ei­nem Sturm des Wer­dens und Ver­ge­hens fie­bert, we­ni­ger denn je. Nur wenn ge­le­gent­lich ein ab­sei­ti­ger Grüb­ler noch in ir­gend­ei­ner Pri­vat­bi­blio­thek auf ein Buch von Hom­ber­ger stößt, so mag er sich wun­dern, was al­les in ei­ner wind­stil­len und ta­ten­fer­nen Zeit ein so fein un­ter­schei­den­der Geist über Ge­dach­tes zu den­ken fand. – Für die Wär­me, mit der er die Erst­aus­ga­be mei­ner Ge­dich­te in der von ihm ge­lei­te­ten Wo­chen­schrift »Die Na­ti­on« be­grüß­te, blei­be ich Hom­ber­gers Schat­ten für im­mer ver­pflich­tet.

      Ganz per­sön­lich und mit vol­lem Her­zen mir zu­ge­wen­det war mein eng­li­scher Freund Charles Grant. Er leb­te stän­dig in Deutsch­land als Lek­tor der eng­li­schen Spra­che, ver­brach­te aber sei­ne Fe­ri­en­zeit in Flo­renz, wo er ab­wech­selnd in den ihm nahe be­freun­de­ten Häu­sern Hil­de­brand und Hil­le­brand zu Gas­te war. Mit­tel­groß, un­ter­setzt, höchst tem­pe­ra­ment­voll, mit schwar­zem Haar und Bart und afri­ka­nisch dunklem Ge­sicht, das zu­gleich stark ge­rötet war, schi­en er im­mer­zu in­ner­lich zu bren­nen. So­bald er zu re­den an­hob über Ge­gen­stän­de, die ihn er­füll­ten, schlug es auch in der Tat wie Flam­men aus ihm. Es hieß, sein Va­ter habe als bri­ti­scher Mis­sio­nar in In­di­en sei­ne Mut­ter zu­erst im Sar­ge ge­se­hen, habe eine Lei­den­schaft für die Tote ge­fasst und her­nach die Wie­de­r­er­weck­te zur Frau ge­nom­men. Der zar­ten und fan­ta­sie­vol­len Art des Soh­nes trau­te man ger­ne einen sol­chen be­son­de­ren Ur­sprung zu. Er brach­te mir die neue­ren eng­li­schen Ly­ri­ker wie Dan­te, Ga­bri­el Ros­set­ti und Swin­bur­ne, die er lei­den­schaft­lich lieb­te, wenn auch als selbst­wil­li­ge Neue­rer, die sie da­mals wa­ren, mit et­was schlech­tem Ge­wis­sen: I am afraid, I like them more than I ought, sag­te er mit ei­nem schalk­haf­ten Seuf­zer, wahr­schein­lich im Hin­blick auf Hil­de­brand, den äs­the­ti­schen Dik­ta­tor des Krei­ses, der die­se Poe­sie ab­lehn­te. Ich teil­te Grants Be­wun­de­rung, be­son­ders für Swin­bur­ne, in dem bei un­wi­der­steh­li­cher Form­ge­walt et­was von der kal­ten Glut des ge­fal­le­nen En­gels zu lo­dern schi­en. Grant war im gan­zen Um­kreis der ein­zi­ge, dem die Un­wäg­bar­keit der ly­ri­schen Dich­tung Le­bens­luft be­deu­te­te, wo die an­dern sich mit Li­te­ra­tur be­fass­ten! Sei­ne ei­ge­nen Ge­dich­te, de­ren er nur ein schma­les Bänd­chen dru­cken ließ, wa­ren von au­ßer­or­dent­li­cher Zart­heit und See­len­tie­fe bei großer Sch­licht­heit der Form, blie­ben aber mit ih­rer Wir­kung auf den engs­ten Freun­des­kreis be­schränkt.

      Grant be­saß nahe Freun­de im eng­li­schen Hochadel, die ihn zu­wei­len auf Rei­sen ab­hol­ten, und es ehrt die­se Glie­der ei­ner höchst be­vor­rech­te­ten Kas­te, dass sie den geist­strö­men­den Dich­ter trotz sei­ner großen Ar­mut nicht nur völ­lig als Glei­chen be­han­del­ten, son­dern sich auch in al­lem nach sei­nen Wün­schen rich­te­ten. Sie hat­ten ihm ein dau­ern­des Zu­sam­men­le­ben vor­ge­schla­gen, das er je­doch ab­lehn­te, weil er sei­ner Ar­mut und völ­li­gen Un­ge­bun­den­heit treu blei­ben woll­te.

