SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi
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Читать онлайн книгу SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York - Ronald Malfi страница 12
Tressas Wohnkomplex war heruntergekommen. Die Ziegelfassade war von zahlreichen Bränden dunkel wie ein blauer Fleck. Er war nur einmal hier gewesen, aber wie es aussah, hatte sich kaum etwas verändert. Hinter einem Metallzaun bellte ihn ein mürrischer Airedale-Terrier an, als er vorbeiging. Der Lärm zog mehrere Augenpaare an, die ihn aus verdunkelten Fenstern im ersten Stock anstarrten wie Fledermäuse mit schwarzen Knopfaugen aus ihrer Höhle heraus. Auf einer Feuerleiter über ihm saß eine Clique struppig aussehender Kinder, die ihn beobachteten wie Bauern, die einem Reisenden aus einem weit entfernten Land dabei zusahen, wie er ihr Dorf betrat.
Ein Notausgang auf der Rückseite des Gebäudes wurde durch einen Plastikbehälter offengehalten. John stieg über ihn hinweg und betrat einen dunklen, schimmlig riechenden Flur. Der stechende Geruch nach frischem Urin schlug ihm ins Gesicht. Irgendwo in weiter Ferne konnte er ein kleines Kind weinen hören, und eine TV-Spielshow war zu laut aufgedreht. Tressa Walker wohnte im zweiten Stock. Obwohl John schon einmal hier gewesen war, hatte er ihre Wohnung nicht betreten.
Er ging die Treppen nach oben und gab sich Mühe, leise zu laufen. Entlang der unverputzten Wände aus Ziegelsteinen boten Graffiti Lebensweisheiten wie phuck off und smoke it. Oben angekommen blieb John vor der Tür zu Tressas Wohnung stehen. Er klopfte einmal. Aus dem Inneren waren einige aufgeregte Geräusche zu hören, aber niemand kam, um zu öffnen. Wie beiläufig sah er sich um. Der Flur war leer, nur eine hungrig aussehende Katze starrte ihn von ihrem Platz auf der Fensterbank an.
Er klopfte wieder. »Tressa?«
Er hörte, wie sich Schritte der Tür näherten und ein Riegel zurückgeschoben wurde. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Hinter einer Sicherheitskette tauchte der Kopf von Tressa Walker auf, die ihn mit großen Augen anstarrte. Sie sah misstrauisch aus. Eine Strähne ihrer lockigen Haare fiel ihr ins Gesicht und verdeckte ihr linkes Auge. Als sie ihn erkannte, legte sich ihre Stirn in Falten und sie sah aus wie jemand, der gezwungen war, sich auf zu viele Dinge auf einmal zu konzentrieren.
»Äh …«
»Bist du allein?«, fragte er.
Sie kaute an ihrer Unterlippe, nickte, schien die Situation zu durchdenken. Schließlich öffnete sie die Kette und ließ ihn herein.
»Ganz schönes Chaos hier«, sagte sie.
Die Wohnung war klein und zugig. Es gab nur ein größeres Wohnzimmer mit einer Kochnische sowie einen kurzen Korridor, der zu zwei Räumen führte, bei denen es sich wahrscheinlich um ein Bad und ein Schlafzimmer handelte. Bis auf wenige Ausnahmen war nichts dekoriert oder wohnlich eingerichtet. Das Wohnzimmer war gefüllt mit einer Ansammlung weggeworfener Dinge: zersplitterte Möbel und zerfetzte Sessel, aus denen sich die Federn wie Schlangen aus einer Grube emporwanden; Gartenlaternen aus Krepp, zusammengebunden und an der Decke befestigt; nicht zueinander passende Keramikvasen; staubige Schallplatten, die ohne Hülle auf dem Teppich ausgebreitet waren; winzige Bilder in Holzrahmen an den Wänden, mit so kleinen Fotos, dass es unmöglich war, die Gesichter zu erkennen. Trotz der zahlreichen merkwürdigen Artefakte, die im Raum verteilt waren – allen voran ein ausgestopfter Leguan, der auf einer alten Zenith-Tischuhr saß – waren es die gerahmten Bilder, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen. Es dauerte eine Weile, bis John begriff, woran das lag: Auf ihre Art waren diese Bilder Tressa Walkers Versuch, etwas Menschliches, Zivilisiertes in ihr Leben zu bringen. Im Gegensatz zu den Keramikvasen, den Gartenlaternen und dem ausgestopften Leguan waren diese Bilder geplant aufgehängt worden, und sie waren menschlich. Auch er hatte zu Hause Bilder an den Wänden.
