Mühlviertler Blut. Eva Reichl
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»Der Hartmeier Georg will das wiss’n«, kam es postwendend zurück.
»Nun, Hartmeier Georg, ich weiß genug, um mir ein Bild über den Pfarrer zu machen«, log Stern. »Wer ihn gemocht hat und wer nicht, wer was von ihm gehalten und wer ihn verteufelt hat. Wie steht es da mit Ihnen?« Stern blieb vor der Stammtischrunde stehen und blickte die Männer der Reihe nach an.
»Mit mir? Ich hab ihn gar nicht richtig g’kannt«, sagte Hartmeier und grinste.
»Sie müss’n wissen, Herr Chefinspektor, dass sich der Hartmeier kein einziges Mal in der Kirche hat blicken lassen«, erklärte ein anderer aus der geselligen Runde. »Nicht einmal beim Begräbnis seiner Mutter ist er dort g’wesen, und das will was heißen!« Der Mann hob sein Glas und prostete zuerst dem Hartmeier Georg und dann dem Chefinspektor zu. Die anderen taten es ihm gleich. Daraufhin setzte Stille ein, da alle aus ihren Gläsern tranken.
»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«, hakte Stern nach, als alle ihre Biergläser auf den Tisch gestellt hatten.
»Das erzähl ich Ihnen, wenn Sie sich zu uns setzen«, schlug Hartmeier vor. »Einen Chefinspektor von der Kripo hab’n wir schließlich nicht alle Tage bei uns.«
Die Männer rückten zusammen und machten für den Chefinspektor Platz. Der schob seinen Hintern auf die Bank und wartete auf die Fortsetzung der Hartmeier-Kirchengeschichte.
»Das ganze heilige Zeug ist nix für mich. Aber ich glaub, der Pfarrer ist trotzdem kein schlechter Kerl g’wesen.« Hartmeier war plötzlich ernst geworden. Die anderen Männer nickten zustimmend.
»Und er hat gar nicht so übel Karten g’spielt!«, meinte ein anderer.
»Ja, er hat auch ganz schön was vertragen, sag ich Ihnen. Schnaps, meine ich.« Wieder nickten alle.
»Wer könnte Ihrer Meinung nach einen Grund gehabt haben, den Pfarrer zu ermorden?«, wollte Stern wissen. Wie es aussah, erfuhr er von dieser gesprächigen Runde in fünf Minuten mehr als vom restlichen Dorf die halbe Nacht über, und das auch noch mit einem Glas Bier in der Hand. Doch auf seine zuletzt gestellte Frage antworteten die Männer mit ratlosem Blick.
»Wenn Sie so frag’n: keiner«, behauptete Hartmeier. »Unser Pfarrer hat die Frömmigkeit ja regelrecht im Blut g’habt. So einen ermordet man nicht, nur weil einem grad danach ist. Da muss was ganz Schlimmes vorgefall’n sein.«
»Was könnte das denn gewesen sein?«, bohrte Stern nach.
»Um was geht es denn immer? Um Geld, oder?« Der Mann, der dies sagte, schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Der Biermann Karl«, antwortete der Faustschläger und erklärte, dass sich sein Bruder eben von seiner Frau hatte scheiden lassen und dabei nicht nur Haus, sondern auch jeden Cent verloren hatte. Eine Blutsaugerin sei seine Schwägerin gewesen, meinte er, genauso wie der Mörder des Pfarrers, der dem armen Gottesmann laut dem Bericht des Revierinspektors jeden einzelnen Tropfen Blut ausgesaugt hatte. Und sein Bruder hätte wegen der ganzen Schweinerei wieder bei null anfangen müssen, oder bei weniger als null, wobei die Stammtischrunde sich nicht ganz einig war, wo die Skala dafür anzusetzen war. Daraufhin genehmigte sich der Biermann Karl mehrere kräftige Züge des herben Gebräus, als wären es sein Haus und sein Geld gewesen, das bei der Scheidung flöten gegangen war. Als er das Glas geleert hatte, winkte er die Wirtin herbei, um nachzutanken.
