SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi

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SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York - Ronald  Malfi

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und ein talentierter Agent. Obwohl er älter war als die meisten Kollegen in Johns Einheit, sahen sie Kersh nicht als Vaterfigur, sondern eher als abgestumpften Eigenbrötler mit einer Vorliebe für das Banale. In einem weniger rücksichtsvollen Umfeld hätte seine zerzauste und ungelenke Figur für Kichern hinter seinem Rücken gesorgt. »Alles klar bei dir?«

      »Geht schon«, sagte John und blickte auf das Milchglas in der Tür, »aber ich denke, die Dinge werden sich ändern.«

      »Mach dir keine Sorgen. Wie geht es deinem Vater?«

      »Stabil.«

      »Alles klar.« Kersh schaute beiläufig auf seine Fingernägel. Er hatte sie bis auf das Nagelbett abgekaut. »Katie?«

      »Sie ist hart im Nehmen.«

      »Hm.« Kersh ließ seinen Kopf gegen die Wand sinken. An seinem Kinn war ein kleiner roter Schnitt, den er sich beim Rasieren zugefügt hatte. »Diese Typen hier verstehen nicht, was wir tun. Und es interessiert sie auch nicht. Vergiss das nicht.«

      Die Bürotür öffnete sich und ein paar Anzugträger kamen im Gänsemarsch heraus. Sie sprachen leise miteinander und widmeten John und Bill Kersh nicht mehr als einen Blick aus den Augenwinkeln. Als Gruppe zogen sie sich über den Flur zurück. Ihre Schuhe klackerten laut auf dem Marmorboden, während ihre langgezogenen Schatten sich die Wand entlang schoben.

      Eine junge Frau trat aus Biddlemans Büro. »Mr. Biddleman empfängt Sie jetzt.«

      Roger Biddlemans Büro war geräumig und gut eingerichtet, mit einer Wand aus Fenstern, unter der sich die Heilige Dreifaltigkeit des Polizeiplatzes, des Metropolitan Correctional Centers und der gotischen Kirchtürme von St. Andrews ausbreiteten. An den holzgetäfelten Wänden hingen gerahmte Fotografien, in deren Glasscheiben die Reflexionen Manhattans schimmerten. Den Boden bedeckte ein Schritte schluckender, flauschiger grüner Teppich und die Stühle vor Biddlemans Schreibtisch waren mit Cordovan-Leder gepolstert und mit Messingnägeln verziert. Das gesamte Zimmer roch nach Zedernholz und schwach nach Zigarrenrauch.

      Biddleman stand von seinem Schreibtisch auf und deutete mit einem Kopfnicken auf die Stühle. Er war ein großer Mann mit schmalen Schultern, silbergrauen Augen und eingedrückten Schläfen. Er lächelte und zeigte eine perfekte Reihe weißer, ebenmäßiger Zähne. »Nehmen Sie Platz.«

      Sie setzten sich.

      »Roger«, sagte Kersh und faltete die Hände in seinem Schoß.

      »Bill.« Biddleman ließ sich in seinen Stuhl sinken und massierte seine Schläfen. Unterhalb seiner Augen waren dunkle Furchen zu sehen und entlang seiner Nase verliefen zahllose kleine Blutgefäße. »Sie werden von mir keine Streicheleinheiten bekommen, meine Herren. Letzte Nacht war eine gottverdammte Katastrophe.« Auf Biddlemans Schreibtisch lagen verstreute Papiere.

      Biddleman blätterte wie abwesend und mit einer Hand, bis er das fand, was er gesucht hatte. »Polizeibeamter … Leland Mackowsky«, las er laut. Er machte eine Pause und sah sie über den oberen Rand des Papiers hinweg an. »Ein siebenundzwanzigjähriger Junge, der seit drei Jahren bei der Truppe ist. Er liegt im Krankenhaus, NYU Downtown, mit einem zerschmetterten Schlüsselbein und massiven inneren Blutungen. Alles Folgen der Schießerei von letzter Nacht. Hat eine gottverdammte Kugel im oberen Brustbereich abbekommen, knapp unter seinem Hals. Zum Glück hat er sein Gesicht nicht eingebüßt. Es hat ihn ganz schön erwischt.«

      »Das ist uns bewusst«, sagte Kersh. »Wir haben gestern Abend mit den Kollegen vom Detective Department und dem Staatsanwalt gesprochen.«

