Sonst brichst du dir das Herz. Susanne Mischke

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Sonst brichst du dir das Herz - Susanne Mischke

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sich an Valeria und stellte fest: »Du kommst nicht aus Rom, oder?«

      »Umbrien«, antwortete Valeria. »Kennst du Umbrien?«

      »Nein«, antwortete Claudio, der Valerias Versuch, ihn mit einer Gegenfrage abzulenken, durchschaut hatte. »Und was machst du hier?«

      »Ich bin zu Besuch bei Freunden meiner Mutter. So eine Art Bildungsurlaub. Meine Mutter ist Malerin.« Wieso hatte sie das gesagt? Weil Malerin interessant klang?

      »Werden diese Leute sich keine Sorgen machen, wo du bist?«, mischte sich Lucia ein.

      Daran hatte Valeria auch schon gedacht. »Ja, schon möglich. Ich sollte jetzt vielleicht ...« Sie blickte ratlos von Lucia zu Claudio.

      »Ich kann nicht mehr fahren«, verkündete Claudio, der quer in einem der ausladenden Sessel hing und träge seine Beine über die Armlehne baumeln ließ. Er hatte ein fast leeres Glas Rotwein in der Hand und es war nicht sein erstes.

      »Schick denen doch eine SMS, dass du bei Freunden übernachtest«, schlug Lucia vor.

      Bei Freunden. Valerias Herz machte einen kleinen Salto angesichts der Aussicht, noch länger in Lucias Nähe bleiben zu können. Sie fühlte sich ihr auf eine eigenartige Weise verbunden. Es war, als hätte ihre Schattenschwester plötzlich Gestalt angenommen. Was war denn auch schon dabei, wenn sie blieb? Schließlich war Alessandro, wie sich herausgestellt hatte, nicht ihr Vater, sondern nur Rosas Exfreund, den sie obendrein dafür bezahlt hatte, dass er Valeria bei sich aufnahm. Somit waren er und Adriana genau genommen Leute, die ihr nichts vorzuschreiben hatten. Und sollten sie Rosa davon erzählen, war Valeria das auch egal. Einer Mutter, die ihre Tochter von vorn bis hinten belog und sie ohne ihr Einverständnis von einem Tag auf den anderen zu ihrem Exliebhaber in eine fremde Stadt schickte, so einer Mutter schuldete man keinen Gehorsam. Zu diesem Schluss kam Valeria binnen weniger Sekunden. Möglicherweise hatten auch die zwei Gläser Wein, die sie schon getrunken hatte, ihren Anteil daran.

      Und Matteo, dessen Blick sie jetzt auffing.

      »Ich habe mein Handy nicht dabei«, gestand sie, nachdem sie ihre kleine Tasche zwischen den Kissen hervorgekramt und hineingesehen hatte.

      Lucia runzelte die Stirn. »Na großartig!«

      »Aber ich weiß die Nummer auswendig.« Zahlen hatte sich Valeria schon immer gut merken können und für Notfälle hatte sie sich Alessandros Mobilnummer fest eingeprägt.

      »Fein«, strahlte Lucia und Valeria registrierte dabei, wie rasch ihre Stimmung umschlagen konnte. Lucia streckte die Hand in Claudios Richtung und schnippte mit den Fingern. Der hob seinen wohlgeformten Hintern an und zog sein Telefon aus der Hosentasche.

      »Mach du das«, bat Valeria, die befürchtete, das Smartphone nicht bedienen zu können. »Schreib, dass ich morgen wiederkomme und sie sich keine Sorgen machen müssen.«

      Nachdem Lucia die Nachricht getippt und weggeschickt hatte, sagte sie: »Du kannst von mir aus hier schlafen.«

      »Ja, unter dem wunderbaren Bild«, setzte Fabiana mit einem teuflischen Lächeln hinzu. Sie kauerte in den Tiefen ihres Sessels wie ein dunkler Gnom.

      Unwillkürlich sandte Valeria einen Blick zur Decke. Die Nacht unter diesem apokalyptischen Gemälde verbringen? Kein schöner Gedanke, aber im Dunkeln würde sie es ja nicht sehen.

      »Oder penn in meinem Zimmer, das Bett ist breit«, schlug Claudio vor.