»Erwartest du jemanden?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf und rieb sich den linken Arm, bevor sie in die Küchenecke schlüpfte und so tat, als sei sie beschäftigt. Durch das kleine Fenster über der Spüle kam graues Tageslicht herein und ergoss sich als stumpfes Halbdunkel über die schmutzige Formica-Arbeitsplatte. Ein leichter Nieselregen pochte gegen die Scheibe.
»Nein.«
»Deveneau ist nicht da?« Er blickte den Flur entlang und versuchte, einen Blick ins Schlafzimmer zu werfen. Die Tür war geschlossen.
»Er ist rausgegangen. Warum bist du hier?«
In der Mitte des Zimmers stand ein Babybett, halb verborgen unter einem Berg ungewaschener Wäsche. Wie die Bilder an der Wand gab auch das Bettchen dem Raum etwas seltsam Menschliches, wenn auch mehr aus Notwendigkeit denn aus bewusstem Handeln.
»Ist das Baby da?«
»Schläft im anderen Zimmer. Wir sollten also leise sein.« Sie ging ans andere Ende des Raumes und sammelte etwas Wäsche auf, um auf dem Sofa Platz zu machen. »Du kannst dich hinsetzen.«
»Schon gut.«
»Was ist los? Warum bist du gekommen?«
»Was ist mit deinem Arm passiert?«
Sie blickte an ihrem Arm herab, als ob der unübersehbare, zwischen lila und braun schimmernde blaue Fleck ihr erst jetzt aufgefallen wäre. Der blaue Fleck kam nicht von den Drogen – sie hatte genug davon zum Vergleich – sondern sah eher aus wie die Art von Bluterguss, die durch starke, grob zupackende Finger verursacht wurden. Die Finger einer anderen Person.
»Es ist nichts«, sagte sie. Dann wechselte sie das Thema: »Ich sollte mich für gestern Abend bei dir bedanken. Dieser Kerl wollte mich umbringen. Ich dachte schon, ich wäre …« Sie zuckte mit den Schultern, als ob das, was in der letzten Nacht geschehen war, plötzlich keine große Sache mehr wäre. »Und dann Deveneau – er hat dich wie verrückt gelobt dafür, was du getan hast, weißt du? Wie du diesen Typen erschossen hast, um mein Leben zu retten, und wie du uns dann geholfen hast, abzuhauen.«
»Ich habe niemandem geholfen, abzuhauen«, sagte er. »Ich bin euch beiden nur gefolgt. Ich bin kein großer Freund davon, mir ein Loch in den Kopf schießen zu lassen.«
»Gut, aber du hast immer noch diesen Typen umgebracht. Hättest du das nicht getan, wäre ich jetzt tot. Ich verdanke dir also mein Leben. Dafür danke ich dir.«
Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass wir die Ermittlungen einstellen.« Es gab keine Notwendigkeit, ihr die Situation zu erklären, keine Notwendigkeit, ins Detail zu gehen. Solche Dinge würden sie ohnehin nicht interessieren. Sie berührten sie nicht, spielten keine Rolle und hatten nichts mit ihr an diesem Ort und in diesem Moment zu tun.
»Was ist mit mir?«
»Ich lasse dich laufen«, sagte er. »Dich und Deveneau.«
Es brauchte etliche Momente, bevor sie die richtigen Worte fand, überhaupt irgendwelche Worte. »Das war es dann?« Sie schien gleichzeitig