Gusto auf Grado. Andreas Schwarz

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Gusto auf Grado - Andreas Schwarz

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Genehmigung der Stadtbehörden, Bade- und Umkleidekabinen auf dem Strand«, heißt es in einer lokalen Aufzeichnung. Den Stadtbehörden stand damals Bürgermeister Giacomo Scaramuzza vor, der selbst die erste Kabine auf den Strand gesetzt und damit so etwas wie ein erstes Seebad-Gefühl begründet haben soll. Kleine Herbergen, locande, mit ein, zwei Zimmern folgten. Schon 1868 wurde die erste echte Badeanstalt errichtet.

      Zwei Jahre zuvor hatte Venedig nach 70 Jahren das Haus Habsburg verlassen und war dem neu gegründeten Königreich Italien beigetreten. Venetien und die Strände im Westen waren damit für die Monarchie verloren, Badegäste begannen, sich nach neuen Sonnenflecken umzusehen. Auch wenn Grado damals noch keinen überzeugenden Ruf hatte: »Heute ist Grado ein Ort mit verstreuten, schlecht gebauten und schlecht gelüfteten Fischerhütten, die gegen die Sturmwellen durch einen vor 30 Jahren begonnenen und nur zur Hälfte aufgebauten Damm geschützt werden; dahinter ein schäbiger Kirchturm, auf dessen Spitze ein Bronzeengel steht, der mal eine Feder, mal einen Finger verliert und daher zu einer Gefahr für die Vorübergehenden geworden ist. Das ist das heutige Grado, das arme Grado, das mit Wassermelonen und Fischgeräten erfüllte Grado, das sich rühmt, den Sand für die Zementierung des Mauerwerks von Triest zu liefern«, schrieb der Schriftsteller Ippolito Nievo 1856 in seiner Novelle Die Zauberinnen von Grado. Gewidmet hat er sie den Badenixen der Badekabine Nr. 5, wie Marino De Grassi, Historiker und Autor, in einem feinen Essay in dem Buch Ritorno a Grado erzählt.

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       Die Stefaniestraße in der Altstadt um die Jahrhundertwende

      Ein halbes Jahrhundert später sollte der Sand, der »für das Mauerwerk in Triest« aus Grado fortgeschafft wurde, übrigens zu einer kleinen Revolution führen. Die Gradeser beanspruchten seit jeher das Recht, Sand zu »schürfen« – für sich selbst. Die Regierung sah das seit jeher anders. Sie schickte Schiffe aus Triest, Piran und sonstwo, um den wertvollen Sand abzuholen. Als eine Segelbarke aus Piran im Auftrag der k. u. k. Seebehörde wieder einmal Sand von einer der Bänke vor Grado lud, reichte es einigen aufgebrachten Gradesern. Sie kaperten das Schiff der Sandräuber, die flüchten konnten, und brachten deren Barke in den Hafen von Grado, wo sie die Zufahrt mit schweren Ketten versperrten.

      Der Streit um den Sand sollte über Jahrzehnte fortdauern. Das schlechte Bild Grados, wie es besagter Schriftsteller zeichnete, änderte sich aber sehr bald. Vor allem dank einer Entdeckung: der Heilkraft der Gradeser Seeluft.

      1872 kam der toskanische Kinderarzt Giuseppe Barellai nach Grado. Er hatte sich dem Kampf gegen die Armeleute-Krankheit Tuberkulose verschrieben und in Italien schon 20 Hospize gegründet. Barellai folgte einer Einladung der Behörden und Ärzte in Görz. Er sollte prüfen, ob Wasser und Luft in Grado für Heilungszwecke taugten, und kam zu folgendem Befund: reine Luft, stark salz- und jodhaltiger Sand, mildes Klima. Kurzum, ein idealer Ort für die Errichtung einer See-Kuranstalt. Das jedenfalls riet er seinen Gastgebern. Genau genommen empfahl er ein Hospiz für Kinder mit Rachitis und Skrofulose (Schwellungen am Hals im Zusammenhang mit Tuberkulose). Während die Kranken in der Vergangenheit aus therapeutischen Gründen zu Schatten und Dunkelheit verdammt worden waren, lautete Barellais Therapie: Luft und Sonne.

      Die Verantwortlichen in Görz folgten dem Rat des Arztes nur zu gerne. Schon im darauffolgenden Jahr öffnete das Hospiz Marino in Grado seine Pforten. Finanziert wurde es unter anderem durch eine großzügige Zuwendung Kaiser Franz Josephs sowie durch Baron Leonard Bianchi, der in Grado mehr als ein Vierteljahrhundert später die Bianchi-Villen errichten lassen sollte. Barellai hatte mit seiner Methode bei den Kindern, die aus Görz und Triest, später aus der ganzen Monarchie kamen, durchschlagenden Erfolg. Das Hospiz erhielt fortan einen jährlichen Zuschuss vom kaiserlichen Hof und von Görzer Gesundheits-Mäzenen. Weniger wohlhabende Familien, die ihre Kinder nach Grado brachten, bekamen einen Zuschuss direkt vom Hospiz.

