Der Sommer mit Josie. Sandy Lee

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Der Sommer mit Josie - Sandy Lee

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hatte ihre Sachen Stück für Stück bekommen, so wie sie gebraucht wurden. Aber hier war fast alles auf einmal notwendig.

      Barbara ging zu Josies Zimmer, klopfte an. Josie öffnete selbst.

      »Was gibt es, Mama?«

      »Hast du mal etwas Zeit. Es geht um deine neue Kleidung.«

      Josie folgte ihrer Mutter ins Wohnzimmer. Da lag die Liste.

      »Wir müssen einen Kompromiss finden«, begann sie.

      Das Mädchen nickte.

      »Ich seh schon, ist einiges zusammengekommen.«

      Barbara setzte sich wieder. Sie tippte mit dem Stift auf die verschiedenen Einträge und sagte: »Das ist das Problem. Theoretisch brauchst du eine Komplettausstattung.«

      Josie riet: »Zu teuer?«

      »Für den Moment – ja.«

      »Dann muss ich wohl …«

      »Nein, musst du nicht!«, unterbrach sie ihre Mutter. »Was unbedingt notwendig ist, wird gekauft. Heute gibt es das Internet, da finden sich sicher auch preisgünstige Angebote. Worum es mir geht: Wäre es eine große Zumutung für dich, wenn du einige Sachen von dir behältst? Ich meine – schau dir doch die Mädchen an. Viele tragen genau das gleiche wie Jungs. T-Shirts, Jeans, Turnschuhe – das muss man doch nicht alles entsorgen. Tu etwas mit weiblicher Note dazu, und du hast den perfekten Look.«

      Josie überlegte. Barbara versuchte, ihre Gedanken in Worte zu fassen.

      »Wenn du natürlich mit den Kleidungsstücken dein Leben als Daniel verbindest und sie deswegen nicht mehr tragen möchtest, kann ich das verstehen. Wie denkst du darüber?«

      Josie folgte dem Gedankengang ihrer Mutter und hörte in sich hinein. Das Kleid, welches sie jetzt trug, war zu einhundert Prozent weiblich. Mit Jeans und T-Shirt war sie bis vor kurzem fast jeden Tag rumgelaufen. Sie fürchtete, die Sachen würden sie wieder zu Daniel machen. Sie hatte am Wochenende die Entscheidung gefällt, Daniel hinter sich zu lassen.

      »Mama, es ist so schwer. In den Klamotten steckt so viel Daniel drin. Versteh mich, bitte! Ich glaube, ich kann das nicht – nicht jetzt. Können wir die Sachen nicht erst einmal in Kartons packen und zur Seite stellen? Vielleicht, dass ich später einmal …«

      Oh ja, Barbara verstand ihre Tochter sehr gut. Kannte sie doch aus ihrer Boutique Frauen, denen es unangenehm war, zwei Tage die gleiche Kleidung zu tragen. Genau so eine Hemmschwelle musste sich in Josie aufbauen, wenn sie die alten Teile anziehen sollte.

      »Also gut, Kompromiss auf unbestimmte Zeit vertagt.«

      »Danke, Mama.«

      »Wenn du dich für jede Aktion bedankst, wirst du bald nichts anderes mehr sagen. Denn da kommt noch eine Menge auf uns zu. Verstehst du – auf uns!« Sie lachte. »Also, das war das Dankeschön für die nächsten zehn guten Taten von mir, klar?«

      »Klar.«

      »Übrigens, Josie. Kontrollier mal deine Beine, wenn du dich setzt! Sonst guckt dir dein Gegenüber am Tisch bis zum Höschen. Schlag sie übereinander, und beim Hinsetzen streichst du das Kleid hinten mit der Hand nach unten. Übe das mal ein bisschen. – Lektion eins.«

      Josie wollte sich gerade wieder bedanken, dachte jedoch noch rechtzeitig an die Worte ihrer Mutter.

      »Gut. Ich probiers.«

      Sie stand auf, setzte sich wieder und versuchte, es so einzurichten, wie ihr gesagt wurde.

