Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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hat­te und, vor ei­ner ent­sa­gungs­vol­len Ver­lo­bung ste­hend, ihn noch ein­mal se­hen woll­te, war mit da­bei. Wir gin­gen zu drei­en im Wal­de von Be­ben­hau­sen spa­zie­ren. Von der Stim­mung der bei­den, die sich un­ter Scherz­wor­ten Tie­fe­res sag­ten, wor­auf ich nicht son­der­lich ach­te­te, ging eine selt­sa­me Ver­zau­be­rung aus. Mich brach­ten sie durch Vor­spie­ge­lung von ei­nem un­sag­bar ge­heim­nis­vol­len Et­was, das un­ter die­sen Bäu­men war­te, da­hin, dass ich mit of­fe­nen Au­gen träum­te und mich im­mer tiefer in den Wald ver­schlep­pen ließ. Auf ei­ner mon­dum­flos­se­nen Lich­tung soll­te mein Lieb­lings­roß gra­sen, es wür­de sich, wenn ich käme, nei­gen, um mich auf­stei­gen zu las­sen und mich ins Reich der Wun­der zu tra­gen. Eine Stim­mung wob durch die Blät­ter wie auf Böck­lins Schwei­gen im Wal­de. Rufe ihn, sag­ten sie. Ab­del Ke­rim! Ab­del Ke­rim! rief ich und eil­te mit aus­ge­streck­ten Ar­men vor­wärts. Die bei­den lach­ten hin­ter mir her wie toll, ich glau­be, sie küss­ten sich hin­ter mei­nem Rücken, die Schel­me.

      Es wa­ren freund­li­che Ster­ne, die das jun­ge Mäd­chen nach Mün­chen führ­ten. Ich fand von vorn­her­ein herz­li­chen An­schluss an zwei Fa­mi­li­en, die mich zu­vor schon als Gast be­her­bergt hat­ten, die des be­rühm­ten Rechts­leh­rers v. Brinz, ei­nes köst­lich fri­schen, tat­fro­hen Ös­ter­rei­chers, und sei­ner see­len­vol­len Gat­tin, die uns von Tü­bin­gen her na­he­stan­den, so­wie an das Lud­wig Ba­reiß­sche Haus, je­nes Ur­bild alt­schwä­bi­scher Gast­lich­keit, das um jene Zeit un­sern al­ten Freund Lud­wig Pfau als Dau­er­gast be­her­berg­te. Die­ser er­wies mir nun den Lie­bes­dienst, mich in die Münch­ner Schrift­stel­ler- und Künst­ler­krei­se ein­zu­füh­ren, vor al­lem in das Haus des Kom­po­nis­ten Ro­bert v. Horn­stein, des­sen ent­zücken­de Frau mich als­bald un­ter ihre Fit­ti­che nahm. Baro­nin Horn­stein war eine feen­haf­te Per­sön­lich­keit, in der sich Schön­heit, An­mut, See­len­gü­te, Mut­ter­witz mit dem leicht­be­weg­li­chen rhei­ni­schen Na­tu­rell zu ei­ner un­ver­gleich­li­chen Mi­schung ver­ei­nig­ten. Wer die­se Frau ge­se­hen hat­te, der konn­te des­sel­ben Ta­ges nicht mehr trau­rig sein; sie hielt im­mer­dar ein un­sicht­ba­res Füll­horn in der Hand, aus dem der Se­gen auf al­les, was ihr na­he­trat, ström­te. Sie kam gleich, zu se­hen, wie ich un­ter­ge­bracht sei, und da ihr mein Ofen kein Zu­trau­en ein­flö­ßte, schick­te sie mir einen aus ih­rem ei­ge­nen Haus­halt. Zu­nei­gung ist eine Sa­che, die sich auf ma­gne­ti­schem Wege mit­teilt, sie füllt die Luft und braucht nicht aus­ge­spro­chen zu wer­den. So ging es mir mit Char­lot­te v. Horn­stein. Ich wuss­te so­gleich, dass ich die­ser Frau un­be­dingt ver­trau­en durf­te und dass ich sie nie wie­der aus mei­nem Le­ben ver­lie­ren wür­de. Sie er­wies mir die Aus­zeich­nung, mich gleich als stän­di­gen Gast zu ih­rem be­rühm­ten Sonn­tags­kaf­fee ein­zu­la­den, wo ich als ein­zi­ges jun­ges Mäd­chen un­ter lau­ter rei­fe­ren Frau­en und den Spit­zen der Münch­ner Künst­ler- und Ge­lehr­ten­welt saß. Der Haus­herr war äu­ßer­lich das völ­li­ge Wi­der­spiel sei­ner ele­gan­ten, glän­zen­den Gat­tin. Klein, un­an­sehn­lich, von we­nig ge­pfleg­tem An­zug, schwei­gend, wenn er nicht et­was Be­son­de­res zu sa­gen hat­te, zog er doch mit sei­nem köst­li­chen Hu­mor und sei­ner geist­rei­chen Ur­wüch­sig­keit stets die La­cher auf sei­ne Sei­te. Er schwä­bel­te ein we­nig und hat­te bei sei­ner Ab­stam­mung von ei­nem al­ten reichs­frei­herr­li­chen Ge­schlecht den all­er­de­mo­kra­tischs­ten Hang im Blu­te, der ihn zwang, von Zeit zu Zeit für ein paar Tage wie ein Hand­werks­bursch auf die Wan­de­rung zu ge­hen und sich un­ter dem Vol­ke um­her­zu­trei­ben. Sol­che Nahr­haf­tig­keit und Freu­de an al­lem Ur­sprüng­li­chen bei al­tad­li­gem Ge­blüt und großer see­li­scher Ver­fei­ne­rung hei­mel­te mich von mei­ner Mut­ter her an, und ich schloss mit ihm noch eine Son­der­freund­schaft, wie in der Fol­ge mit al­len Glie­dern sei­ner Fa­mi­lie.

