Sonst brichst du dir das Herz. Susanne Mischke

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Sonst brichst du dir das Herz - Susanne Mischke

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kriegt sie die Flasche nicht auf«, seufzte Matteo.

      »Typisch Mädchen«, grinste Claudio und verbrezelte seine Hände in einer unbeholfenen Drehbewegung.

      Fabiana verdrehte die Augen und murmelte etwas von Machos.

      »Wer kriegt was nicht auf?« Lucia kam mit der entkorkten Flasche zurück und verteilte Kopfnüsse an Matteo und Claudio, ehe sie Letzterem Wein nachschenkte. »Hier, du Schluckspecht.« Dann gab sie die Flasche an Matteo weiter.

      Als der Valerias Glas erneut füllte, trafen sich ihre Blicke. Sie prosteten sich zu. Noch nie hatte Valeria sich so lebendig gefühlt wie gerade jetzt. Ihr war, als wäre ihr ganzer Körper von etwas Leuchtendem erfüllt, gleichzeitig empfand sie eine überschwängliche Leichtigkeit.

      So wie jetzt, dachte sie, müsste das Leben immer sein. Doch ehe sie wie ein Luftballon davonschweben konnte, wandte Matteo den Blick von ihr ab und schaute mit einem Blick, den sie nur schwer zu deuten wusste, hinüber zu Lucia.

      Sonnenstrahlen drangen durch die Lamellen der Fensterläden und tauchten den Raum in ein Streifenmuster. Valeria schaute sich um. Wo war sie? Jedenfalls nicht in Alessandros Gästezimmer, denn dort waren die Kissen definitiv weicher. Jetzt dagegen lag ihr Kopf auf einem Sandsack, dessen Leinenbezug nach Mottenkugeln muffelte, genau wie das Laken, mit dem sie zugedeckt war.

      Steif und schlaftrunken richtete Valeria sich auf. Oh Gott, und was war das nur in ihrem Kopf? Bei jeder Bewegung kullerte eine Eisenkugel in ihrem Schädel herum.

      Allmählich sickerten die Erinnerungen in ihr Gedächtnis. Der Park. Lucia. Die Autofahrt, die Villa, der Abend im Salon, die Gespräche, der Wein ... Ja, davon dürfte sie ein bisschen zu viel erwischt haben. Zwar erlaubte ihr Rosa neuerdings ein Schlückchen Wein zum Essen, aber mehr war Valeria nicht gewohnt. Prüfend schaute sie an sich hinunter. Sie trug die Jeans und das T-Shirt von gestern, ihre Strickjacke hing über der Bettlade und ihre Schuhe standen artig nebeneinander auf dem Bettvorleger. Unmöglich, dass sie selbst sie so ordentlich hingestellt hatte, das tat sie nie. Brach bei ihr etwa ein verborgener Ordnungsfimmel durch, sobald sie betrunken war? Und wie war sie überhaupt hierhergekommen, in dieses Zimmer mit den schmucklosen eierschalenfarbenen Wänden und der Dachgaube? Ein schlichtes Bett, ein Nachtschränkchen und ein Schrank waren die ganze Ausstattung. Fehlt nur noch ein Kreuz an der Wand und die Mönchszelle ist perfekt, stellte Valeria fest. Auf dem Nachtschränkchen entdeckte sie ihre Tasche und ihre Uhr, die fünf vor elf anzeigte. Daneben hatte jemand eine noch verpackte Zahnbürste gelegt. Aber noch seltsamer war ein frischer Strauß aus Kornblumen, kleinen Rosen und Anemonen. Standen hier in allen Zimmern Blumensträuße herum? Fast kam es ihr so vor, als hätte man ihren Besuch erwartet. Wie war das möglich? Dennoch war sie dankbar, vor allen Dingen für die Zahnbürste.

      Langsam, wegen der Eisenkugel in ihrem Kopf, stand sie auf und zog ihre Schuhe an. Wieso gab es hier keinen Spiegel? Na, war vielleicht besser so. Hoffentlich würde sie ein Badezimmer finden, und zwar bevor sie einer menschlichen Seele begegnete.

      Sie schlüpfte aus dem Zimmer auf den Flur. Zwölf identische, schmale Türen gingen davon ab, sechs auf jeder Seite. Der kahle Flur und die geschlossenen Türen hatten etwas Klösterliches und zugleich Abweisendes. Valeria fröstelte. Bestimmt hatten hier im Dachgeschoss früher die Dienstboten gewohnt. Eine steile hölzerne Treppe führte nach unten, und als Valeria hinabstieg, knarrten und ächzten die Stufen, als wäre ihre Benutzung eine außerplanmäßige Zumutung.

      Im ersten Stock sah es schon wesentlich freundlicher aus. Es gab nur halb so viele Türen, allesamt breit und mit Schnitzereien verziert, eine davon stand offen und … Halleluja, ein Badezimmer! Erleichtert huschte Valeria dorthinein und sperrte hinter sich ab. Der Spiegel über dem Waschbecken bestätigte ihre Befürchtung, genauso auszusehen, wie sie sich fühlte: ziemlich derangiert.

