Boccaccio reloaded. Centino Scrittori

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Boccaccio reloaded - Centino Scrittori

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zur Arbeit aufbreche, habe ich ein mulmiges Gefühl. Ich hoffe, dass wir keine schlimmen Fälle mehr reinbekommen werden. Wir sind nicht mehr in der Lage, Betroffene zu betreuen, denn wir haben keine weiteren Beatmungsmaschinen. Ich hoffe, die beiden kleinen Kinder heute nach der Kontrolle aus dem Krankenhaus entlassen zu können. Schon erschöpft von meinen Gedanken, komme ich im Krankenhaus an und mache mich fertig für meine Schicht. Als ich in das Zimmer der Erwachsenen gehe, sehe ich, dass sie deutliche Fortschritte gemacht haben. Ich denke, sie werden heute Abend entlassen werden können. Ein Fortschritt, immerhin. Ich mache mich auf den Weg zur Intensivstation und als ich sein Zimmer betrete, sehe ich seine Mutter, unter Tränen, sie weint. Ich ahne, was passiert ist, und ich merke, wie ich nach und nach immer schwerer nach Luft schnappe. Er hat es nicht geschafft, er ist gestorben. Ich frage, mich wo die Gerechtigkeit bleibt, ich meine: so ein kleiner Junge… Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich, bis dieses Virus um die Ecke kommt und nach und nach Familien zerreißt. Ich fühle mit der Mutter, sie tut mir unfassbar leid. Ich will es nicht realisieren, doch ich weiß, ich muss weiterhin stark bleiben. Ich kümmere mich noch um das Nötigste und begebe mich zu den anderen zwei kleinen Kindern.

      Als ich eintrete, sehe ich, dass das kleine Mädchen zittert und schwer Luft kriegt. Ich bekomme Angst, wo soll ich Beatmungsmaschinen herbekommen? Ich sehe ihr deutlich an, dass sie sofort auf die Intensivstation muss. Ab diesem Zeitpunkt fängt ein Wettlauf gegen die Zeit an. Sofort gebe ich überall im Krankenhaus Bescheid und probiere an eine Beatmungsmaschine zu kommen, vergeblich. Es gibt keine Masken mehr, aber das will ich nicht einsehen, also beschließe ich, mich heute nicht um die zwei Erwachsenen zu kümmern, sondern aktiv nach einer Beatmungsmaschine zu suchen. Ich schätze, ich sollte noch zwei bis drei Stunden Zeit haben, um eine zu finden, bevor es zu spät ist und das kleine Mädchen, Elisa, wie sie die Eltern vorhin nannten, ersticken wird. In aller Panik renne ich umher. Ich suche in jedem Zimmer, ich gehe selbst in die OP-Säle, doch auch dort wird alles benutzt. Ich wünsche mir zu diesem Zeitpunkt nichts sehnlicher, als aus diesem Albtraum aufzuwachen. Ich begebe mich in das Zimmer, zu dem kleinen Mädchen zurück, voller Wut, aber auch Traurigkeit. Mir kommen die Tränen, als ich sehe, wie das Mädchen nach und nach rot anläuft. Ich weiß, ich werde ihre Eltern nun anrufen müssen und ihnen diese schreckliche Nachricht übermitteln. Ich will es nicht, nein. Doch ich weiß, ich muss. Langsam begebe ich mich aus dem Zimmer hinaus, um die Kontaktdaten der Eltern des kleinen Mädchens zu holen. Ich denke, ich war um die 30 Minuten weg, es sollte sich nichts ändern an ihrem Zustand. Als ich jedoch zurückkomme merke ich, was es für ein Fehler war, wegzugehen. Der kleine Junge weint, und ich verstehe sofort. Er bekommt auch keine richtige Luft mehr, er atmet schon ganz schwer. Ich frage mich, wie ich nun diesen zwei kleinen Kindern noch helfen kann. Ich weiß aus Erfahrung, dass wenn die Luftzufuhr eines Kindes schwerer wird, sie noch um die drei Stunden zu leben haben. Ich muss es hinbekommen, sie am Leben zu erhalten, koste es, was es wolle.

      Zuerst rufe ich jedoch die Eltern des kleinen Kindes an. Der Vater fängt sofort an zu weinen, als ich ihm berichte, dass wir nicht mehr genügend Ausrüstung besitzen. Nach längerer Stille sagt er, er werde seine Frau sofort ins Krankenhaus schicken und sich sofort auf die Suche nach einer Beatmungsmaschine für seine Tochter machen. Ich weiß, wie gering seine Chancen sind, aber ich möchte ihm seine letzte Hoffnung nicht nehmen. Ich begebe mich zurück ins Zimmer. Nun sitze ich vor zwei kleinen Kindern und sehe, wie sich ihr Zustand verschlechtert. Ich habe mich noch nie so hilflos und erschöpft gefühlt. Die Zeit vergeht, vier Stunden schon. Ich hoffe, es geschieht ein Wunder und sie halten durch. Ihr Zustand ist im Moment ungefähr gleich schlecht.

