Mühlviertler Blut. Eva Reichl

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Mühlviertler Blut - Eva Reichl

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Stern wünschte den geschwätzigen Revierinspektor sonst wohin.

      »Von wem haben Sie das denn, das mit den Bissmalen?«, fragte er dennoch und legte die Semmel schweren Herzens auf den Tisch. Er würde sie später essen, jetzt musste er erst mal das mit den Vampiren, und dass Plattlbauer es überall herumerzählte, verdauen. Dann überlegte er, ob er das Kreuz, das Grünbrecht vorhin abgenommen hatte, zurück an die Wand hängen sollte. Sozusagen als Abwehr gegen Vampire und das abergläubische Volk.

      »Der Plattlbauer hat es mir erzählt. Er hat die Leich ja g’sehen, wie sie da auf dem Altar g’legen ist«, bestätigte der Bäcker Sterns Vermutung. Er seufzte und nahm sich vor, sich den Revierinspektor gehörig zur Brust zu nehmen. Der konnte doch nicht einfach durch die Gegend laufen und Details vom Fall ausplaudern!

      »Jetzt hören Sie mal, wir wissen noch nicht, womit der Pfarrer ermordet worden ist. Aber eines wissen wir genau, nämlich, dass es keine Vampire gibt, weder hier in Liebenau noch sonst wo. Außer Sie meinen jene, die sich neue Steuern einfallen lassen und damit den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Das sind die echten Blutsauger, um die sollten Sie sich Gedanken machen, wenn Sie das nächste Mal zur Wahlurne pilgern.« Mit diesen Worten entließ Stern den Bäcker, nicht aber ohne sich vorher noch einmal für die frischen Semmeln zu bedanken.

      Die Schlange der Redewilligen vor dem Pfarrhaus riss nicht ab. Liebenau schien ein gesprächiger Ort zu sein. Bis kurz vor 23:00 Uhr saßen Stern und Grünbrecht im provisorischen Vernehmungsraum im Pfarrsaal und hörten sich an, was die Liebenauer über ihren toten Pfarrer zu erzählen bereit waren. Resümierend konnte sich Stern kein zufriedenstellendes Urteil über den Priester bilden. Weder war er besonders beliebt gewesen, noch hatte man ihn gehasst. Er war kein Engel gewesen, aber auch keine Ausgeburt des Teufels. Ein Mensch mit Fehlern halt, so wie jeder andere auch, nur eben im Priestergewand. Also hatte Stern nichts außer der Gewissheit, dass die Küche beim Brücklwirt bestimmt schon geschlossen hatte und sein Magen vorsorglich zu revolutionieren begann. Die Semmeln des Bäckers hatten er und Grünbrecht bereits vor Stunden verzehrt.

      Als die Kirchenuhr elfmal schlug, stieß Stern die Tür in die Gaststube des Brücklwirts auf. Rauch quoll ihnen entgegen, so dick, dass Stern im ersten Moment dachte, er müsste die Feuerwehr alarmieren. Von rauchfreien Zonen, wie sie in der Stadt längst üblich waren, hatte man in Liebenau wohl noch nie etwas gehört. Kurz kam es ihm in den Sinn, die Kollegen der Gewerbebehörde zu informieren, wollte aber, wenn sie doch etwas zu essen bekämen, über diesen Verstoß hinwegsehen. Außerdem hing an der Wand ein großer Flachbildfernseher. Bestimmt hatten die Fußballbegeisterten das Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft angesehen. Nun aber war es vorbei, und es liefen Nachrichten, die niemanden zu interessieren schienen. Der Ton war sogar so weit zurückgedreht, dass man nur die sich bewegenden Münder der Sprecher sah und Lippen lesen können müsste, um zu verstehen, was sie sagten.

      »Na, der Herr Hauptkommissar und seine Kollegin«, begrüßte ihn die Wirtin, als wären er und Grünbrecht tagtäglich hier. Die Frau hatte ausladende Hüften und in ein Dirndl eingequetschte Brüste, die aus ihrer Bluse zu springen drohten. Sie stand hinter dem Tresen und zapfte mehrere Halbe.

      »Chefinspektor«, korrigierte Stern zum wiederholten Mal. Diese ganzen deutschen Krimi-Fernsehserien waren schuld daran, dass alle ihn mit Kommissar ansprachen.

