als die wahrheit noch männlich und katholisch war. Franziska Maria Papst

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als die wahrheit noch männlich und katholisch war - Franziska Maria Papst

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mit. Wir konnten stolz auf unsere Leistung sein. Wir hatten keinen Fehler gemacht. Alles war perfekt. Genauso wie mein Vater es wollte.

      Meine Mutter passte sich meinem Vater wie ein Schatten an. Wenn er etwas brauchte, lies sie alles liegen und stehen. So konnte sie in einem Augenblick noch gemütlich am Telefon mit einer Bekannten plaudern, kaum kam mein Vater bei der Tür herein, legte sie mit einer überstürzten Ausrede den Hörer auf. Das mag ja in einigen Fällen angebracht sein, aber auch wenn mein Vater nichts wollte und nichts brauchte, war sie für ihn da. Jede Minute.

      Selbstverständlich war meiner Mutter ihr Mann wichtiger als ihre Kinder. Schließlich hatten sich die Kinder den Eltern anzupassen und nicht umgekehrt.

      Eines Tages merkten meine Schwester und ich die schlechte Stimmung meines Vaters. Wir hatten Angst, dass er uns unbegründet schlagen würde. Hilfesuchend lief meine Schwester zu unserer Mutter. Die ging schnurstracks zu meinem Vater und kam mit der Antwort wieder:

      „Wenn ihr brav seid, wird er euch nicht schlagen. Ihr braucht keine Angst zu haben.“ Ich fühlte mich verraten. Warum hatte meine Mutter ihm von unseren Ängsten erzählt? Ich hatte gedacht, wir wären Verbündete gegen die cholerischen Ausschweifungen meines Vaters. Aber dem war nicht so. Wir waren nur Kinder. Untergeordnet und ausgeliefert. Brav sein hieß, sich still den Vorgaben des Familienoberhauptes auszuliefern. Da gab es keine Bündnisse oder Gehorsamsverweigerung, keine Diskussion oder gar konstruktive Kritik.

      Meine Eltern hielten diesbezüglich fest zusammen und waren mehr als nur einer Meinung, sie waren eins: im Denken, im Fühlen, im Handeln. Alles hatte sich meinem Vater anzupassen. Was nicht nach seinen Vorstellungen ging, wurde geleugnet. Genauso wurden wir Kinder ignoriert, wenn wir uns anders benahmen, als von uns erwartet wurde. Es war eine Form der Strafe durch Liebesentzug.

      Ich habe damals nicht verstanden, warum unsere Eltern so waren. Sie selbst erzählten, dass unsere Großeltern noch viel strenger gewesen wären. Sie betonten immer, dass wir es viel besser hätten, denn sie hätten als Kinder nicht nur unter der strengen Erziehung, sondern auch unter der Armut der Nachkriegszeit gelitten. Ihre eigene autoritäre Erziehung war ihnen trotzdem in Fleisch und Blut übergegangen. Sie hinterfragten nicht, ob das, was sie glaubten und lebten, auch gut und richtig war, oder ob es da möglicherweise Dinge gab, die so nicht sein sollten. Was Wahrheit war, wie man zu leben hatte und was man glauben musste, wurde vorgeschrieben. Die Wahrheit kam von meinem Vater. Meine Mutter schaltete ihr Denken aus.

      Im Nachhinein denke ich, dass es eine Generation war, die mehr durch den Krieg geprägt wurde, als sie sich eingestehen wollte. In ihrer eigenen Kindheit hatte sich eine große Sprachlosigkeit breitgemacht, da keiner die Schrecken des Krieges bildlich heraufbeschwören wollte. Es war außerdem ein Krieg gewesen, der sich die Verabsolutierung eines Gedankengutes zunutze gemacht hatte.

      Uns Kindern schärfte man ein, keinesfalls auf so jemanden wie Adolf Hitler reinzufallen. Der Nationalsozialismus hatte sich als gefährlich herausgestellt und Ideologisierung in jeglicher Form wurde auch von meinen Eltern skeptisch beäugt. Gleichzeitig war es trotzdem die Zeit der Suche nach der besten aller Wahrheiten, denn jeder in unserer Familie hing seiner eigenen Idealvorstellung nach und suchte nach der einzig wahren Gesellschaftsform. Es war die Zeit, in der der Sozialismus gegen den Kommunismus ausgespielt wurde, oder darum gestritten wurde, welche Form des Liberalismus die richtige sei. Die großen politischen Parteien konnten sich eine eindeutige Weltanschauung verpassen und die soziale Marktwirtschaft schien uns bürgerlichen geprägten Staatsbürgern die ideale Mischung zwischen christlicher Mildtätigkeit und einer Weichenstellung für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg. Die politischen Diskussionen kreisten im Grunde nur um eine Frage: nämlich, welches die b e s t e aller Ideologien sei.