      Doch dann kommt auf einmal ein Anruf. Hoffnungsvoll sehe ich auf mein Handy. Es ist Dr. Mathias Schröpt, Chefarzt der Station fünf. Er sagt, ich solle mich zur Intensivstation begeben, er hätte eine Maske für mich. Mir kommen die Tränen und ich bin unfassbar erleichtert. Ich lege auf und möchte mich auf den Weg machen. Doch dann schießen mir meine Gedanken wie spitze Pfeile durch den Kopf: Wem gebe ich die Maske? Beide Kinder sind in lebensbedrohlicher Lage, wen soll ich retten? Mir wird schlecht. Ich dachte, die Beatmungsmaschine sei meine Erlösung, aber nein. Wegen ihr werde ich eine Entscheidung treffen müssen, die mich mein Leben lang quälen wird, wie keine Frage jemals wieder in meinen Leben. Welches der beiden kleinen Kinder, die mich unter Tränen ansehen, werde ich töten müssen? Ich bin entsetzt und irritiert. Was soll ich nun tun? Mir kommen die Tränen, ich kann nicht mehr denken. Ich merke, wie mir schwindelig wird und alles anfängt sich zu drehen. Auf einmal spüre ich kalte Hände, die mich halten. Ich setze mich auf, und schaue verwirrt umher. Ich erkenne Dr. Schröpt. Ich drehe mich um, um sofort nach den kleinen Kindern zu sehen. Ich sehe, dass beide ein Beatmungsgerät aufhaben. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Ich erfahre, dass der Vater vor etwa zehn Minuten reinstürmte, da er es schaffte, seiner Tochter eine Beatmungsmaschine zu besorgen. Als er sah, dass ich ohnmächtig wurde, holte er sofort Dr. Schröpt, welcher sich schon auf dem Weg befand, da er angefangen hatte, sich zu wundern, dass ich die Beatmungsmaschine nicht abholen kam. Wie ich erfuhr, setzte er den beiden Kindern die Beatmungsmaschinen in der letzten Minute auf. Ich fing an zu weinen, doch diesmal aus Freude. Trotz kompletter Verzweiflung und Angst habe ich es mit fremder Hilfe geschafft. Ich bin unfassbar erleichtert. Doch ich weiß, Morgen geht der Albtraum wieder los, denn diese Krise ist noch nicht überwunden.

      (Sophia Lisa Grub)

       Fünfte Geschichte

       Wir alle haben unglaublichen Respekt für ihre Schwester, vor allem in dieser schwierigen Zeit würdigt man die Arbeit von Ärzten und Krankenschwestern umso mehr. Wir sind gerade anscheinend vollkommen in der Stimmungfür Corona-Virus-Geschichten, deshalb erzählt sogleich ein Jugendlicher eine Geschichte, die er von einer Freundin gehört hat.

      Die Melodie meines Lieblingssongs für traurige Momente war das Letzte, was ich hörte, bevor eine wutentbrannte, ca. 65-jährige Frau mich fast umrannte und dabei störte, sorgfältig die Snacks für die nächsten Tage auszusuchen und mich dabei selbst zu bemitleiden, weil ich trotz des anbrechenden Frühlings die nächsten drei Wochen niemanden treffen durfte. Schuld war genau das, was die Frau mit den blond gefärbten Haaren wahrscheinlich dazu veranlasst hatte, sieben Packungen Klopapier zu kaufen; Corona, Covid-19 oder von den ganz Genervten, zu denen ich definitiv gehörte, denn allein schon bei dem Namen bekam ich schlechte Laune, auch gerne C. genannt. Sie gehörte wohl zu der Fraktion, die die Apokalypse vermutete oder Diarrhö bei dem Thema bekam, denn anders war so viel Klopapier definitiv nicht zu rechtfertigen. Es kotzte mich so an, dass die Leute alle nicht verstanden, dass die Supermärkte sicher nicht schließen würden, da nicht die Menschheit ausgerottet werden sollte, sondern lediglich die Verbreitung einer unberechenbaren Krankheit gestoppt werden musste. Die Frau hatte mittlerweile schon einen ganz roten Kopf, weil sie anscheinend mit jemandem stritt, der hinter mir stand. Das konnte ich jedoch nur vermuten, da immer noch irgendein trauriger Song über gebrochene Herzen lautstark in mein Ohr grölte.

      Ich nahm die Kopfhörer raus und wollte der Frau gerade sagen, sie solle sich doch bitte entschuldigen, als mir die Worte im Hals stecken blieben, weil ich mitbekam, dass sie mit ihrem Mann stritt. Die Person hinter mir, die ich mittlerweile als einen Mitte 60 wirkenden Mann identifizieren konnte, sagte gerade: „Bettina, ich habe dir doch gesagt, wir brauchen kein Klopapier und schon gar nicht sieben Packungen. Stell es bitte zurück und nimm maximal eine mit, wenn dich das glücklich macht, aber keine sieben. Andere Leute wollen auch noch etwas. Und schau mal, du hast die junge Dame angerempelt. Entschuldigen Sie bitte meine Frau ist etwas durch den Wind seit… Naja, Sie wissen schon, das Virus.“

      Den letzten Satz hatte er, den ich nun definitiv zu meinem persönlichen Helden des Tages ernannte, mir gewidmet, doch bevor ich etwas erwidern konnte, schaltete sich Bettina wieder ein, die mittlerweile auch am Hals rote Flecken hatte. „Peter, du weißt doch gar nicht was noch alles passieren wird! Wir sind immerhin schon fast in der Risikogruppe und überhaupt, Klopapier kann man ja nie genug haben, wer weiß, wie lange wir noch raus dürfen.“ Diese Aussage war in so vielen Hinsichten nicht korrekt und ziemlich unüberlegt, dass sich meine Laune noch um einige Stockwerke weiter in den Keller bewegte.

      Nach diesen schrillen

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