      »Ganz zu schweigen von den beiden Männern, die erschossen hinter dem Tresen lagen, John.« Die Augen des stellvertretenden Bezirksstaatsanwalts waren jetzt auf ihn gerichtet. »Einen davon haben Sie getötet.« In seiner Stimme lag Verachtung, von der John den Eindruck hatte, dass sie bewusst zur Schau gestellt wurde. Biddlemans Augen waren klein und nagetierartig, sein Teint war wächsern und die Gesichtshaut grobkörnig. Er erinnerte John an eine alte Schaufensterpuppe, von der sich die Oberfläche abschälte. »Was zum Teufel ist letzte Nacht passiert?«

      »Offenbar hat das New York Police Department Deveneau und seinen Klub seit Monaten wegen Rauschgifthandels im Visier«, sagte John. »Informanten hatten den Kollegen beim NYPD gesteckt, dass an diesem Abend ein Geschäft über die Bühne gehen würde, also haben sie zugeschlagen. Sie wussten nicht, dass wir da waren, und wir hatten keine Ahnung, dass sie kommen würden.«

      Biddleman trommelte mit den Fingern auf seinen Schreibtisch. »Ich denke, die Dinge hätten ein wenig kontrollierter ablaufen sollen.«

      »Wir sind nur für uns selbst verantwortlich …«

      »Die Kommunikation hätte besser sein müssen, mehr Professionalität wäre angebracht gewesen …«

      »Professionalität?« John stieß ein Lachen aus. »Kommen Sie schon. Es gibt das FBI, die Drogenbehörde, den Secret Service, die Bundespolizei, das NYPD, die Verkehrspolizei – da laufen eine Million Jungs mit Knarren und Dienstplaketten herum und versuchen, die Scheiße in den Griff zu kriegen. Denken Sie, wir setzen uns vor jeder Operation zusammen, trinken Tee und diskutieren mit aller Welt? Manchmal läuft es eben scheiße, und letzte Nacht war es mal wieder so weit.«

      »Ich bin nicht an Entschuldigungen interessiert«, sagte Biddleman, »und Sie sollten nicht so überheblich sein. Wir haben diese Art von Unterhaltung schon einmal geführt. Sie haben einen Menschen erschossen und sind dann davongerannt, wie der Verbrecher, der Sie zu sein vorgaben. Das hier ist kein Filmset. Das ist das wirkliche Leben. Alle Ihre Handlungen haben Konsequenzen.«

      John schob sich auf seinem Stuhl zurück. Er konnte Kersh neben sich spüren, reglos und unbeeindruckt. »Ich brauche keinen Vortrag.«

      Biddleman beugte sich auf seinem Stuhl nach vorn. Sein schmales Gesicht spiegelte sich auf dem polierten Mahagoni-Tisch. »John, haben Sie den ersten, tödlichen Schuss abgefeuert?«

      »Ja. Er wollte die Informantin töten. Ich habe ihn erschossen, um ihr Leben zu retten.«

      »Hatte er die Absicht, Sie zu töten?«

      »Ich weiß nicht, was nach ihrem Tod geschehen wäre.«

      »Waren Sie in unmittelbarer Gefahr oder haben Sie nur Ihre Rolle als Undercover-Agent nicht unter Kontrolle gehabt?«

      John fühlte ein Brennen in der Magengrube. Aus irgendeinem Grund dachte er in diesem Augenblick an seinen Vater: niedergestreckt und unbeweglich unter einer Wand von blinkenden, piependen medizinischen Geräten. »Das steht Ihnen nicht zu«, sagte er zu Biddleman. »Was zum Teufel denken Sie, wer ich bin?«

      Kersh hob eine Hand. Seine Stimme war ruhig. »Roger«, sagte er. »Hören Sie zu. Der Schuss war gerechtfertigt, das wissen Sie. Was soll das Ganze?«

      »Gar nichts. Sie haben Francis Deveneau laufen lassen. Der Fall hat sich erledigt. Niemand von meinen Leuten wird die Sache anrühren. John, ich persönlich denke, dass Sie die Kontrolle verloren haben, dass Sie die Situation falsch eingeschätzt haben. Aber das ist das Problem des Secret Service.«

      »Das darf doch nicht …«

      »Roger«, sagte Kersh, »lassen Sie uns die Sache noch einmal in Ruhe durchgehen. John ist Deveneau noch immer dicht auf den Fersen. Wir müssen sein Falschgelddepot ausheben und uns dann seinen Lieferanten vornehmen. Die lokalen Behörden haben kein Problem damit. Das NYPD und das Büro des Staatsanwalts sagen beide, dass sie nichts tun werden, was unsere Operation gefährdet.

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