Fernwehträume. Hermann Bauer

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Fernwehträume - Hermann Bauer

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dir hätte ein großer Kriminalist werden können«, hatte Inspektor Juricek, mit dem er im Gymnasium dieselbe Schulbank gedrückt hatte und der damals mit dem Fall betraut gewesen war, gesagt und ihm herzlich für die Mitarbeit gedankt. »Kannst mir jederzeit wieder aushelfen, wenn es sich einmal ergibt.« Mittlerweile arbeitete Richard Juricek bei der Mordkommission und war Oberinspektor. Und Leopold nahm sein Angebot ernst, sehr ernst sogar.

      Er konnte sich nicht helfen, aber die Botschaft von einem Mord war in diesem Fall eine gute Botschaft. Er schien Herrn Berger gar nicht zu hören, der verzweifelt vor sich hin stammelte:

      »Wenn Sie das gesehen hätten, Leopold, das viele Blut … direkt abgebeutelt hat’s mich, beinahe hätte ich mich gleich neben die arme Susi gelegt … käsebleich muss ich gewesen sein … dabei wollte ich doch nur zum Mittagessen … aber jetzt ist mir der Appetit vergangen. Man muss die Polizei verständigen, Leopold!«

      Den letzten Satz hatte er ein wenig lauter gesprochen und Leopold aus seinen Gedanken gerissen. Leise, Berger, leise! Zunächst einmal musste man dafür sorgen, dass jeder Aufruhr tunlichst vermieden wurde. Gott sei Dank waren im Augenblick kaum Gäste im Lokal, und Berger redete in seiner Verwirrung so undeutlich, dass noch niemand die Situation richtig erfasst hatte.

      »Haben Sie gehört, Leopold? Wir müssen die Polizei anrufen!«

      »Ja, ja, aber beruhigen Sie sich doch erst einmal, Herr Berger! Trinken Sie ein Stamperl auf Kosten des Hauses. Das ist gut für die Nerven.« In aller Eile kredenzte Leopold dem am ganzen Leibe zitternden Berger einen großen Weinbrand. »Na, geht’s schon besser?«, fragte er, nachdem der ausgetrunken hatte. Und weiter:

      »Sie haben doch einen Schlüssel zu der Wohnung von der Frau Niedermayer?«

      »Ja, natürlich! Aber warum?«

      »Weil wir zwei dort noch einmal hingehen, Herr Berger. Keine Angst, es passiert schon nichts. Aber erstens ist es immer besser, vom Tatort selbst anzurufen, das wissen Sie ja.« Berger schüttelte verdattert den Kopf. »Damit wir sehen, ob die Leiche noch da ist, beziehungsweise, ob überhaupt eine da ist, verstehen Sie! Das möchte ich schon überprüfen. Was machen wir, wenn die arme Frau Susi plötzlich verschwunden ist? Ich wette, Sie haben in Ihrer Aufregung nicht einmal die Tür richtig zugemacht. Und zweitens muss ich noch dringend etwas aus der Wohnung holen.«

      Für den verdutzten Berger war das alles ein Rätsel. »Müssen wir wirklich?«, fragte er nur ungläubig.

      Aber Leopold hatte seinen Entschluss bereits gefasst. Es war eine einmalige Gelegenheit, noch vor der Polizei einen Blick auf den Tatort zu werfen und dafür auch noch einen halbwegs plausiblen Grund zu haben. Außerdem hatte er gestern etwas aus der Innentasche von Frau Susis Mantel leuchten gesehen, als er ihr in diesen hinein geholfen hatte, und hätte jetzt nur zu gerne gewusst, was das war. Es mochte belanglos sein – aber andererseits gab es bei einem Mord keine Belanglosigkeiten.

      »Ja, ja«, sagte Leopold. »Schauen Sie, ob wir von hier oder von drüben die Polizei anrufen, ist doch ziemlich egal. Und ich hab der Frau Susi ja schon vor Wochen den Bildband über Kalifornien geborgt und nie mehr zurückbekommen. Wenn ich mir den jetzt nicht hole, ist er weg. Sie kennen das ja. Wo die Leute von der Spurensicherung ihre Finger einmal drin gehabt haben, findet man so leicht nichts mehr. Und wenn so einem so ein schönes Bücherl auch noch gefällt …« Leopold machte eine ziemlich eindeutige Handbewegung.

      »Vielleicht haben Sie recht. Gehen wir aber schnell, damit wir’s hinter uns bringen«, jammerte Berger.

      Da tauchte auch schon Herr Waldbauer in seiner Livree auf.

