Fahlmann. Christopher Ecker

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Fahlmann - Christopher Ecker

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style="font-size:15px;">       verlegt seine seife

       an bord von zeppelin «freud»

       so lustig

      Während des Vortrags erinnerte ich mich an die Gespenstercomics meiner Kindheit, die ich im Bettkasten versteckt hatte, damit Mutter sie mir nicht wegnahm. Seltsam, aber so steht es geschrieben. Mit diesem Satz endete jede Geschichte, und kaum hatte ich so lustig gelesen, dröhnte auch ich:

      seltsam aber so steht es geschrieben

      Immer noch lachte niemand. Wahrscheinlich denken alle, das gehört zum Gedicht, höhö, mir kochte das Adrenalin vollends über, zu früh! Gefahr! Viel zu früh! Aber schon hörte ich mich orakeln:

      weltmaschine weltmaschine

      Ich wusste nicht mehr weiter und murmelte betreten:

      die weltmaschine … hat …

      Ich goss mir Mineralwasser ein. «Nicht zu schnell lesen», hatte Frau Jeckel von der VHS gesagt, aber das Zeugs musste schnell gelesen werden. Schnell! Schnell! Eine vage Idee entrollte sich wie ein Feuerwehrschlauch, füllte sich mit kohlensäurearmem Wasser und schnellte prall aus meinem Mund:

      alles schnell in der weltmaschine

       alle welt in der schnellmaschine

       von dr. nussig aus der tube

      Eines der größten Probleme bei Lesungen war mein zwanghaftes Bedürfnis, ins Publikum zu schauen, obwohl mich jedes bekannte Gesicht in höchste Beunruhigung versetzte. Neben dem Erlebnis auf der Herrentoilette bekümmerte mich vor allem die Anwesenheit Norbert Polkingers. Mit andächtig geschlossenen Augen saß der Assistent von Professor Capart in der letzten Reihe und lauschte der mond-schein-parade, ein gefährlicher Mann, denn er korrigierte und benotete alle Hausarbeiten. Ich sah ihn bereits wie Barlachs Rächer durch die Flure des Germanistischen Instituts eilen, um die Tür zu Caparts Büro mit einem süffisant beiläufigen «Ich war gestern übrigens bei der Lesung von diesem Fahlmann» aufzureißen. Hühnerprodukt mit zwei Buchstaben. Professor Capart blickt zweifelnd vom Kreuzworträtsel auf. Polkinger trabt derweil auf der Stelle, kräht: «Unfähig!» und seine Erregung entlädt sich in einem Luftsprung. «Fahlmann kann überhaupt nicht schreiben!» Er packt den Garderobenständer und führt ihn in den beschwingten Schritten einer Gigue durch den Raum, während ein zu Tode betrübter Capart den Kopf schüttelt und immer wieder händeringend ausruft: «Eine Null! Eine Niete! Was habe ich davon zu halten! Da ist mein guter Fahlmann also eine Niete!» Hinter dem Schreibtisch starrt Adorno grimmig aus dem Silberrahmen, und seine umwölkte Miene hellt sich erst auf, als Professor Capart keift: «Ich darf auf gar keinen Fall vergessen, Fahlmann durch die Magisterprüfung fallen zu lassen. Erinnern Sie mich gegebenenfalls daran, Polkinger, und stellen Sie endlich den Kleiderständer dahin, wo er hingehört! Wir sind hier doch nicht zu Besuch bei Arno Schmidt in Bargfeld!»

      Caparts Assistent öffnete die Augen, ich senkte den Blick ins Buch, über dessen Seiten kleine, fast quadratische Textflöße schwammen. Warum er? Warum ausgerechnet er? Norbert Polkinger war einer dieser Wichtigtuer, die in der Mensa extralaut redeten, damit man noch drei Tische weiter ihren Scharfsinn und ihre Belesenheit andächtig zur Kenntnis nahm. In Seminarsitzungen führte er Adorno und Horkheimer im Munde, um sich bei seinem Doktorvater einzuschmeicheln, und hatte dabei stets (ein liebenswertes Detail) die Finger gespreizt, weil er an einer Hautflechte litt, die besonders gut in jenen feuchtwarmen Regionen des Körpers gedeiht, wo keine Frischluftzirkulation gewährleistet ist. Polkinger! Irgendwann bist du dran! Einen Ehrenplatz, ja, man könnte fast sagen, einen Logenplatz auf der Schwarzen Liste hatte ihm vor allem das gönnerhaft herablassende Verhalten eingebracht, das er mir gegenüber an den Tag legte. Vor Dritten betonte er unablässig, für wie überaus «begabt» und «talentiert» er mich halte, und begrüßte mich stets mit einem vermutlich ironisch gemeinten: «Na, wie gehts denn dem Herrn Dichter!» – in meinen Augen eine subtile Beleidigung. Dichter! Sofort sah ich einen verträumten blutarmen Schwärmer vor mir, der mit Leidensmiene über eine Blumenwiese schreitet. Im Gegensatz zum Poeten, einem ausgemergelten Stubengelehrten, der alles mit dem Mond vergleicht, hat der Dichter einen Degen umgegürtet; aber eine Frau bekommt trotzdem keiner von beiden ab. Autor: ein nichtssagendes, konnotationsarmes Wort, allerdings tausendmal besser als die freche Verhöhnung Buchautor, die bei Fernsehshows eingeblendet wird, wenn Oma Kruse einem staunenden Moderator ihren Klimakterialreiseführer vorstellt. Schriftsteller klang in meinen Ohren relativ harmlos.

