SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi
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»Du kannst Deveneau sagen, dass mir die Situation zu abenteuerlich geworden ist, nach dem, was im Klub passiert ist, und dass ich nicht mehr daran interessiert bin, Geschäfte zu machen.«
»Einfach so?« Bevor sie zugestimmt hatte, mit dem Secret Service zusammenzuarbeiten, hatte Tressa Walker eine lange Zeit im Gefängnis gedroht. Und sie hatten ihr klargemacht, dass der Kinderfürsorgedienst ihr das Baby wegnehmen würde, wenn sie nicht kooperierte. Ihre Einwilligung, John in den inneren Kreis von Deveneau einzuführen, hatte ihr das Gefängnis erspart und ihr Baby hatte zu Hause bleiben können. Er sah es ihren Augen an, dass sie gerade nicht wusste, was sie mit dieser neuen Information anfangen sollte. Sie blinzelte zweimal, langsam und sichtbar, und strich sich die Haarsträhne aus den Augen. »Du lässt mich einfach so laufen?«
»Einfach so.«
»Was ist mit unserem Deal?«
»Ich habe gesagt, dass ich dich davonkommen lasse. Mit der ganzen Geschichte. Es ist vorbei.«
»Dann … danke. Noch einmal.« Sie bewegte ihren Wäschehaufen in einen anderen Teil des Zimmers in dem verzweifelten Bemühen, beschäftigt zu wirken. Währenddessen kaute sie die ganze Zeit lautlos an ihrer Unterlippe – ein Zeichen dafür, dass ihre Gedanken weiter durch den Kopf kreisten.
»Sei schlau und mach was daraus. Bring dein Leben in Ordnung. Du hast jetzt wieder eine saubere Weste, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht ganz leicht wieder schmutzig werden kann.«
»Oh, damit bin ich fertig«, sagte sie. »Ich habe gesagt, dass ich die Finger davon lasse, nicht wahr? Ich habe ein Baby, um das ich mich kümmern muss.« Mit dem Rücken zu ihm hantierte sie mit einigen Plastik-Babyflaschen und trug sie zur Spüle. Verloren in dem Versuch, alle Puzzleteile zusammenzufügen, drehte sie das Wasser auf, bewegte sich aber nicht. »Ganz ernsthaft. Vielen Dank.«
»Sorg dafür, dass es nicht umsonst war.«
»Richtig.« Sie drehte sich um und trocknete ihre Hände an einem Küchentuch. »Das Baby weint.«
»Oh …« Er ging zur Tür. »Ich gehe.«
Wieder konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie furchtbar jung und furchtbar naiv war. Sie war nicht mehr als ein Kind.
»Gut … danke.«
Er nickte und schlüpfte in den Flur hinaus.
***
Manhattan hatte eine Art, seine Bewohner zu bestimmten Zielen zu führen, ohne dass ihnen dies bewusst wurde. Jedenfalls war dies Johns Gefühl, als er am späten Nachmittag vor dem NYU Downtown stand, dem Krankenhaus, in dem sein Vater lag.
Im Inneren, auf der Intensivstation, war ein ständiges Kommen und Gehen. Die Krankenschwestern, die über den Flur eilten, sahen aus wie Frauen auf dem Weg zur Beichte – düster, trostlos und unfähig oder unwillig, einem Fremden in die Augen zu sehen. Gelegentlich schlurften Patienten in weißen Papierhemden und mit einem verlorenen Ausdruck im Gesicht vorbei, wie Menschen, die nicht so recht wussten, wo sie hinsollten. Meist war es einfach nur still.
Das Zimmer seines Vaters befand sich am Ende des Korridors. Die Tür war geschlossen. Neben der Tür war ein Fenster mit heruntergelassener Jalousie, an der Wand hing ein Trinkbrunnen. Er stellte sich davor und starrte ihn lange an. Dann beugte er sich hinunter und trank.
Sein Vater. Eine Vielzahl von Bildern überflutete ihn – von Gedanken und Erinnerungen, von Vorstellungen und Ideen und Konflikten. Für einen Augenblick konnte John sich fast an den Traum von letzter Nacht erinnern, aber zu schnell war alles wieder verschwunden. Sein Vater. Das Leben hatte dem alten Mann einen Knüppel zwischen die Beine geworfen und damit dafür gesorgt, dass auch sein einziges Kind ins Stolpern geraten war. So stand er nun vor der Tür zum Krankenzimmer seines Vaters, auf einem Korridor, der so farb- und leblos wirkte, dass die sonnenbeschienenen Lamellen in den Jalousien beinahe einen spöttischen Eindruck machten. John verschränkte die Finger ineinander, legte beide Hände auf seine Brust und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er starrte auf die Schrammen in den Bodenfliesen, auf das Holzmuster der Türen, blickte nach oben zu den Leuchten an der Decke.
