Fernwehträume. Hermann Bauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Fernwehträume - Hermann Bauer страница 8
»Sie können ja selber nachschauen«, meinte Leopold, immer noch misstrauisch.
»Nein, nein, lieber nicht! Ich glaub Ihnen schon. Mein Gott, ist das schrecklich!« Sie versuchte zu lächeln. »Aber warum stehen wir denn hier auf dem Gang herum, wo es so furchtbar ungemütlich ist und uns jeder hören kann. Kommen Sie doch auch zu mir herüber, es ist noch genug Kaffee da. Außerdem möchte ich Ihnen was erzählen, bevor die Polizei kommt. Ich habe da nämlich gestern einige Beobachtungen gemacht.«
Leopold zog wie in Trance die Türe hinter sich zu. Es hatte ihm einfach die Sprache verschlagen. Sogar den Bildband über Kalifornien hatte er vergessen. Diese Frau hatte ihn sozusagen kalt erwischt, und er reagierte im Augenblick mehr, als selbst irgendwelche Aktivitäten zu starten. Zusätzlich machte ihm das penetrante Organ der Frau Ivanschitz zu schaffen.
»Nur herein in die gute Stube«, hallte es ihm schon wieder entgegen, während Frau Ivanschitz die Wohnungstüre aufschloss. »Sagen Sie, ist es wahr, dass Sie schon auf eigene Faust Nachforschungen angestellt haben, wie der Herr Berger sagt?«
»Langsam, langsam«, sagte Leopold. »Ich bin nur ein einfacher Ober vom Kaffeehaus vorne an der Ecke. Die Frau Susi war Stammgast bei uns, und natürlich interessiert man sich da. Außerdem werden wir, wie Sie richtig bemerkt haben, alle von der Polizei befragt werden, und da muss man sich schon alles genau anschauen und einprägen, damit einem nicht das Wort im Mund herumgedreht wird.«
»Sie sagen es, Sie sind ein gescheiter Mann«, bemerkte Frau Ivanschitz. »So, kommen Sie nur weiter.«
Leopold folgte ihr in die Küche, wo Herr Berger sichtlich erleichtert beim Kaffee saß und mit einem kaum merkbaren, schadenfrohen Grinsen die Schale zu seinem Mund hob. »Ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten«, sagte er entschuldigend, und Leopold meinte, dabei ein leichtes Augenzwinkern in seine Richtung wahrzunehmen.
Ja, ja, der Herr Berger! Ein undankbarer, ungeduldiger Patron, ein Opportunist. Und ein Feigling obendrein. Mit dem würde man nicht einmal kleine Ponys stehlen können. Aber mehr noch als über den ängstlichen, im Grunde harmlosen Mann ärgerte sich Leopold über sich selbst. Diese Frau hatte etwas Magisch-Aufdringliches an sich. Das war aber noch lange kein Grund, sich von ihr einfach in die Defensive drängen zu lassen.
»Mit Milch und Zucker?« Schon wieder diese penetrante Stimme, die so gar nichts Anheimelndes besaß.
»Etwas Milch und zwei Zucker, bitte!«
Leopold versuchte, seine Gedanken wieder in Ordnung zu bringen. Dabei stellte er sich gleich die Frage, ob nicht Frau Ivanschitz auch als Täterin in Frage kam. Warum nicht? Sie lebte in unmittelbarer Nähe der Toten, kannte ihre Gewohnheiten und konnte sich jederzeit Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft haben. Ein vertrauliches Klopfen hätte genügt. Etwa so:
»Frau Niedermayer, sind Sie noch wach?«
»Bin ich froh, dass ich jetzt da sitze«, murmelte Berger in der Zwischenzeit vor sich hin. »Nach dem ganzen Schock! Nein, nein, die Frau Ivanschitz ist eine Perle, das muss man schon sagen.«
Eine sehr ordnungsliebende Perle, schoss es Leopold durch den Kopf. Schau, schau, wie blitzblank hier alles ist. Wie drüben am Tatort. Das passte irgendwie zusammen. Man konnte Frau Ivanschitz nicht von vorneherein als Täterin ausschließen.
»So, da ist der Kaffee. Kann ich mit noch etwas dienen?«, fragte Frau Ivanschitz.