      »Jetzt können wir gehen«, sagte Leopold. »Waldi, sag der Chefin, wegen der Abrechnung, ich komm gleich noch einmal. Ich muss nur schnell noch mit dem Herrn Berger was erledigen.«

      Waldi Waldbauer wunderte zum Glück nichts mehr, dazu war er schon zu lange in diesem Geschäft und kannte außerdem Leopold viel zu gut. Er nickte nur stumm und trat mit steinerner Miene seinen Dienst an.

      Leopold hingegen ging noch zu einer ominösen großen Lade, die sich links neben den Billardtischen befand, und kramte darin herum. Es war seine geheime Schatztruhe, sein Heiligtum, in dem er Dinge aller Art und für jeden Zweck verborgen hielt. Obwohl die Lade stets unverschlossen war, konnte sich niemand daran erinnern, dass sie schon einmal jemand außer Leopold geöffnet hatte. Nun zauberte er zwei Paar Handschuhe daraus hervor. Eines davon drückte er Berger in die Hand.

      »Das werden Sie brauchen«, sagte er. »Erstens ist es noch ganz schön frisch draußen und zweitens sollten wir keine Fingerabdrücke am Tatort hinterlassen!«

      3

      Wen wundert’s, dass Herr Berger das Haus, in dem seine Kostgeberin zu Tode gekommen war, mit schlotternden Knien betrat? Zum einen hatte er noch nie so überraschend und unverhofft eine Leiche zu Gesicht bekommen. Zum anderen strahlen alte Häuser, wenn es sich nicht gerade um ein Stadtpalais oder ein romantisches Herrenhaus, sondern um einen von den Jahren gezeichneten Zeugen billigen Wohnbaus aus der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert handelt, eine eher düstere Atmosphäre aus.

      Auf Berger wirkte das alte Gemäuer jetzt noch furchterregender als sonst. Im Eingangsflur und dem engen Stiegenhaus mit der gewundenen Treppe war es so dunkel, dass das schwache künstliche Licht zu jeder Tages- und Nachtzeit aufgedreht bleiben musste. Ein abgestandener Geruch, der durch die feuchten Wände noch verstärkt wurde, raubte denjenigen, die nicht hier wohnten, schon beim Hineingehen den Atem. Zurzeit roch es außerdem zusätzlich nach Kohl und Knoblauch.

      Trotz all dieser Widerwärtigkeiten erreichten die beiden Herren unbeschadet den ersten Stock, wo sich die Wohnung von Frau Niedermayer befand.

      »Ich will nicht noch einmal hineingehen«, murrte Berger.

      »Sie können ja im Vorzimmer stehen bleiben, aber jetzt machen S’ bitte einmal auf«, erwiderte Leopold ungeduldig. Er konnte es nicht erwarten, einen geradezu jungfräulichen Tatort vor sich zu haben. Außerdem war ihm in dem dunklen, engen Gang wohl auch ein wenig mulmig.

      Ein wenig zitternd nahm Berger den Wohnungsschlüssel hervor und schloss die Türe auf. Während Leopold kurz den kleinen Vorraum musterte und das Licht aufdrehte, blieb er nahezu unbeweglich hinter der Türe stehen.

      »Wenn Sie wirklich nicht weiter gehen wollen, dann sagen Sie mir wenigstens, wo sie liegt«, brummte Leopold.

      »Im Wohnzimmer«, kam es leise von Bergers Lippen.

      Die Tür zum Wohnzimmer lag rechter Hand. Sie führte in einen einfach eingerichteten Raum mit einem Tisch und einer kleinen Sitzecke, einem Fernsehapparat, einer Zimmerpflanze, einem Wandschrank und einigen Regalen, auf denen Bücher und Zeitschriften gestapelt waren. Zwischen dem Schrank und den Regalen befand sich die Tür zum Schlafzimmer. Vor dem Schrank lag die Tote. Der Kopf war leicht zur Seite gedreht, und so sah Leopold sofort die Wunde am Hinterkopf, die den Tod herbeigeführt hatte. Der Teppich war voll Blut.

      Leopold schüttelte den Kopf. »So ein schönes Nachthemd zum Sterben anziehen ist ja die reinste Verschwendung«, murmelte er.

      Er vermutete, dass der gewaltsame Tod eingetreten war, als Frau Susi sich gerade zu Bett begeben wollte. Die Türe war nicht aufgebrochen worden. Also hatte der Mörder einen Schlüssel wie Herr Berger, oder Susi hatte ihn noch herein gelassen. Das alles musste sich sehr spät zugetragen haben, denn Susi hatte ja erst um halb zwölf das Kaffeehaus verlassen. Aber wann genau?

      Neben dem Fernsehapparat lag

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