      Das Geld war gut investiert, nicht nur in die Gesundheit der Kinder: Die Kunde von der gesunden Gradeser Luft machte die Runde. In Zeitungen der Monarchie erschienen Reklamen für das Badevergnügen in Grado. Die Mundpropaganda tat ein Übriges, dass das bis dato verschlafene Fischerdorf langsam ein Reiseziel für Sonnen-, Meer- und Lufthungrige wurde. Auch wenn es erst vier Hotels gab zu dieser Zeit, um 1875. Und unter »Hotel« muss man sich einfache Herbergen vorstellen: das »Alla Luna«, »Alla Sanità«, »Agli Amici«, »La Nave« und das »Cervo d’Oro« folgten. Es wurde eine Kanalisation angelegt, die Gemeinde machte sich an die Errichtung einer mangels Brunnen mühsamen Wasserversorgung der Stadt. Für die Gäste gab es die ersten Konzerte, Lesungen und Sportveranstaltungen – eine Art kleiner Kurbetrieb.

      Der entscheidende Durchbruch für Grado kam 1892: Kaiser Franz Joseph befürwortete einen Antrag der Grafschaft Görz und erhob Grado offiziell zum Kur- und Seebad! Ab nun gab es eine offizielle Badesaison von Mitte Mai bis Ende September, mit Kurtaxe, Kurordnung und einem Kurkomitee, das etwa für die »Bestellung der Beamten und erforderlichen Diener« für einen funktionierenden Kurbetrieb zuständig war, oder »Vorkehrungen zur leichteren Heranziehung von Fremden« zu treffen hatte, wie auch immer die aussehen sollten. Und es war zuständig für die »Verbesserung der Musik« und die »Beseitigung all dessen, wodurch der Ruf des Kurortes leiden könnte«.

      Im selben Jahr wurde das neue »Stabilimento Bagni« errichtet, die neue Badeanstalt. Die langgestreckte Holzkonstruktion mit getrennten Umkleidebereichen für Männer und Frauen ruhte auf Eichenpfählen im Wasser an jenem Strand, auf dessen aufgeschütteter Landseite später auch die Ville Bianchi stehen sollten (und der Zaun mit dem erwähnten Kaisertürl).

      Diese Geburtsstunde für ein ganz anderes Grado zog neuerlich Gäste an, was einen Ausbau der Beherbergungsbetriebe nach sich ziehen musste. Das Hotel de la Ville war mit zehn Zimmern schon so etwas wie ein richtiges Hotel, nach damaligen, vorsanitären Standards. Die Gradeser Brüder Marchesini bauten das Hotel zur Post, das ein »Post- und Telegraphenamt im Hause« hatte und »vorzügliche italienische und deutsche (sic!) Küche« anpries. Und der Triestiner Tomaso Giacomo Fonzari, Angestellter der Stadtverwaltung und Sohn eines Kochs, baute das kleine Hotel Graz, dem 1897 das Grand Hotel Fonzari folgen sollte. Binnen weniger Jahre avancierte es zum renommiertesten Hotel auf der Insel, in dessen Nachbarschaft dann noch das Hotel Lido entstand. Im Lido wurde übrigens eines der ersten Casinos in Grado eingerichtet. Das noch schlichte Hotel war der Vorläufer des Hotels Astoria, das heute das erste Haus am Platz ist und sich im Inneren den Charme des Jugendstiljuwels erhalten hat.

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       Die Kabane, das Strandzelt, war so etwas wie das Wohnzimmer des Badevergnügens.

      Aber zurück zu den Jahren vor der Jahrhundertwende. Denn das war tatsächlich alles erst der Anfang des Seebades, wie der Neuen Freien Presse damals zu entnehmen war. In einer wunderbaren Beschreibung aus dem Jahr 1894 unter dem Titel »Fürwort für Grado« hieß es da in aller Ausführlichkeit: »Sobald die winterlichen Vergnügungen mit dem fröhlichen Osterfeste ihren Abschied gefunden, beschäftigt sich ›ganz Wien‹ mit der wichtigen Frage des Sommeraufenthalts.« Die meisten Erholungsuchenden entschieden sich, so das Blatt bedauernd, für die Umgebung Wiens, die Berge oder einen der österreichischen Seen. »Kräftigende Seebäder im Meere, die unseren blutarmen, großstädtischen Kindern und jungen Mädchen so noth täten, kommen leider gar nicht in Betracht, weil man dabei nur an das deutsche Meer denkt.« Das aber sei zu kalt und zu beschwerlich zu erreichen.

      Aber die Neue Freie Presse wusste Abhilfe. Wer dennoch ans Meer wolle, für den »ist unser heimatliches Seebad Grado wie geschaffen. Auch hier finden wir zweimal des Tages, wenn die Fluth mit ihrem belebenden Salzathem hereinbraust, kräftigen Wellenschlag, aber dort ist die Temperatur von Wasser und Luft eine weit höhere, so daß man selbst bei sehr langem Aufenthalte im Bade nicht jenes zuweilen lange anhaltende Frösteln empfindet, das sich im Norden oft schon nach minutenlangem Verweilen in der See einstellt.«

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