      Valeria bemerkte, wie Matteo ihr ganz leicht zuzwinkerte. Sie lächelte. Dass die anderen sie aufzogen, gab ihr das Gefühl dazuzugehören. Bei Freunden. Und Matteo schien sich insgeheim auf ihre Seite geschlagen zu haben. Seine beinahe schwarzen Augen waren wie Samt und hatten etwas Sanftes, genau wie seine Stimme. Er war kleiner als Claudio und einer seiner Vorderzähne stand ein wenig schief. Offenbar war er bemüht, diesen kleinen Makel zu verstecken, wodurch sein Lächeln ein wenig verkrampft wirkte. Valeria fand das rührend. Und seine schwarzen Locken, die ihm immer wieder in die Stirn fielen, hätte sie sich am liebsten um die Finger gewickelt.

      »Danke Claudio, ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich bevorzuge die Höllenvision«, antwortete Valeria und erntete prompt lautes Gelächter.

      »Gebt ihr nichts mehr zu trinken, sie wird frech«, meinte Claudio und entblößte sein tadelloses Gebiss zu einem matten Grinsen.

      »Ist der mit dem Schnabel der Tod?«, fragte Valeria, nach oben deutend.

      »Fabiana, dein Stichwort.« Lucia deutete mit einer burlesken Handbewegung auf ihre Cousine.

      Völlig unerwartet wurde deren Miene auf einmal hell und lebhaft. »Das ist ein Pestarzt«, sagte sie. »Man muss nämlich wissen, dass am 24. Dezember 1449 ein sogenanntes Jubeljahr anbrach, das Papst Nicolaus V. ausgerufen hatte. Um dies zu feiern, fielen Pilger aus der ganzen christlichen Welt in die Stadt ein. Der Andrang muss gewaltig gewesen sein, ein Riesengeschäft für die Wirte und die Händler, genau wie heute. Aber mit den Menschenmassen kam die Pest zurück. Die wütete damals ja immer wieder einmal in irgendeinem Landstrich und hatte hundert Jahre zuvor die Bevölkerung von Florenz nahezu ausgelöscht. Deswegen ließen sich einige römische Adelsfamilien später rechtzeitig einen Palazzo außerhalb des Zentrums bauen, als vermeintlich sicheren Rückzugsort. Und was lag näher als die Albaner Berge bei Frascati, zwanzig Kilometer südlich der Kernstadt, wo es im Sommer kühl und frisch ist und wo schon Cäsar und Brutus ihre Villen gehabt hatten? So entstand auch diese schlichte Behausung. Das Bild da oben wurde allerdings etwa zweihundert Jahre später gemalt. Vielleicht zur Mahnung an die düsteren Zeiten. Oder weil die Bewohner einen makabren Geschmack hatten.«

      »Da hast du es«, sagte Lucia. »Fabiana studiert Kunst und speziell Kirchenmalerei. Sie kennt sich aus mit Höllenvisionen.«

      »Waren sie hier denn sicher vor der Pest?«, wollte Valeria wissen.

      Fabiana schüttelte lächelnd den Kopf, wobei das Kreuz an ihrem Hals aufblitzte. »Nein. Zumindest nicht alle. Zumindest gibt es im Garten ein paar Gräber aus der Zeit der Pest.«

      »Was, echt jetzt?«, fragte Lucia.

      »Klar. Frag den Drachen, der kann sie dir zeigen«, bestätigte Fabiana.

      »Hört auf, das ist gruselig«, forderte Matteo.

      »Apropos düstere Zeiten …« Claudio hielt sein leeres Glas in die Höhe. »Ich hab nichts mehr zu trinken.«

      »Dann geh und hol dir was, du fauler Sack«, fuhr ihn Fabiana an.

      »Ich würde ja, aber ich komme nicht mehr aus diesem Ungetüm raus«, behauptete Claudio.

      »Wie ein alter Mann«, lästerte Matteo.

      »Lass nur, ich gehe.« Lucia stand auf.

      Es war das erste Mal, dass sie einen Finger rührte. Das Essen hatte Matteo zubereitet, während Claudio in der Küche den Tisch gedeckt hatte. Später hatte Fabiana das Geschirr abgeräumt und in die Spülmaschine geräumt und Valeria war als Einzige aufgestanden, um ihr zu helfen. Auf die Frage, ob sie zusammen die Töpfe abwaschen sollten, hatte Fabiana geantwortet, das sei nicht nötig, das würde der Drache morgen erledigen. Wer immer das sein mochte, Valeria hatte nicht nachgefragt.

      »Brauchst du Hilfe?«, rief Matteo über die Schulter, wobei zu bezweifeln war, ob Lucia ihn hören konnte, denn die Küche war ganz schön weit weg.

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