In seiner Vorstellung sah er den alten Mann, wie er einst gewesen war – männlich und mit unerschöpflicher Kraft, lebendig, mit einer Jugendlichkeit, die sowohl die Natur als auch Gott herausforderte. Und das Schlimmste: All dies war er vor nicht allzu langer Zeit noch gewesen. In gewisser Weise war es nicht der unvermeidliche Tod des Vaters, der John am meisten Angst machte. Viel mehr Angst machte ihm die unerwartete Geschwindigkeit, mit der ihn die Krankheit besiegte.
John erinnerte sich an ein altes, gerahmtes Foto, das sein Vater in einem Regal in der Garage aufgestellt hatte. Damals hatten sie noch zusammen in dem kleinen Haus in Brooklyn gelebt. Das Foto zeigte den Vater in seinem Feuerwehranzug mit gelb leuchtenden Reflektorstreifen und mit dem Feuerwehrhelm auf dem Kopf. In großen weißen Buchstaben war die Abkürzung »FDNY« auf seiner breiten Brust zu sehen. Den Mann auf diesem Bild hatte John immer vor Augen, wenn er an seinen Vater dachte. Einen Mann, der nie jemanden um Gefälligkeiten bat, nie die Anerkennung von irgendjemand anderem als sich selbst brauchte, der jede Handlung durchplante, kalkulierte und bis zur Perfektion ausführte.
Sie hatten zu zweit gelebt und ein Zuhause geteilt, in dem die Wärme der Mutter gefehlt hatte. Ihre Beziehung war eng, aber stets angespannt gewesen, der Vater unerbittlich und streng. Als John sich für den Secret Service entschieden hatte, war sein Vater wenig begeistert gewesen. Er hatte gehofft, sein Sohn würde Anwalt werden, oder Arzt – irgendetwas richtig Ordentliches. Nicht irgendein besserer Polizist mit College-Ausbildung.
»Warum sein Leben riskieren, wenn einem die Welt offensteht?«, hatte ihn sein Vater eines Abends gefragt.
»Es ist ein guter Job«, hatte er erklärt. »Und es ist genau das, was ich machen will.«
»Du warst auf dem College, hast einen Abschluss …«
»Den man braucht«, hatte John zurückgegeben, »um beim Service aufgenommen zu werden.«
Unbeeindruckt hatte sein Vater abgewinkt, sich weggedreht und dabei gemurmelt: »Du brauchst einen College-Abschluss, um dir für den Präsidenten eine Kugel verpassen zu lassen?«
Mit einer Hand schob John die Tür zum Krankenzimmer seines Vaters auf und betrat leise den Raum.
Auf dem Rücken, wehrlos, fast ununterscheidbar von den weiß gestrichenen Wänden und der Einwegbettwäsche, die ihn einschlossen, lag der alte Mann schlafend in seinem Bett. Seine knorrigen Hände lagen auf der weißen Bettdecke, die Knöchel verdreht wie ein Henkersknoten. Die Haut um seine Augen war zu einem dunklen Purpur verblüht, die Augen selbst tief in ihren Höhlen versunken. Der alte Mann wirkte wie die grobe Malerei eines Kindes – die Arme überzogen mit dicken blauen Adern; die wabenartige Nasenspitze, die langsam in das Gesicht zurücksank; die spinnennetzdünnen Haarsträhnen auf dem Kopf, die bis zur Nichtexistenz ausgedünnt waren. Ein Netz gebrochener Blutgefäße zog sich wie die Wurzeln eines alten Baumes über den oberen Teil seiner Brust. Auf seinen Wangen hatte sich weißer Flaum gebildet, fein wie Pulver. Er roch nach Arzneimitteln und Salben, süßlich nach Glukose und, wenngleich schwach, nach Urin. Und doch war noch immer die grundierende Präsenz von Old Spice und Listerine auszumachen.
Auf einem kleinen ausklappbaren Nachttisch neben seinem Bett lagen seine Lesebrille, einige Western-Taschenbücher mit übergroßer Schrift, ein eisernes Kruzifix und eine goldene Taschenuhr. Die Uhr