»Einen Aschenbecher, bitte, wenn Sie so lieb sind«, sagte Leopold und zog ein Packerl Ernte 23 aus der Sakkotasche. »Ich würde auf den Schreck gern eine rauchen.«
»Gern hab ich das ja nicht«, sagte Maria Ivanschitz, »aber wenn es unbedingt sein muss. Meinem Mann kann ich es auch nicht abgewöhnen, der raucht immer noch zwei, drei, wenn er nach Hause kommt. Passen Sie halt auf, dass keine Asche daneben geht, das ist so hässlich!«
Als sie mit dem Aschenbecher kam, legte sie los:
»So, jetzt muss ich Ihnen aber erzählen, was ich gestern und in der Nacht auf heute alles beobachtet habe.«
»Ich bitte darum«, sagte Leopold, während er sich eine Zigarette anzündete.
»Also, so viel los war bei der Frau Susi schon lange nicht mehr. Gestern Nachmittag habe ich gehört, wie sie laut geschrien und mit einer anderen Frau gestritten hat. Wie ich so nachschauen will, was da los ist, geht auch schon die Türe auf und heraus kommt ihre Schwester Gertrud, die hier früher einmal zusammen mit ihr gewohnt hat. Ich habe nicht schlecht gestaunt. Die beiden haben sich ja in den letzten Jahren praktisch nicht mehr gesehen. Es hat da einmal ziemlichen Krach gegeben, wissen Sie. Was macht die Gertrud denn auf einmal da, habe ich mich also gefragt. Da ist sie auch schon die Stiege hinuntergelaufen mit etwas Großem, Rechteckigem unter dem Arm. Und die Susi hat ihr nachgeschrien: ›Nimm es nur und werde glücklich damit!‹«
Das Bild, dachte Leopold, die Schwester hat das Bild mitgenommen. Er machte einen Zug an seiner Zigarette. »Ist ja interessant«, sagte er. »Ich kenne die Gertrud. Sie war früher manchmal mit der Frau Susi im Kaffeehaus, als sie noch zusammengelebt haben.«
»Ich kenn die Gertrud auch«, meldete sich Berger, nur um etwas zu sagen.
»Sehen Sie«, sagte Frau Ivanschitz. Es klang nicht ganz passend, aber sie sagte es. »Aber das ist noch lange nicht alles. Mitten in der Nacht war da noch einmal so ein Getöse. Es war so ein Wirbel auf dem Gang, dass ich aufgewacht bin. Ein Betrunkener ist vor der Tür von der Frau Susi gestanden – das heißt, so richtig gestanden ist er eigentlich nicht mehr, er hat eher gewackelt – und wollte allem Anschein nach hinein zu ihr. Ich konnte ihn leider nur von hinten sehen, und es war sehr düster. Ich konnte also nicht viel erkennen. So geschneckerltes (gelocktes) Haar hat er gehabt und eine dunkle Lederjacke getragen. Keine Brille, kein Bart, glaube ich. Die Frau Susi hat gerufen: ›Was wollen Sie denn da? Sie können doch jetzt nicht zu mir herein um diese Zeit! Schaun S’, dass Sie verschwinden, sonst rufe ich die Polizei!‹ Sie war ganz aufgeregt, und ich habe mir gedacht, ich muss jetzt hinübergehen und ihr helfen.«
»Und dann?«, fragte Berger gespannt. Er schien wieder zu Kräften zu kommen.
»Dann hat er noch etwas gestammelt, was ich nicht verstanden habe, und ist gegangen, besser gesagt, die Stiege hinuntergetorkelt. Die Frau Susi hat ihre Türe zugemacht und ich habe mich wieder niedergelegt. Mein Mann hat gefragt, was los war, und ich habe gesagt: ›Ach, nur so ein Betrunkener, kannst ruhig weiterschlafen.‹« Sie machte eine kurze künstlerische Pause. »Nach einer Weile bin ich noch einmal aufgewacht, weil ich mir eingebildet habe, ich hätte etwas gehört. Es war aber dann ganz ruhig, und auch auf dem Gang war niemand. Ich dachte also, ich hätte es nur geträumt. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dieser brutale Kerl zurückgekommen ist und die Frau Susi erschlagen hat.«
»Wieso soll gerade er es gewesen sein?«, fragte Leopold.
»Weil er betrunken war und enthemmt, und weil er etwas wollte von der Frau Susi und sie ihn nicht in die Wohnung gelassen hat. Irgendwie wird er sich schon wieder Zutritt verschafft haben. Vielleicht ist er heimlich eingedrungen, sie hat ihn bemerkt und er hat sie niedergeschlagen. Was weiß denn ich! Wer käme denn sonst in Frage?«
»Ich weiß auch nicht, aber immerhin könnte zum Beispiel schon jemand da gewesen sein, den Sie nicht bemerkt haben. Eine andere Frage: Wann war denn das Ganze genau?«
»Ganz