       Schriftsteller leben im Winter in den nostalgischen Pensionen britischer Seebäder, und alle Gäste tun so, als fürchteten sie unsäglich, in dem Großen Roman verewigt zu werden, an dem der charmante Gesellschafter nachts arbeitet, wenn er sich nach einem letzten Gläschen Portwein auf sein Zimmer zurück gezogen hat. Erzähler gefiel mir eigentlich am besten, aber da ich einen Gedichtband veröffentlicht hatte, trat ich heute als Lyriker auf. Treten Sie näher! Treten Sie heran! Hier sehen Sie die Praxis des Lyrikers, Tür an Tür mit einem armenischen Gynäkologen, und während dieser seinen buschigen Schnauzer zwischen den gespreizten Schenkeln einer rassigen Französin versenkt, hört man nebenan Wasser rauschen und zaghaftes Gezupfe auf der verstimmten Leier; dann wird es still (bis auf das Stöhnen von Valerie), denn der Lyriker hat sich im Badezimmer eingeschlossen, um seinen Namen in Wasser zu schreiben. Als Kinder hatten wir uns gegenseitig zu übertrumpfen versucht. Wir riefen: «Erster!», riefen: «Schnellster!», und behauptete einer, «Bester Tormann!» oder «Bester Kletterer!» zu sein, stach ihn nur ein Ausruf aus: ein unschlagbares, ein unbesiegbares, ein ultimatives «Bester Alles!» Polkinger hält mich bestimmt nicht für den Besten Alles. Distanz! Ich darf nicht so begeistert lesen. Ich muss wesentlich distanzierter klingen. Der Beste Alles gab sich von nun an redlich Mühe, und prompt erklärte Professor Capart dem anerkennend nickenden Adorno: «Georg Fahlmann karikiert ironisch den Literaturbetrieb. Eine Ausnahmebegabung. Ich werde ihn die Magisterprüfung bestehen lassen, auch wenn er nichts weiß, haha, ich geb ihm sogar ne Eins, wenn er einen Chiasmus mit einem, ach, Sie wissen schon, verwechselt.» Zwo, drei, vier …

      oberst viss im nacken

       nack-tack-tack so dunkel

       zwei flaschen brause &

       komm mal mit mein kleines

       eulenkidnapping im schmackelwald

       oh, nein, peter vogel!

      Wie konnte ein Erwachsener solche Gedichte lesen oder hören, nack-tack-tack so dunkel, ohne den Verfasser für einen totalen Blödian zu halten? Draußen wurde es tatsächlich dunkel, nack-tack-tack, ich knipste die Lampe an und badete das zitternde Buch im Lichtsee. Jens hätte Spaß an der Lesung gehabt. Wahrscheinlich feilschte er gerade mit Mutter, wie lange er noch aufbleiben durfte. Und Susanne? Was sie wohl gerade – nein darüber darf ich nicht nachdenken! Webspitzeinsatz. Nicht jetzt! Wäre Jens hier, er hätte jedenfalls seinen Spaß. Und wahrscheinlich all seine Freunde …

      oma kruse und h. c. knolle

       im kurhotel «thoelke»

       und brühwarm im oberstübchen

       shaffery & genossen

       duseln nattern durch krummbüsche

       krebsen nacktschnecken den hang hoch

       plätten maulwurfshügel maulwurfshügel

       heh, kellner! mehr zucker!

       kaffeetasse johann zirpt im kaltbach

       – armer johann

      Sprach ich «Thoelke» aus, wie es Wum tat, der heimliche Held meiner Kindheit,

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