SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi

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SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York - Ronald  Malfi

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anderes als er und die umherwirbelnden Zeitungen. Dann gerieten die Füße um ihn herum in Bewegung. Jemand packte seinen Unterkiefer und zwang ihn, den Mund zu öffnen. Er versuchte zu schreien, aber es kam kein Geräusch aus seinem Hals. Finger pressten sich schmerzhaft in sein Gesicht.

      »Haltet ihn fest!«, schrie jemand. »Haltet den Mund auf!«

      Er versuchte, seinen Kopf zu bewegen, versuchte, der klammernden Hand zu entgehen, aber es war vergebens. Die Hand drückte ihn auf das Straßenpflaster. Helle Wirbel aus allen möglichen Farben explodierten unter seinen Augenlidern. Etwas schlängelte sich in seinen Mund: fremde Finger. Er würgte, wurde geschlagen und fühlte, wie die Finger sich tiefer in das weiche Fleisch seines Unterkiefers gruben. Verzweifelt versuchte er, sie mit seiner Zunge aus dem Mund zu schieben.

      »Ich will seine Zunge!«

      Ein plötzlicher scharfer, stechender Schmerz drängte sich in seinen Mund. Flüssigkeit rann ihm in die Kehle und erstickte ihn fast. Er fühlte Schmerzen, starken Druck und das abrupte Klang! der gezackten Klinge, als sie seine Zunge durchbohrte und gegen seine Zähne stieß. In seiner Qual tastete er mit der Zunge in seinen Mund umher, um die Verletzung einschätzen zu können … nur um herauszufinden, dass seine Zunge nicht mehr da war.

      »Das wird dir eine Lehre sein«, sagte eine Stimme. »Die Schule hat begonnen.«

      Dann traf der Hammer sein verletztes Knie und eine elektrische Ladung Schmerz explodierte in seinem Bein. Er schrie in die Nacht, die Kehle voller Blut, und auf einmal hörte er nichts anderes mehr als die Geräusche seiner Qual. Wieder tauchte hinter seinen fest zusammengekniffenen Augenlidern ein Bild auf. Aber diesmal war es nicht das nur einige Minuten alte Bild vom Tod seines Freundes in der Gasse. Dieses Bild zeigte einen Ort auf dem Land, wo seine Familie während seiner Kindheit oft Urlaub gemacht hatte, wo er und sein Vater große Barsche aus einem hinter Riesentannen verborgenen See gezogen hatten und wo seine Mutter abends für sie gesungen hatte, bis …

      Der Hammer kam an diesem Abend dreiundvierzig Mal über Harold Corcoran.

      Doch Harold lebte nur bis zum elften Schlag.

      ***

      Special Agent Bill Kersh, der nie geheiratet und nie den Wunsch nach Gesellschaft verspürt hatte, schätzte die Stille eines leeren Raumes sehr. Wenn er spät arbeitete, bevorzugte er die Anwesenheit von Charlie Byrd, Benny Goodman, Dave Brubeck und Billie Holiday anstelle der rauen Kakofonie der jüngeren Kollegen. An stürmischen Herbstabenden beruhigte ihn das weiche Muster des Regens, der gegen die Bürofenster prasselte. Der Anblick der zur späten Stunde abgedunkelten würfelförmigen Arbeitsnischen in ihrem Großraumbüro gefiel ihm, und manchmal pausierte er und sah von seiner Arbeit auf, nur um die Leere des Büros auf eine Art und Weise zu studieren, wie ein Priester in einer leeren Kathedrale nach Frieden suchen mochte. Gelegentlich, wenn er Zeit für solche Gedanken fand, fragte er sich, was die jüngeren Agenten von ihm hielten. Nicht, dass es wirklich wichtig war. Sie gehörten einfach einer anderen Generation an.

      Das Büro schlief nie. Abgesehen von Kersh gab es immer auch andere Kollegen, die in der Spätschicht arbeiteten, Berichte tippten und in das Büro hinein- und wieder herausschlüpften wie Phantome durch Wände. Obwohl er am liebsten allein arbeitete, störte ihn ihre Anwesenheit nicht. Im Gegenteil, ihre herannahenden Schritte auf dem Flur und ihr verhaltenes Murmeln zu sich selbst, wenn sie von der Toilette kamen, gaben seiner Umgebung Struktur und verortete sie in Zeit und Raum. Es hatte Nächte gegeben, in denen er in absoluter Stille hätte arbeiten können, nur um perplex festzustellen, dass er nichts anderes tat als durch die lange Reihe von Bürofenstern die aufgehende Sonne anzustarren. Uhren, egal ob am Arm oder an der Wand, erfüllten für ihn keinen Zweck; sie tickten still vor sich hin und waren leicht vergessen. Eine lebendige, sich bewegende Präsenz aber hielt ihn geerdet.