      Kurz darauf musste Valeria erkennen, dass das Leben in einem alten Palazzo auch seine Tücken hatte. Sie lieferte sich einen erbitterten Kampf mit der Dusche, deren Wassertemperatur permanent wechselte, und zwar von kochend heiß bis bitterkalt. Als Arena diente eine Badewanne, die so groß war wie ein Kahn und auf goldenen Löwentatzen stand. Wenigstens ließen nach dem letzten kalten Guss die Kopfschmerzen nach und das Abtrocknen mit einem kratzigen Handtuch brachte ihren Kreislauf vollends in Schwung. In einer Schale neben dem Waschbecken lag ein ganzer Haufen Schminksachen. Valeria konnte nicht widerstehen und versuchte, ihre Augen mit schwarzem Kajalstift und einem bräunlichen Lidschatten so zu betonen, wie sie es gestern Abend an Lucia bewundert hatte. Ganz so perfekt bekam sie es zwar nicht hin, denn es fehlte ihr an Übung, aber es war erstaunlich, wie das bisschen Farbe ihr Gesicht veränderte. Sie schlang das feuchte Haar zu einem Knoten. Hätte sie jetzt noch frische Klamotten gehabt, wäre sie einigermaßen zufrieden mit sich gewesen.

      Sie öffnete das Fenster, damit die Dampfwolken abziehen konnten, lehnte sich hinaus und betrachtete den Garten der Villa Aurelia oder vielmehr: den Park. Ein Netz aus weiß gekiesten Wegen spannte sich zwischen Bäumen, Bänken und Statuen über die Rasenflächen, die wiederum unterbrochen wurden von Beeten, Buschgruppen und Hecken. Ein Teich schillerte grünlich zwischen Schilf und Farnen, überschattet von einer Trauerweide. Weiter hinten blinkten die Scheiben eines Gewächshauses in der Sonne, den Gemüsegarten bewachte eine Vogelscheuche mit einem schwarzen Flattergewand. Pinien, Zypressen, Zedern und ein Kastanienbaum überragten die Mauer, an der sich Efeu emporrankte. In der Nähe des Tors, durch das sie gestern Abend gefahren waren, bemerkte Valeria ein kleines, von Kletterpflanzen überwuchertes Haus. Jenseits der Mauer verlief die Straße und dahinter erstreckten sich andere Gärten mit ähnlichen Villen, deren Dächer durch die Bäume schimmerten.

      Diese vier Freunde – oder deren Eltern – mussten ganz schön reich sein, um hier wohnen zu können. Valeria wurde schlagartig klar, dass sie in eine fremde Welt eingedrungen war, in der sie nichts verloren hatte. Das Gefühl war nicht neu, denn so ähnlich hatte sie sich auch gefühlt, als Alessandro sie in sein Zuhause gebracht hatte. Nein, sie gehörte weder hierher noch zu Alessandro. Aber auch nicht mehr in das Haus ihrer Mutter. Nicht, nachdem die sie fortgeschickt hatte.

      Sie war heimatlos, sie gehörte nirgendwohin. Ihr Leben war ein weißes Blatt Papier. Vogelfrei, dachte Valeria. Ihr machte es nur Angst.

      Ein scharrendes Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Zwischen den Orangenbäumen fegte ein Mann heruntergefallene Blätter zusammen. Er trug eine Schirmmütze, daher konnte Valeria sein Gesicht nicht erkennen. War das Matteo? Beim Gedanken an ihn musste Valeria plötzlich lächeln, ohne genau zu wissen, warum. Der Mann lehnte nun den Laubrechen gegen einen Baum und schaufelte mit den Armen die Blätter in einen Korb. Als er damit fertig war, nahm er seine Kappe ab. Nein, das war nicht Matteo. Der Gärtner? Jetzt wischte er sich mit dem Unterarm über die Stirn, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Er hatte Valeria entdeckt.

      Sekundenlang starrten sie einander an, bis Valeria vom Fenster zurückwich. Böse Augen, durchfuhr es sie. Aber bei nüchterner Betrachtung musste sie sich eingestehen, dass die Entfernung viel zu groß gewesen war, um den Ausdruck seiner Augen zuverlässig deuten zu können. Trotzdem hatte sein Gesicht etwas Finsteres an sich gehabt. Sie schloss das Fenster und verließ das Bad.

      Im Flur blieb sie stehen und horchte. Nichts regte sich. Auch dieses Stockwerk schien wie ausgestorben zu sein. Sie schlich die breite Treppe hinab, vorbei am römischen Hochadel in Öl. Warum sie sich auf Zehenspitzen bewegte, als wäre sie eine Einbrecherin oder Spionin, war ihr selbst nicht klar. Sie war schließlich hier zu Gast. Lucia hatte sie ausdrücklich eingeladen, die Nacht über hierzubleiben, und auch die anderen hatten nichts dagegen gehabt. Da waren nur dieses Gefühl, dass sie eigentlich nicht hier sein sollte, und dazu die vage Vorstellung von irgendetwas Ungewöhnlichem, vielleicht

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