      Mein heimatliches Umfeld war also durch ein zweifaches geprägt. Durch das väterliche Patriarchat, welches auch uns zu Sprachlosigkeit verdammte und jegliches Aufbegehren im Keim erstickte, und dem Streben nach einer erneuerten Gesellschaft, die sich irgendwo zwischen christlich-bürgerlich und sozialmarktwirtschaftlich bewegen musste. Diese doppelte Prägung, das patriarchale Denken und das Hochhalten einer bestimmten Ideologie, sollte die Grundlage dafür bilden, dass ich mich in der Katholischen Kirche so richtig wohlfühlen würde. Patriarchales Denken bezieht sich nicht exklusiv auf eine Person, nämlich den Vater, wie man annehmen möchte, sondern Patriarchat und hierarchisch strukturierte Ideologien sind eng miteinander verknüpft. Doch dazu später.

      Als Kind erlebte ich das natürlich nicht so reflektiert, sondern eher selbstverständlich. Ich war nicht die einzige, die so erzogen wurde. Meine Mitschülerinnen in der Klosterschule und meine Freunde aus dem bürgerlichen Milieu trugen ihren Teil dazu bei, mein gesellschaftliches Umfeld als selbstverständlich zu empfinden.

      das brav-system

      In der Schule hatte ich schlechte Noten. Ich dachte, ich wäre dumm. Immer wenn ich mir etwas merken wollte, kam ein großer schwarzer Balken, der mir suggerierte: Babette, Du verstehst das nicht. Also begann ich erst gar nicht nachzudenken, sondern die Schule musste in irgendeiner Form absolviert werden.

      In Wirklichkeit war ich nicht dumm. Ich war sogar sehr intelligent, aber ich scheiterte an meinen eigenen, falschen Vorstellungen. Der Unterricht erschien mir wie ein Riesenberg Wissen, welcher vor allem eines abverlangte: sich diesen Wissensberg in einer ganz bestimmten Art und Weise zu merken. Es stand nicht zur Diskussion, ob diese einzelnen Wissensteile auch in irgendeiner Form zusammenhingen oder ob womöglich erkenntnistheoretische Fähigkeiten gefragt sein könnten.

      Bei meinen Eltern war sinnlose philosophische Denkakrobatik verpönt. Darunter verstanden sie die Beschäftigung mit dem Sinn des Lebens oder auch das Hinterfragen von Autoritäten. Wenn ein Politiker, ein Lehrer, ein Arzt oder eine andere gebildete Persönlichkeit etwas feststellte, dann war dies selbstverständlich als richtig hinzunehmen, so wie ich schon von klein auf gelernt hatte, einen Patriarchen nicht zu hinterfragen. Gleiches galt für die Schule und so verstand ich bald, dass eigentlich vor allem eines nötig war: Zu wissen wie der Lehrer tickte. Die Lehrer lobten, wenn man das wusste, was sie gesagt hatten und gaben schlechte Noten, wenn man sich anders verhielt. Objektiv gesehen war das vielleicht anders, aber es war das, was ich mir aus meinem kindlichen Erleben zusammenbastelte und was vor allem ausreichenden schulischen Erfolg brachte.

      Durch die Existenz dieses schwarzen Balkens hatte ich immer das Gefühl anders zu sein. Für meine Mitschüler schienen die Anforderungen der Schule nicht so umständlich zu sein. Sie hörten zu und lernten.

      Es war in der ersten Klasse Gymnasium, als wir eines Tages in der Schule einen alltäglichen Arbeitsauftrag bekamen. Wir sollten in unserem Hausübungsheft einen Aufsatz zum Thema Stephansdom gestalten. Wir hatten die Woche davor eine Exkursion in den Dom gemacht und dabei Fakten über die Stephanskirche und seine Geschichte gelernt. Aber statt die dort gekauften Postkarten einzukleben und die Geschichte von Meister Pilgrim wiederzugeben, hatte ich meine ganz eigenen Erinnerungen an den Stephansdom. Es soll dort täglich über 150 Messen gegeben haben (Wie ging das?) und das wurde erst im Zuge des Zweiten Vatikanums (Was war das?) abgeschafft. Und: der Stephansdom sei eigentlich eine Allerheiligenkirche, was ein gewisser Rudolf bewerkstelligt hätte. So begann ich mit einer Akribie viele verschiedene Heilige in mein Heft zu malen.

      Mein Vater hatte den 20-bändigen Brockhaus in seinem Studierzimmer stehen, was ihn nicht ohne Stolz erfüllte, schließlich war dieses Werk nicht billig gewesen. Ich hielt mich also für besonders schlau und schrieb den Absatz über das Zweite Vatikanum und die Liturgiereform ab. Soso - es gab seitdem keine Messen mehr in Latein, stellte ich mit Bedauern fest, erschienen mir doch Latein und Französisch als zwei wunderbare Sprachen.

      Ich bekam keinen Einser auf meine arbeitsintensive wunderbare Hausübung. Im Gegenteil. Die Lehrerin blickte mich strafend an. Das sähe man, dass ich beim Schulausflug überhaupt nicht aufgepasst hatte, meinte sie, denn Heilige abzumalen und etwas aus dem Lexikon abzuschreiben,

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