»Aber so ein Pfarrer hat doch gar kein Geld«, mutmaßte ein anderer. »Also kann es nicht ums Geld gegangen sein.«
»Vielleicht ist er ja wegen einer Frau um’bracht worden?«, stellte ein anderer diese These in den Raum. Daraufhin brach schallendes Gelächter aus. »Was? Habt ihr noch nie was davon g’hört, dass auch Priester nur Männer sind und ihre Liebschaften pflegen? Ist doch nicht einmal so selten!«
»Aber doch nicht unser Pfarrer«, entgegnete Hartmeier entschieden.
»Warum denn nicht? Stille Wässer sind bekanntlich tief, sicher auch so ein Weihwasser wie der Pfarrer.«
Daraufhin herrschte für einen Augenblick Schweigen. Die Biertischrunde schien sich die Möglichkeit, dass ihr Pfarrer eine Geliebte gehabt haben könnte, durch den Kopf gehen zu lassen. Man las ja viel in den Zeitungen, dass die Kirchenleute gar nicht so fromm waren, wie sie behaupteten, und dass einige von ihnen ein aufregenderes Sexleben führten als so mancher brave Familienvater. Aber der Liebenauer Pfarrer?
»Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen«, beendete Biermann seine Überlegungen und begoss diese Erkenntnis mit einem kräftigen Schluck aus seinem Glas. Danach wischte er mit dem Ärmel über seinen Mund und erhob sich mit den Worten: »Für heut’ hab ich genug!« Er legte einen 20-Euro-Schein auf den Tisch und verließ das Gasthaus.
»Wenn es nicht ums Geld geht und auch nicht um die Liebe, dann geht es um Macht«, ließ Hartmeier aufhorchen.
»Wie meinen Sie das? Welche Macht soll ein Pfarrer denn haben?« Stern wartete gespannt auf die Antwort des Hartmeiers.
»Unterschätzen S’ das nicht, Herr Chefinspektor. So ein Pfarrer kennt alle Sünden von den Leuten. Schließlich rennen auch alle zu ihm beichten wie die Viecher zum Futtertrog. Da ist sicher das eine oder andere dabei, aus dem man Kapital schlagen könnte. Natürlich nur, wenn man das auch will! Aber funktionieren täte das schon, da bin ich mir ganz sicher.«
»Spielen Sie auf etwas Bestimmtes an?« Stern hoffte, endlich auf einen konkreten Hinweis zu stoßen. Dieses an den Haaren herbeigezogene Verdächtigen des Nachbarn, weil der einem nicht zum Gesicht stand und man ihm endlich eins auswischen konnte, oder das von Rache geprägte Denunzieren der Nachbarin, weil die am Sonntagvormittag lieber in die Rostbar pilgerte als in die Kirche, hatte er sich schon den ganzen Nachmittag über anhören müssen. Davon hatte er genug.
»Nein, nichts Bestimmtes. Ich sitze ja nicht im Beichtstuhl auf dem Schoß vom Pfarrer.« Georg Hartmeier grinste. »Aber interessant wär’s schon. Da würden wir gern ein Mäuschen sein wollen, gell?«
»Also nichts Bestimmtes«, wiederholte Stern enttäuscht.
»Fragen S’ doch mal die Herta, die Pfarrersköchin«, schlug Hartmeier noch immer grinsend vor.
»Die Herta Bachmeier? Etwa die mit den roten Haaren?«
»Ja, genau die meine ich. Die Frau ist ein Unikat.«
»Wohl eher ein Ungeheuer!«, schrie einer der Männer grölend heraus.
»Mit der hab ich schon gesprochen.« Stern erinnerte sich genau an das Gespräch, welches ihm aber auch nicht weitergeholfen hatte.
»Und? Was hat sie g’sagt, die Herta?«
»Dass der Pfarrer ein lieber Mensch gewesen ist und sie keine Ahnung hat, wer ihm das angetan haben könnte.«
»Sonst nix?« Hartmeier blieb hartnäckig.
»Nein, sonst nichts.«
»Da müssen S’ aber noch mal ran, Herr Chefinspektor. Die Herta Bachmeier weiß alles, was es in Liebenau zu wissen gibt, auch, welche Unterwäsche Sie gerade tragen.« Da waren sich die Männer