      Entspannt lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück und rieb sich die Augen. Vor ihm lag die Stadt, schwarz und gepunktet mit farbigen Lichtern. Der Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass er nur noch etwa zehn Minuten hatte, bevor er wieder in die Stadt musste, um sich in der Paradise Lounge mit Sloopy Black zu treffen, einem seiner regelmäßigen Informanten. Seit Biddleman darauf bestanden hatte, dass Kersh und John ihre Verbindungen mit Deveneau und seiner Clique abbrachen, hatte sich Kersh wieder auf seine eigenen Kontakte konzentriert. Doch obwohl es gut lief und er seine Informanten schnell wieder am Start hatte, wurde Kersh das Gefühl nicht los, dass er in die falsche Richtung blickte. Das Treffen mit Sloopy Black heute Abend, der auf eine gewisse Weise an ein Reptil erinnerte, würde nichts Neues zutage bringen. Daran hatte Kersh keinen Zweifel. Er traf sich nur mit ihm, um für eine Weile dem Büro zu entkommen und wieder einmal wie ein menschliches Wesen die Straße entlang zu gehen und frische Luft zu atmen.

      Drei Tage waren seit dem Fiasko im Klub vergangen, und Francis Deveneaus gefälschte Scheine tauchten noch immer in der ganzen Stadt auf. Allein in der vergangenen Woche hatte der Secret Service Falschgeld im Nennwert von rund 100.000 Dollar erhalten, die in New York ausgegeben worden waren. Etwa der gleiche Betrag kam noch einmal aus Jersey, Boston und sogar Miami hinzu. Kersh hatte einige der gefälschten Banknoten vor sich auf dem Schreibtisch liegen, die meisten von ihnen einzeln in Plastikfolie versiegelt. An den Scheinen, die zuletzt übermittelt worden waren, hingen noch die ausgefüllten Formulare der verschiedenen Banken, die das Falschgeld in der ganzen Stadt eingesammelt hatten.

      Seufzend lehnte sich Kersh in seinen Stuhl zurück.

      Echte U.S.-Banknoten wurden vom Bureau of Printing and Engraving in Washington, D.C. gedruckt. Das Papier bestand aus 75 Prozent Baumwolle, 25 Prozent Leinen und enthielt durchgängig winzige rote und blaue Fasern. Die Banknoten wurden im Tiefdruckverfahren hergestellt. Dabei wurde für die Vorderseite vor allem schwarze Farbe verwendet, lediglich für die Seriennummern und das Siegel des Finanzministeriums wurde grüne Farbe genutzt. Die Rückseite war komplett grün gehalten. Für gewöhnlich produzierten Fälscher ihre Ware, indem sie echte Banknoten fotografierten und dann die Negative auf Druckplatten aufbrachten. Sie verwendeten zwei Druckplatten für die Vorderseite – eine für Schwarz und eine für Grün – und eine dritte Platte für die Rückseite der Scheine. Ein akribischer Fälscher erstellt sogar zwei weitere Druckplatten, um die roten und blauen Fasern zu imitieren, die bei echten Geldscheinen in das Papier eingearbeitet waren. Die meisten Fälscher allerdings waren nicht in der Lage, die winzigen Details einer Banknote zu duplizieren. So waren häufig die Sägezähne der Siegel der U.S.-Notenbank und des Finanzministeriums leicht uneben und stumpf. Deveneaus Scheine dagegen waren fast perfekt. Es war beinahe unmöglich, die Sicherheitsmerkmale des »New Money«, der neu gestalteten Banknoten, zu duplizieren, nicht einmal mithilfe eines leistungsstarken Computers. Aber Deveneaus Scheine kopierten die alten Banknoten, was es deutlich schwieriger machte, sie als Fälschungen zu erkennen. Der Drucker hatte sogar spezielle, säuregeätzte Platten verwendet, um den Tiefdruck zu imitieren.

       Der Drucker …

      Charlie Lowenstein.

      Es war kein Geheimnis, dass Charlie Lowenstein für Francis Deveneau das Falschgeld druckte. Der Secret Service pflegte einen umfangreichen Katalog, der alle jemals dem Dienst untergekommenen gefälschten Banknoten enthielt, und als Deveneaus Scheine erstmals vor mehreren Monaten wie alte Wunden in der ganzen Stadt aufgebrochen waren, hatte Kersh sie sofort erkannt. Lowenstein war zwei Jahre zuvor nach einem Streit mit ein paar Straßenschlägern in Harlem verhaftet worden. In Lowensteins Auto hatte die Polizei etwa 150.000 Dollar in gefälschten Hundertern entdeckt. Die Scheine waren hervorragende Reproduktionen, aber sie waren nicht in Umlauf gekommen, da Lowenstein über keinerlei Netzwerk verfügte. Charlie Lowenstein war ein spindeldürres Männchen mit tintenfleckigen Augen, einer schnabelförmigen Nase und einem fast lippenlosen Mund, das eine kleine Druckerei in Queens besaß. Dank seines überbordenden Talents war es ihm nicht schwer gefallen, eine gute Gelegenheit zum Geldverdienen zu finden, und so druckte er gefälschte Football-

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