      »Na, wenn S’ meinen«, sagte die Wirtin gelassen. Die Liebenauer schienen sich für korrekte Berufsbezeichnungen nicht zu interessieren. Kommissar oder Inspektor? Was machte das schon für einen Unterschied, dachten sie bestimmt, Hauptsache, er fand den Mörder ihres Pfarrers. Die Wirtin nahm zwei Schlüssel vom Haken und überreichte einen Stern. Den anderen hielt sie Grünbrecht hin. »Ihre Zimmer!« Anschließend stellte sie eine frisch gezapfte Halbe vor Stern am Tresen ab und fragte Grünbrecht: »Wollen S’ ein Glaserl Veltliner haben?«

      »Ich hab doch noch gar nichts bestellt«, wies Stern die Frau auf diesen Umstand hin und deutete auf das Glas vor ihm, gefüllt mit goldgelbem Weizen. Anscheinend konnte die Frau bis in seine Seele blicken, dachte er.

      »Sie beide sehen aber aus, als könnten S’ das jetzt gebrauchen. Geht aufs Haus. Übrigens, ich bin die Miezi Brückl. Haben S’ denn kein Gepäck?«

      »Oskar Stern, und das ist meine Kollegin …« Der Chefinspektor deutete auf Grünbrecht, die sich selber vorstellte und der Wirtin die Hand reichte.

      »Mara Grünbrecht.«

      »Das Gepäck ist noch im Wagen. Wir wollten zuerst mal sehen, ob Sie überhaupt zwei Zimmer für uns haben.«

      »Aber natürlich«, verkündete die Wirtin. Ihre Augen blitzten vergnügt, und Stern fragte sich, wie man um diese Uhrzeit bloß so gute Laune versprühen konnte. »Einer Ihrer Kollegen aus Linz hat das schon arrangiert, als wir noch gar nicht g’wusst haben, was überhaupt los ist.« Die Brücklwirtin füllte ein Glas mit Veltliner und stellte es vor Grünbrecht auf den Tresen.

      »Oh, nein danke! Wenn ich den jetzt trinke, dann …« Grünbrecht machte eine Handbewegung, die verdeutlichte, dass sie auf leeren Magen keinen Alkohol vertrug.

      Stern hingegen griff nach dem Bier, das verführerisch golden im Schein der Barbeleuchtung leuchtete. Er nahm einen Schluck und blickte sich in der Gaststube um. Hier war es eigentlich ganz gemütlich, vom Zigarettenqualm mal abgesehen. Am Stammtisch saß eine Runde hiesigen Urgesteins. Stern prostete den Männern zu, da die ihn und Grünbrecht von ihren Plätzen aus wie bei einer bäuerlichen Tierbeschau das Vieh musterten.

      »Wollen S’ was essen? Einen Schweinsbraten hätt ich noch!«, fragte die Wirtin. »Rein in die Mikrowelle, und schon ist er dampfend heiß.«

      »Nein danke, um diese Zeit nicht mehr«, wehrte Grünbrecht ab und sagte zu ihrem Chef. »Wenn Sie jetzt etwas essen, legt sich jedes Gramm doppelt an.«

      Stern hatte ein paar Kilos zu viel um die Hüften, das wusste er. Aber dass Grünbrecht ihm gleich das Essen verbot, ging nun doch zu weit. Natürlich hatte sie recht, obwohl so ein Schweinsbraten sehr verlockend war, musste er zugeben und sich zusammenreißen, um nicht doch noch schwach zu werden. Das Gebrumme in seinem Magen war dabei nicht sonderlich hilfreich, dieser Versuchung zu widerstehen.

      »Ich geh jetzt ins Bett«, verkündete Grünbrecht.

      »Ja, machen Sie nur.« Stern nahm einen kräftigen Schluck, der auch den Magen füllte, so hoffte er.

      »Ich brauche die Autoschlüssel, um das Gepäck zu holen.« Grünbrecht hielt Stern die offene Hand hin. Der suchte in seinen Taschen nach dem Schlüssel und überreichte ihn ihr.

      »Ich stelle Ihr Gepäck vor die Tür der Gaststube«, sagte Grünbrecht.

      »Ist gut. Ich trinke rasch mein Bier aus.« Stern deutete auf das Glas, das vor ihm stand, und überlegte immer noch, ob er nicht doch das Angebot wegen des Schweinsbratens annehmen sollte.

      »Gute Nacht, Chef!« Grünbrecht wandte sich ab und verließ die Gaststube.

      »Gute Nacht«, brummte Stern und nahm einen weiteren Schluck. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er so durstig war. Langsam beruhigte sich sein Magen. Scheinbar war der froh, zu dieser späten Stunde überhaupt noch etwas zu kriegen. Mit dem Handrücken wischte er den Schaum über seiner Oberlippe weg.

      »Haben S’ schon was rausg’funden?«, rief einer der Männer vom Stammtisch zu Stern herüber. Ein langer, grau melierter Bart und eine grüne Jacke ließen den Mann aussehen wie einen Förster aus einem Heimatfilm.

      »Wer will das wissen?«, fragte Stern eine Spur zu provokant, packte dennoch seine Halbe und ging zu dem

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