      Noch eine an­de­re der ge­fei­er­ten Münch­ner Frau­en nahm sich des jun­gen, al­lein­ste­hen­den Mäd­chens mit Wär­me an, die durch selbst­stän­di­ges Den­ken und männ­li­che Cha­rak­terei­gen­schaf­ten so­wie durch ihre stren­ge Schön­heit aus­ge­zeich­ne­te Ro­sa­lie Braun-Ar­ta­ria, die mir auch einen erns­te­ren geis­ti­gen Aus­tausch bot und de­ren Freund­schaft mich gleich­falls durchs Le­ben be­glei­ten soll­te. Da­mit war der Ein­gang in die sonst so ab­ge­schlos­se­ne Münch­ner Ge­sell­schaft ge­fun­den, und man­ches glän­zen­de Haus öff­ne­te mir sei­ne gast­li­chen Pfor­ten. Aber auch wenn es an­ders ge­we­sen wäre, der blo­ße Um­stand, dass ich kei­nen klein­städ­ti­schen Miss­ver­ständ­nis­sen mehr aus­ge­setzt und nur noch für mein ei­ge­nes Tun und Las­sen ver­ant­wort­lich war, ließ mich auf­at­men. Nur was ich mir von Kind­heit an so in­nig er­sehnt hat­te, das vol­le »Da­zu­ge­hö­ren«, fand ich auch in Mün­chen nicht. War’s die Fol­ge der lan­gen Ver­ken­nung und An­fein­dung, war’s, dass ich mich jetzt als ein­zi­ge Wer­den­de un­ter lau­ter Ge­reif­ten, Fer­ti­gen be­fand, oder war’s mir an­ge­bo­ren? Ich konn­te mich nur als lie­be­voll emp­fan­ge­nen Gast, nicht als Mit­glied des er­le­se­nen Krei­ses emp­fin­den, und das Ge­fühl des Fremd­seins, das im­mer und über­all mit mir ging, ver­ließ mich auch in Mün­chen nicht. Was der emp­find­sa­men Kin­des­see­le Lei­des zu­ge­fügt wor­den ist, das hin­ter­lässt eine Nar­ben­schrift, die schwer ver­löscht. Und ich brauch­te auch noch grö­ße­ren Raum, um zu wach­sen.

      Dass Paul Hey­ses von edels­tem künst­le­ri­schem Ge­schmack re­gier­tes Haus, wo die jun­ge, sehr schö­ne, von ihm an­ge­be­te­te Frau an­mu­tig thron­te, mir gleich­falls gast­lich of­fen stand, er­gab sich aus sei­ner en­gen Freund­schaft mit mei­nem ver­stor­be­nen Va­ter von selbst. Hey­se, in sei­ner lan­ge be­wahr­ten Ju­gend­lich­keit sel­ber noch ein schö­ner und ge­win­nend lie­bens­wür­di­ger Mann, herrsch­te wi­der­spruchs­los in der Ge­sell­schaft wie in der Li­te­ra­tur, wo sich ja sein Ein­fluss bis in die Schreibart her­un­ter be­merk­bar mach­te. Als ein Meis­ter der Rede hat­te er mit sei­ner ho­hen Kul­tur und sei­nem ganz nord­deutsch ge­rich­te­ten Witz, der in hun­dert Fas­set­ten fun­kel­te und auch das Wort­spiel bis her­ab zum Kalau­er nicht ver­schmäh­te, in je­dem Ge­spräch die Ober­hand, wo­bei er doch nie die vor­neh­me Ver­bind­lich­keit au­ßer acht ließ, die ihn zu ei­ner wahr­haft fürst­li­chen Er­schei­nung mach­te. Die­ser spie­le­ri­schen Gra­zie, die das Wort als Selbst­zweck be­han­del­te, wa­ren die süd­deut­schen Zun­gen nicht ge­wach­sen. Zwar im schla­gen­den Ein­fall war ihm Franz Len­bach, im leich­ten ge­sell­schaft­li­chen Ge­plän­kel die Baro­nin Horn­stein eben­bür­tig. Aber bei schär­fe­ren Re­de­kämp­fen fand sich nie­mand, der ihm die Stan­ge hielt, und es war ein Schau­spiel, Hey­se in sol­chen Au­gen­bli­cken zu se­hen. Ei­ner so be­ste­chen­den Dich­ter­per­sön­lich­keit konn­te eine be­geis­ter­te weib­li­che Ge­mein­de nicht feh­len, die ihm stets un­be­dingt beipflich­te­te und sich geis­tig ganz nach ihm ge­mo­delt hat­te. An der Toch­ter sei­nes Freun­des, der er bis­her aus der Fer­ne eine Art li­te­ra­ri­scher Vor­mund ge­we­sen war. fand er aber im per­sön­li­chen Ver­kehr ein un­lenk­sa­mes Mün­del. Zwar sei­nen Rat, kei­ne Ge­dich­te dru­cken zu las­sen, ehe ein aus­ge­reif­ter Band bei­sam­men wäre, habe ich weis­lich be­folgt und ihm zeit­le­bens ge­dankt. Im üb­ri­gen aber wehr­te ich mich ge­wal­tig ge­gen sein Über­ge­wicht. Was er mei­nem Va­ter ge­we­sen, in des­sen ver­düs­ter­tes Le­ben er den letz­ten tröst­li­chen Abend­schim­mer

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