      Un­ter den Be­su­chern des Hau­ses muss hier auch Ed­gars un­zer­trenn­li­ches, wie­wohl ihm sehr un­ähn­li­ches zwei­tes Ich ein­ge­führt wer­den, sein ita­lie­ni­scher Kol­le­ge Dr. Car­lo Van­zet­ti, mit dem er sich auf Ge­deih und Ver­derb ge­gen die feind­se­li­ge Rück­stän­dig­keit der da­mals noch halb im Mit­tel­al­ter ste­cken­den ein­hei­mi­schen Wis­sen­schaft zu­sam­men­ge­schlos­sen hat­te. Die­ser trat je­doch erst spä­ter deut­lich in mei­nen Licht­kreis; um jene Zeit kann­te ich ihn zu we­nig, um ihn nach Geist und Cha­rak­ter rich­tig ein­zu­schät­zen. Äu­ßer­lich war er eine Au­gen­wei­de, von ath­le­ti­scher Kraft und Ge­schmei­dig­keit, nicht nur als glän­zen­der Fech­ter be­kannt, son­dern eben­so je­der Art von Gym­nas­tik lei­den­schaft­lich hul­di­gend und sie auch zu Heil­zwe­cken ver­wen­dend, was jene Zeit noch als ganz ab­son­der­lich be­lä­chel­te. Es ging ihm der Ruf großer Rit­ter­lich­keit vor­an, weil er un­ter den ein­hei­mi­schen Ärz­ten der ers­te und ein­zi­ge war, der es wag­te den da­ma­li­gen grau­si­gen Übel­stän­den der städ­ti­schen Spi­tä­ler in ei­ner lan­gen Zei­tungs­feh­de zu Lei­be zu rücken, sich da­mit heim­li­chen Ver­fol­gun­gen und Ge­fah­ren al­ler Art aus­set­zend. Das pass­te ge­ra­de sei­ner Drauf­gän­ger­na­tur; er nahm sich einen ehe­ma­li­gen Ca­ra­bi­nie­re, einen ver­we­ge­nen und ge­witz­ten Bur­schen, zum Die­ner, in des­sen Ge­sell­schaft er man­cher­lei Husa­ren­stück­chen aus­führ­te. Im ge­sell­schaft­li­chen Rah­men aber er­schi­en er zu­nächst nicht zu sei­nem Vor­teil. Er war in so vie­le Aben­teu­er mit der Weib­lich­keit, be­son­ders der un­te­ren Stän­de, ver­strickt, dass er we­der Zeit noch Ge­le­gen­heit zum Um­gang mit ge­bil­de­ten Frau­en fand und sich sol­chen ge­gen­über nicht zu ge­ben wuss­te. Ich hielt ihn zu An­fang we­gen der vie­len Flos­keln, die er ins Ge­spräch zu men­gen lieb­te, für aus­ge­macht ein­fäl­tig und be­griff erst, als er an­fing na­tür­lich zu re­den, was mein an­spruchs­vol­ler Bru­der an die­sem Ge­nos­sen hat­te, der al­les be­saß, was ihm fehl­te, vor­ab die Wen­dig­keit und nach­sich­ti­ge Lie­bens­wür­dig­keit im Men­schen­ver­kehr und eine strah­len­de, durch nichts zu trü­ben­de Lau­ne. Er war wie von ma­gne­ti­schen Wel­len um­ge­ben, die die an­dern mit­ho­ben, dass es auch dem Miss­mu­ti­gen un­mög­lich war, in sei­ner Nähe ver­stimmt oder trüb­se­lig zu blei­ben, und dass auch gleich, wo er er­schi­en, sich jung und alt, Mensch und Tier zu ihm he­randräng­te. Mit Hil­de­brand teil­te er die­se ma­gisch-ma­gne­ti­sche Ei­gen­schaft, den Au­gen­blick wahr­haft sei­end zu ma­chen, aber bei ihm kam sie nicht wie bei je­nem aus der hö­he­ren Geis­tes­welt. Van­zet­ti stand ganz im Zei­chen des Erd­geists: um das rich­tig zu er­fah­ren, muss­te man sich mit ihm im Boot auf dem Mee­re oder im Hoch­ge­birg be­fin­den, wo sei­ne Nähe wie die ei­ner wohl­ge­sinn­ten Na­tur­gott­heit Si­cher­heit ver­brei­te­te. Man konn­te kei­ne so großen Din­ge mit ihm re­den wie mit den obe­ren Göt­tern, aber es fiel zu­wei­len ein un­er­war­te­tes Streif­licht aus sei­ner Sin­nen­welt in die geis­ti­ge, sie von ei­ner ganz an­de­ren Rich­tung her neu und über­ra­schend be­leuch­tend. In al­lem, was au­ßer­halb

Скачать книгу