      »So etwa?«

      »Ja. Es wirkt noch ein bisschen eckig, aber das lernst du schnell. Wenn wir mit Veronika wegfahren, hast du's schon drauf.«

      Barbara hatte gerade den Zettel mit Josies ›Erstausstattung‹ fertig, da meldete sich das Telefon. Sie nahm das schnurlose Gerät ans Ohr.

      »Anka Richter. Guten Abend, Barbara.«

      »Guten Abend. Schön, dass Sie anrufen, Anka.«

      »Ich wollte nach Neuigkeiten fragen und Ihnen eine mitteilen. Wer spricht zuerst?«

      »Wir haben es gestern meiner kleinen Tochter gesagt. Erstaunlicherweise hat sie es recht ruhig aufgenommen, ja, sie war danach echt wissbegierig. Wir hatten ein ausgiebiges Gespräch.«

      »Das freut mich zu hören.«

      »Ja, und heute habe ich mich meiner Kollegin und sehr guten Freundin anvertraut. Bei ihr kann ich mich auf ihre Verschwiegenheit verlassen. Sie hat mich wieder etwas aufgebaut und mir einige freie Tage verschafft«

      »Sie haben genau das Richtige getan. Jetzt brauchen Sie nichts überstürzen. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie haben.«

      Barbara war über diesen Zuspruch erleichtert.

      »Ich war gerade dabei, eine Liste für die neue Garderobe meines Kindes aufzustellen. Sie braucht doch jetzt neue Kleidung.«

      »Sicher. Das ist wohl jetzt das Naheliegende. Hat sie schon etwas?«

      »Ich habe ihr ein Kleid von mir geschenkt. Wir haben etwa die gleiche Kleidergröße. – Anka, was ich Sie bei der Gelegenheit fragen wollte: Ist es normal, dass sich bei meiner Tochter gerade eine Abwehrhaltung gegen alle Kleidung aufbaut, die sie als Junge getragen hat?«

      »Damit war zu rechnen, Barbara. Ihre Tochter war auf einem Weg und hat im Moment Ihrer Entdeckung verharrt. Sie haben sie ermutigt, diesen Weg weiterzugehen. Damit war für das Mädchen das Leben als Junge beendet.«

      »Aber das wird ganz schön ins Geld gehen.«

      »Ich kenne da einen Kleidermarkt. Warten Sie …«

      Barbara hörte im Hintergrund das Rascheln von Papier. Dann war die Lehrerin wieder am Telefon.

      »Ja, hier. In der Stadt gibt es einen Gebrauchtmarkt. In der Fischerstraße. Dort bekommen Sie sehr schöne und gepflegte Second-Hand-Kleidung. Viele Sachen sind sogar eigentlich neu. Kunden-Retouren von Versandhändlern oder B-Ware. Schauen Sie doch dort mal vorbei!«

      »Danke, Anka. Sie helfen mir da wirklich weiter. Was haben Sie mir denn Neues zu berichten?«

      »Es ist so. Unsere Schule in der Kleinstadt hat keinen eigenen Schulpsychologen. Aber einmal in der Woche kommt eine Psychologin von einem der städtischen Gymnasien zu uns, für einen Nachmittag. Sie beide sollten sie aufsuchen. Ich habe sie kontaktiert und ohne genauere Auskünfte erklärt, dass wir hier wohl einen Fall von Transgender haben. Sie hat sicher bedeutend mehr Erfahrung auf dem Gebiet und kann Ihnen bestimmt weiterhelfen. Mittwochs ist sie an unserem Gymnasium, auch in den Ferien. Nur Anfang August gibt es eine Vertretung. Was halten Sie davon?«

      Barbara war über diese Nachricht so erleichtert, dass sie einen Scherz wagte.

      »In dieser Situation greife ich nach jedem Strohhalm, den man mir zuwirft. Anka, ich möchte Ihnen danken, dass Sie sich so für uns einsetzen. Ich habe versucht, im Internet nachzulesen, konnte aber bei der Menge an Seiten keinen wirklichen Ansatzpunkt finden.«

      »Ja,

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